Wird die Blockchain für Vermögenswerte, was das Internet für Informationen ist? Wenn die Blockchain auch nur einen Bruchteil der an sie gesetzten Erwartungen erfüllt, bieten sich hier enorme Chancen für die Wirtschaft und Investoren mit einem guten Verständnis des Blockchain-Ökosystems.
Denn Blockchain ist weitaus mehr als Bitcoin & Co. Die Blockchain-Technologie revolutioniert schon jetzt Geschäftsprozesse in Bereichen wie Energie, Mobilität und Industrie 4.0 und könnte zur Schlüsseltechnologie der nächsten zehn bis 20 Jahre werden. Immer mehr neue öffentliche Blockchain-Netzwerke für Geschäftsanwendungen gehen an den Start und die Zahl der hybriden Public-Private-Blockchains für Geschäftsanwendungen im Massenmarkt wächst.
Als eine Form gemeinschaftlicher Marktinfrastruktur ermöglichen Enterprise-Blockchain-Lösungen nahtlose Interaktionen zwischen Teilnehmern in verschiedenen Branchen. Unternehmen in den unterschiedlichsten Sektoren – vom Versicherungs- und Bankwesen bis hin zu Bereichen wie Handelsfinanzierungen und Lebensmittellieferketten – nutzen bereits Blockchain-Netzwerke für kommerzielle Zwecke und erreichen damit zunehmend eine kritische Größe. Der weltweite Containerverkehr zum Beispiel läuft mittlerweile zu mehr als 50 Prozent über die Blockchain.
Eine unabhängige, mit Unterstützung von Invesco durchgeführte Expertenstudie („Hyper Real: An Overview of Global Blockchain Industry Trends“) zeigt, welche aktuellen Entwicklungen und Trends Investoren in Bezug auf die langfristige Weiterentwicklung der Blockchain-Industrie und ihre Auswirkungen auf alle Branchen besonders im Blick haben sollten.
Von Smart Contracts bis Tokenisierung
Ein interessanter Bereich sind öffentliche (Permissionless) Blockchain-Netzwerke für die Nutzung von Smart Contracts – autonom ablaufenden geschäftlichen Vereinbarungen – für unterschiedlichste Zwecke. Das Ethereum-Netzwerk hat sich in diesem Bereich als unangefochtener Marktführer etabliert – dank weit verbreiteter Token-Standards und leicht verfügbarer Softwaretools für die Entwicklung von Anwendungen, die auf dem Netzwerk aufsetzen. Allerdings herrscht ein harter Wettbewerb und Ethereum muss seine Position bereits gegen mehrere Netzwerke verteidigen, die erst seit Kurzem am Markt sind, aber starke Finanzgeber hinter sich haben.
Kreationen digitaler Assets
Außerdem gibt es die Möglichkeit, digitale Assets zu kreieren – nicht nur alternative Assets wie Kryptowährungen, sondern auch digitale Fiat-Währungen oder digitale Wertpapiere, die die Kapitalmärkte modernisieren. Völlig neue Möglichkeiten eröffnen sich zudem durch die Tokenisierung physischer Objekte, Ereignisse oder Konzepte als digitale Assets, beispielsweise die Tokenisierung von Immobilienanlagen.
Was den Ausblick auf die wichtigsten Marktentwicklungen im Jahr 2021 und darüber hinaus angeht, prognostiziert unsere Expertenstudie eine Zunahme der M&A-Aktivitäten in der Branche. Das Fusionsgeschehen und die Unternehmenskäufe haben 2020 bereits zugenommen. Insbesondere bei den Marktplätzen und den Verwahrstellen wird mit einer weiteren Konsolidierung gerechnet. Akquisitionen von Broadridge und ConsenSys deuten auf eine ähnliche Entwicklung im Enterprise-Blockchain-Marktsegment hin.
Blockchin selbst rückt in den Hintergrund
Außerdem wird die Blockchain selbst, nachdem sie jahrelang im Mittelpunkt stand, künftig zunehmend in den Hintergrund rücken. Stattdessen wird der Fokus auf der Benutzererfahrung und kommerziellen Erwägungen liegen. Ohne, dass die Endnutzer mitbekommen, was hinter den Kulissen passiert, finden Blockchain-Komponenten Eingang in die traditionellen IT-Systeme der Unternehmen, reduzieren deren Komplexität und machen sie nutzerfreundlicher.
