Bei geschlossenen Fonds besteht aus haftungsrechtlicher Sicht das Problem, dass die dem Fonds beitretenden Anleger keinen direkten Vertrag mit den Personen abschließen, die den Fonds aufgesetzt haben. Die einzige Verbindung zwischen Anleger und Initiator ist der Prospekt. Nur ein fehlerhafter Prospekt kommt als Haftungsgrundlage in Frage.
Diese Prospekthaftung ist gesetzlich normiert. Für Fonds, die noch unter dem bis Mai 2012 geltenden Verkaufsprospektgesetz aufgelegt wurden (Altfonds), galt für Prospekthaftungsansprüche eine Verjährungsfrist von einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Anleger vom Prospektfehler Kenntnis erlangte, längstens jedoch drei Jahre seit der Auflage des Fonds.
Da geschlossene Fonds in den ersten drei Jahren nach Auflegung zumeist prognosegemäß verliefen, wurden Klagen in der Regel erst nach diesem Zeitpunkt erhoben. Dann aber war ein Prospekthaftungsanspruch gegen die Initiatoren bereits verjährt.
Die alte Rechtsprechung hat sich daher mit der Konstruktion einer Prospekthaftung im weiteren Sinne beholfen. Gesetzliche Grundlage für diese Haftung ist ein vorvertragliches Schuldverhältnis, das immer dann entsteht, wenn zwei Parteien beabsichtigen, einen Vertrag miteinander abzuschließen. Wenn der Anleger dem Fonds beitritt, schließt er mit den Personen, die den Fonds gegründet haben, den Gesellschaftsvertrag bzw. den Treuhandvertrag ab.
Daher besteht hier ein vorvertragliches Schuldverhältnis, aus dem jeder Gründungsgesellschafter verpflichtet ist, den beitretenden Anleger über alle Verhältnisse der Fondsgesellschaft vollständig und richtig aufzuklären. Prospektfehler und sogar eine fehlerhafte Aufklärung im Vertrieb der Fondsanteile müssen sich die Gründungsgesellschafter zurechnen lassen. Die Besonderheit lag dabei in der Verjährung: Für diese Ansprüche gilt die lange allgemeine Verjährungsfrist von bis zu zehn Jahren und nicht die kurze Frist der gesetzlichen Prospekthaftung.
Ein Anleger konnte sich auch noch zehn Jahre nach Auflegung des Fonds auf einen Prospektfehler berufen. Auf diese Weise gelang es, den Kreis der Haftenden weit zu ziehen. Bis heute basieren viele Anlegerschutzklagen wegen solcher Altfonds auf dieser Rechtsprechung. Die Anleger konnten in Ruhe abwarten und schauen, ob der Fonds erwartungsgemäß lief – falls nicht, blieb immer noch ausreichend Zeit für eine Klage.
Dieser Möglichkeit hat der BGH nun durch Änderung seiner Rechtsprechung einen Riegel vorgeschoben. In der rechtswissenschaftlichen Diskussion war es lange umstritten, wie sich die gesetzliche Prospekthaftung zur Prospekthaftung im weiteren Sinne verhält. Die gesetzliche Prospekthaftung umfasst die Personen, die ausdrücklich die Verantwortung für den Prospekt übernommen haben, sowie die, die zum Kreis der sogenannten Prospektveranlasser gehören.
Dies sind die Personen, von denen die wirtschaftliche Initiative für das Fondsprojekt ausgeht, die auf die Konzeption des Fondsprojekts Einfluss genommen haben, die auch auf die Gestaltung des Prospekts hätten Einfluss nehmen können und die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Projekt haben. Diese Personen werden auch als „Hintermänner“ bezeichnet. Die Gründungsgesellschafter einer Fondsgesellschaft gehören nach Ansicht des BGH grundsätzlich zu dem Kreis der Prospektveranlasser.
Auswirkungen auf KAGB-Fonds weniger gravierend
Der BGH vertritt nun in dem Beschluss vom 19. Januar 2021 die neue Rechtsansicht, dass bei Altfonds die gesetzliche Prospekthaftung vorrangig ist vor einer Haftung auf der Grundlage eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses. Da die Gründungsgesellschafter zum Kreis der Prospektveranlasser zählen, ist auf sie künftig ausschließlich die gesetzliche Prospekthaftung anwendbar.
