Die Dramatik lässt sich kaum noch steigern. Der Wohnungsbau ist wegen des starken Zinsanstiegs und teurerer Materialien abrupt ins Stocken geraten. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hat bereits eingeräumt, dass die Ampel-Koalition ihr Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen verfehlen wird. Immobilien- und Bauverbände rechnen dieses Jahr nur mit rund 245.000 neuen Wohnungen, wenn es gut läuft. Von Januar bis Juni wurde laut Statistischem Bundesamt der Bau von 135.200 Wohnungen bewilligt – 27,2 Prozent oder 50.600 weniger als ein Jahr zuvor. Allein im Juni sank die Zahl der Baugenehmigungen gegenüber Juni 2022 um 28,5 Prozent auf 21.800. Darin sind sowohl die Bewilligungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch Umbauten enthalten. „Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin vor allem steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben“, erklärten die Statistiker in Wiesbaden. Um die Situation nachhaltig zu verbessern, wären von der Politik große Anstrengungen vonnöten. Doch von dort ist nur viel Wassertreten zu registrieren.
Das Segment der Immobilienfinanzierung kämpft ebenfalls mit den Folgen, die sich aufgrund der negativen Vorgaben aus der Immobilienwirtschaft ergeben. Die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen und die Zahl der tatsächlich erfolgten Baufinanzierungen ist stark rückläufig und auch die Zahl fertiggestellter Wohnungen liegt am Boden. Laut aktueller Daten vom Juli 2023 ist das deutsche Hypothekenwachstum auf 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Das ist der niedrigste Stand seit fast neun Jahren (November 2014) und der zweitstärkste Wachstumsrückgang in der Geschichte (nach Mai 2023). Beim derzeitigen Tempo werde das Hypothekenwachstum im Dezember 2023 negativ werden. Kein Wunder, schließlich haben die Bauzinsen seit Anfang 2022 gemeinsam mit der Inflation deutlich angezogen und liegen derzeit bei um und bei vier Prozent. Immer noch kein Vergleich zu den 70er oder 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, als der Wert oft doppelt so hoch war. Aber gemeinsam mit anderen Faktoren wie der generellen Verteuerung von Bauvorhaben und veränderten gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz und der Ressourcenschonung macht den Erwerb der eigenen vier Wände für viele unerschwinglich.
Das ist auch eine Herausforderung für Finanzierungsvermittler und Banken. Denn aufgrund der der schwächelnden Vollfinanzierung müssen sie neue Wege gehen. Wie sehen diese aus? Die ING wollte es genauer wissen und begab sich in diesem Sommer auf Business-Tour durch Nord- und Teile von Ostdeutschland, um den Vermittlerinnen und Vermittlern den Puls zu fühlen. „Einerseits wollen wir Nähe zu unseren Vertriebspartnerinnen und Vertriebspartnern zeigen. Andererseits erhalte ich so Informationen aus den einzelnen Regionen, die uns für die Entwicklung unserer Produkte und Services Impulse geben – ergänzend zu den Anregungen, die wir durch die Vertriebsbetreuerinnen und Vertriebsbetreuer sowie Key Account Managerinnen und Manager erhalten“, sagt Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei ING Deutschland, und ergänzt: „Deutlich wurde aber auch die aktuelle Unsicherheit der Kundinnen und Kunden in Richtung Gebäudeenergiegesetz. Die Themen Modernisierung und Sanierung sind aktuell in aller Munde.“
In der Tat scheinen die beiden letztgenannten Aspekte aufgrund der Klimaschutzvorgaben, aber eben auch, weil es in der Vollfinanzierung derzeit nicht rund läuft, eine Alternative zu sein. Allerdings ist es nicht leicht, eineinhalb Jahrzehnte Niedrigzinsphase und die damit verbundene eher leichte Ansprache von Bauinteressen ad acta zu legen und neue Wege zu bestreiten. „Ich erlebe Vermittlerinnen und Vermittler, die sich bereits als „Modernisierungs-Coach“ haben ausbilden lassen, andere setzen darauf, dass die Neubaufinanzierung wieder an Gewicht gewinnt“, sagt Thomas Hein. So oder so sei es wichtig, dass man sich jetzt auf die neue Marktsituation einlässt und dafür die Weiterbildungsangebote nutzt. Denn auch wenn der Vermittler sich nicht auch noch zum Energieberater ausbilden lassen müsste, die meisten Kunden erwarteten von ihm, dass man ihnen bereits zu Beginn der Finanzierung mitteilt, mit welchen Vorgaben und vor allem Kosten sie beim Punkt Klimaschutz und Nachhaltigkeit generell rechnen müssen. Da reicht es nicht aus, sich nur auf das Wissen aus Zeitungen und anderen Medien zu verlassen. Um Vermittlern hierbei die Beratung zu erleichtern, hat ING gemeinsam mit der KfW ein Tool entwickelt, um zu ermitteln, mit welcher Maßnahme sich am meisten Energiekosten einsparen lassen, was das konkret bringt und auch, was das kostet.
Wann die Neubaufinanzierung, wie von einigen Vermittlern erhofft, wieder anspringt, ist weiter ungewiss. Die Inflation ist weiter hartnäckig und lag im August bei 6,1 Prozent und ist damit weit entfernt vom Zwei-Prozent-Ziel der EZB. Zum Vergleich: Der Vorjahreswert betrug 7,9 Prozent. Darüber hinaus liegen die Leitzinsen auf einem Niveau, das ein Abschmelzen der Bauzinsen mittelfristig unwahrscheinlich macht. Und dennoch gibt es einen kleinen Lichtblick. Bei den Eigenkapitalanforderungen zeichnete sich zuletzt eine kleine Entspannung ab. Während die durchschnittliche Eigenkapitalquote, insbesondere aufgrund strikterer Vorgaben der finanzierenden Kreditinstitute und Versicherungen, zwischen dem ersten Quartal 2022 und dem ersten Quartal 2023 von 22,1 Prozent auf 28,6 Prozent angestiegen ist, hat sie sich zuletzt (Q2/2023) wieder auf 26,6 Prozent reduziert.
Dieser Artikel ist teil des EXKLUSIV Baufinanzierung in Kooperation mit ING Deutschland. Das gesamte EXKLUSIV finden Sie hier.