Durch die stark zunehmenden Aktivitäten in den Bereichen digitale Zentralbankwährungen, Stablecoins und tokenisierte Vermögenswerte werden wichtige Grundlagen für einfachere Handels-, Zahlungs- und Anlagetransaktionen in der digitalen Wirtschaft geschaffen. Facebook will noch in diesem Jahr mit seiner als Stablecoin konzipierten Kryptowährung Diem an den Start gehen und die chinesische Zentralbank testet derzeit in Shenzhen und drei weiteren chinesischen Städten mit ihrer digitalen Währung die bargeldlose Gesellschaft.
Gleichzeitig wird der Markt, an dem sich bislang vor allem Privatanleger engagiert haben, zunehmend institutioneller, da „Unicorn“-Unternehmen und Start-ups, Broker, Vermögensverwalter, institutionelle Handelsplattformen und globale Banken immer mehr Produkte und Dienstleistungen für digitale Vermögenswerte entwickeln.
Der richtige Ansatz für ein komplexes Anlagethema
Die große Herausforderung für Investoren, die in das Blockchain-Thema investieren möchten, ist die Frage, wie sie dieses Engagement am effizientesten umsetzen. Den einen ‚Blockchain-Sektor‘, in den man investieren könnte, gibt es nicht. Stattdessen verteilen sich die Unternehmen, die Erlöse aus der Technologie erzielen – oder ein entsprechendes Potenzial dafür aufweisen – über mehrere Branchen und reichen von Start-ups bis hin zu riesigen Mischkonzernen. Häufig sind sie für den Laien zudem nicht direkt als potenzielle Blockchain-Gewinner erkennbar.
Mit speziellen, auf Expertise in digitalen Assets basierenden Anlageprodukten erhalten Anleger aber inzwischen Zugang zu einem diversifizierten Investment in das Blockchain-Thema, das alle diese Facetten berücksichtigt. Der Elwood Blockchain Global Equity Index zum Beispiel bietet Zugang zu Unternehmen, die am Blockchain-Ökosystem partizipieren oder potenziell partizipieren könnten. Der Index enthält Aktien aus den Bereichen Kryptowährung-Mining und Token-Investments, mehrheitlich aber Unternehmen mit geschäftlichem Bezug zu Enterprise-Blockchain-Lösungen.
Der Index und die im Index enthaltenen Unternehmen sind deutlich weniger volatil als ein direktes Investment in Bitcoin oder andere Kryptowährungen. Aufgrund der vielfältigen Aktivitäten der Indexunternehmen ist die Korrelation zwischen den Kursbewegungen von Kryptowährungen und der Wertentwicklung des Index nur geringfügig höher als die Korrelation zwischen den Kursen von Kryptowährungen und den globalen Aktienmärkten.
Im Jahresverlauf 2020 ist der Index um gut 90 Prozent gestiegen, verglichen mit einem Plus von 300 Prozent für Bitcoin. Über die vergangenen drei Jahre haben beide aber ähnliche Renditen von 25,8 Prozent bzw. 26,5 Prozent pro Jahr verzeichnet, wobei die Volatilität des Index nur rund ein Drittel der Volatilität des Bitcoin betrug – 19,6 Prozent gegenüber 71,9 Prozent gemessen an der Standardabweichung der täglichen Renditen.[at1]
Blockchain-Landschaft ist weit weniger spekulativ als vermutet
Sicherlich kann es bei einzelnen Kryptowährungen zu Blasenbildungen kommen. Die Blockchain-Landschaft insgesamt ist aber weitaus weniger spekulativ. Reine Blockchain-Unternehmen gibt es am Markt aktuell kaum. Die meisten Unternehmen, die zusätzliche Erträge durch Blockchain-Anwendungen generieren oder generieren könnten, sind in anderen Geschäftsfeldern etabliert und die Blockchain stellt für sie nur eine zusätzliche Erlösquelle dar. Anlegern, die in der Lage sind, dieses verborgene Potenzial frühzeitig zu identifizieren und zu erschließen, können sich hier attraktive Anlagemöglichkeiten bieten.
Autor Chris Mellor ist Head of EMEA ETF Equity and Commodity Product Management bei Invesco.