Danach gelten für sie bei Altfonds nunmehr ausschließlich die Regelungen der gesetzlichen Prospekthaftung. Es kann künftig nicht mehr ersatzweise auf den Haftungstatbestand eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses zurückgegriffen werden. Wenn die Ansprüche der Anleger aus der gesetzlichen Prospekthaftung bereits verjährt sind, können die Anleger also keine Ansprüche mehr mit der Begründung herleiten, die Gründungsgesellschafter hätten ihre Aufklärungspflicht durch Verwendung eines fehlerhaften Prospekts verletzt.
Da die Verjährungsfristen für Altfonds, die noch unter den Regelungen des bis Mai 2012 geltenden Verkaufsprospektgesetzes aufgelegt wurden, deutlich kürzer sind als die Verjährungsregelungen für Ansprüche aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis, wird diese neue Rechtsprechung einigen bereits anhängigen Anlegerschutzverfahren die Grundlage entziehen. Auch Kläger, die auf dieser Grundlage noch Ansprüche bis Mai 2022 geltend machen wollten, werden es künftig schwer haben.
Die Rechtsprechung erfasst jedoch nur die Ansprüche, die auf einen fehlerhaften Prospekt gestützt werden. Nach wie vor gilt die lange Verjährung für alle übrigen Anspruchsgrundlagen, die sich nicht auf einen fehlerhaften Prospekt beziehen. So wird man weiterhin etwa den Bankberater wegen einer falschen Beratung innerhalb der langen allgemeinen Verjährungsfrist von bis zu zehn Jahren in Anspruch nehmen können.
Auch für die sogenannte Expertenhaftung, also wenn etwa ein Wirtschaftsprüfer unter Hinweis auf seine besondere berufliche Expertise einen Fonds empfohlen hat, unterliegt weiterhin der langen Verjährung. Nur die Inanspruchnahme der eigentlichen Konzepteure von Altfonds, der sogenannten Hintermänner, wird künftig schwerer, wenn nicht gar unmöglich.
Ob die neue Rechtsprechung auch für nach dem seit 2013 geltenden Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) konzipierte Fonds gilt, ist unklar. Die Begründung des BGH-Beschlusses spricht dafür, dass die Rechtsprechung auch für KAGB-Fonds gilt. Allerdings sind die Auswirkungen auf KAGB-Fonds weniger gravierend.
Haftung ist jetzt deutlicher konturiert
Der Prospekthaftungsanspruch ist in Paragraf 306 KAGB geregelt. Danach haften wie bisher der Prospektverantwortliche und der Prospektveranlasser für einen fehlerhaften Prospekt. Die Verjährung richtet sich allerdings im Gegensatz zum alten Recht nach der allgemeinen Verjährungsregelung. Danach können Anleger Ansprüche innerhalb von drei Jahren nach Kenntnisnahme des Prospektfehlers, längstens jedoch innerhalb von zehn Jahren nach Auflage des Fonds, geltend machen.
Eine Haftung der Gründungsgesellschafter wird man zukünftig also nach Paragraf 306 KAGB, der Prospekthaftung des KAGB, geltend machen müssen. Da die Verjährungsregelungen angeglichen wurden, bietet dies insoweit keine Nachteile für Anleger. Allein die Haftung ist jetzt durch das Gesetz deutlicher konturiert.
So kann sich der Gründungsgesellschafter von einer Haftung durch den Nachweis befreien, dass er den Prospektfehler nicht kannte und auch nicht hätte kennen müssen. Ein solcher Nachweis dürfte dem Gründungsgesellschafter in der Regel dann gelingen, wenn er etwa ein Prospektprüfungsgutachten von einem dafür spezialisierten Experten hat anfertigen lassen, welches die Fehlerfreiheit und insbesondere auch die Vollständigkeit des Prospekts attestiert, und er im Übrigen nachweisen kann, dass er in die Prospektgestaltung nicht eingebunden war.
Ein Anspruch des Anlegers entfällt nach Paragraf 306 KAGB natürlich auch dann, wenn der Anleger den Prospektfehler kannte.
Fazit: Aufgrund der neuen BGH-Rechtsprechung müssen sich die Anleger, die wegen Prospekthaftungsansprüchen eines vor Mai 2012 aufgelegten Fonds klagen oder noch klagen möchten, genau überlegen, ob es neben Ansprüchen aus einem fehlerhaften Prospekt noch anders begründbare Ansprüche gibt.
Bestehen solche Ansprüche nicht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Haftungsklage gegen die Gründungsgesellschafter, aber auch gegen den Initiator und die sogenannten Hintermänner des Fonds, scheitern wird.
Autor Oliver Zander ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Weitnauer.