Laut Thomas Grüner, Gründer und Vice Chairman von Grüner Fisher Investments, blicken viele Anleger erwartungsvoll auf die weitere Entwicklung und vermuten, dass Gold seine früheren Höchststände in US-Dollar bald überwinden werde – obwohl die Inflation nachlasse und die geopolitischen Spannungen tendenziell abnehmen würden. Als Haupttreiber werde oftmals angeführt, dass die Aussicht auf sinkende Zinssätze den Goldpreis beflügeln werde.
Laut Grüner argumentieren die Anleger wie folgt: Wenn die US-Notenbank die Zinsen senkt und/oder die langfristigen Zinssätze für US-Staatsanleihen fallen würden, steige die relative Attraktivität von Gold im Vergleich zu Anleihen erheblich. In der Folge würden sich Scharen von Anlegern, die keine hohen Zinszahlungen mehr erhalten, dem gelben Edelmetall zuwenden und den Preis in die Höhe treiben. „Diese Theorie klingt durchaus etwas logisch und ziemlich einfach, allerdings ist sie ebenso einfach zu widerlegen“, betont Grüner.
Keine langfristige Korrelation
Wenn sinkende Zinssätze tatsächlich gut für Gold seien, dann sollte mindestens die Erwartung erfüllt werden, dass sich die langfristigen Zeitreihen überwiegend in entgegengesetzte Richtungen bewegen würden. „Das ist allerdings nicht der Fall“, so Grüner. „Seit 1973, als der freie Handel mit Gold begann, hat der Goldpreis zu US-Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit eine Korrelation von -0,07. Es gibt also so gut wie keine Verbindung, der Goldpreis entwickelt sich minimal häufiger entgegengesetzt zu den US-Zinsen – funktionell bedeutungslos und zufällig.“
Entwicklung seit 2020 im Fokus
In dieser Entwicklung seien längere Zeiträume enthalten, in denen der Goldpreis parallel zu den US-Zinsen gelaufen sei, beispielsweise in der Abwärtsbewegung während der 1980er und 1990er Jahre. „Es gibt aber auch Zeitpunkte zu beobachten, in denen die Gegenläufigkeit nahezu perfekt zu funktionieren scheint“, erläutert Grüner. Beispielsweise hätten beide Zeitreihen am 6. August 2020 einen Wendepunkt markiert – langfristige US-Zinsen hätten ihren Tiefpunkt und Gold sein jüngstes Allzeithoch erreicht. Seitdem seien die Zinsen gestiegen und Gold habe sich schwer getan. Es falle also leicht, hier einen fundamentalen Zusammenhang zu vermuten und diesen in die Zukunft zu extrapolieren.
„Wir sind jedoch der Meinung, dass dies einer genaueren Prüfung nicht standhält“, so Grüner. „Beide Wendepunkte fielen in das Jahr 2020, als die Volatilität förmlich explodierte, die Stimmung apokalyptisch wurde und die Fed massiv intervenierte.“ Selbst in diesem Zeitfenster sei die Korrelation aber mit -0,23 nicht viel aussagekräftiger. In diesem Zeitraum seien die US-Zinsen um mehr als vier Prozentpunkte angestiegen, der Goldpreis habe es trotzdem „überlebt“ und sich tendenziell seitwärts entwickelt. Kräftige Zinserhöhungen würden den Goldpreis nicht zerstören, also würde es schwer fallen zu verstehen, warum fallende Zinsen plötzlich einen massiven Aufwärtstrend bei Gold erzeugen sollen.
Fazit
„Unsere grundsätzliche Einstellung zu Gold bleibt unverändert: eine erfolgreiche Investition in Gold (im relativen Vergleich zu alternativen Anlageklassen wie Anleihen und Aktien) erfordert außergewöhnlich gute Timing-Fähigkeiten“, resümiert Grüner. „Ein schwieriges bis unmögliches Unterfangen, da der Goldpreis sehr stark von unkalkulierbaren Marktstimmungen beeinflusst wird.“ In diesem Zusammenhang helfe auch der Blick auf die US-Zinsentwicklung nicht wirklich, denn Gold und Zinsen hätten keine vordefinierte, langfristige Beziehung zueinander.