Der Amundi Welt Ertrag Nachhaltig ist seit Dezember letzten Jahres am Markt. Wie ist die Resonanz aus dem Vertrieb?
Rädler: Bereits nach nur vier Monaten ist die Resonanz sehr gut. Wir treffen mit dem Produkt gleich in mehrerer Hinsicht den Bedarf der Anleger und der aktuellen Zeit. Denn es ist ein, flexibles, global ausgerichtetes grünes Portfolio mit einer Zielausschüttung. Zum einen deckt das Portfolio damit sehr viele Anlegerbedürfnisse in einem sehr späten Abschnitt des globalen Wirtschaftszyklus. Zum anderen haben wir gegenwärtig nun auch eine geopolitische Thematik, die von Mischfonds eine hohe Flexibilität erfordert. Den Amundi Welt Ertrag Nachhaltig zeichnet gerade dieses hohe Maß an Flexibilität aus. Hinzu kommt die geplante Ausschüttung von vier Prozent per annum.
Stichwort Geopolitik. Wie sehr betrifft Sie der Krieg in der Ukraine?
Rädler: Wir sind weder in russische noch ukrainische Emittenten investiert. Das Portfolio hat eine Globale Ausrichtung mit Fokus auf Industrienationen – der Hauptfokus liegt dabei auf den USA. Aufgrund der Übergewichtung in amerikanische Aktien sind die Auswirkungen auf die Performance bisher überschaubar.
Was war die Motivation, einen solchen Fonds aufzulegen?
Rädler: Es gab den Wunsch, Anlegern einen hochflexiblen Multi-Asset-Fonds mit einer planbaren, regelmäßigen Ausschüttung zu bieten, der zudem den Nachhaltigkeitsaspekt als zentralen Bestandteil in den Investmentprozess integriert. Dieser Wunsch wurde vom Vertrieb vom Produktmanagement und vom Marketing an uns herangetragen. Oder anders ausgedrückt, die Zeit war reif für einen Multi-Asset-ESG-Fonds mit Ausschüttungsoption.
Worin unterscheidet sich der Fonds von den Wettbewerbern?.
Rädler: Der große Unterschied zu anderen ausschüttenden Mischprodukten ist die Loslösung von klassischen Dividendensektoren und couponstarken Anleihesegmenten wie zum Beispiel des Hochzinssegments. Hier bietet der Amundi Welt Ertrag Nachhaltig ein sehr starkes Alleinstellungsmerkmal, das wir als Ausschüttung 2.0 bezeichnen. Wir haben eine zusätzliche Säule mit ins Portfolio aufgenommen – das ist das sogenannte „Veroptionieren von Puts auf Einzeltitel“.
Dieses Vorgehen ermöglicht uns über die Zeit eine Zusatzprämie zu generieren, um letztendlich die vier Prozent jährliche Ausschüttung zu erreichen, ohne rein an klassische dividendenstarke Segmente wie Versorger, et cetera, gebunden zu sein. Durch diese gewonnene Unabhängigkeit haben wir zum Beispiel auch die Möglichkeit, in Wachstumstitel zu investieren, die zwar keine Dividende ausschütten aber in der Vergangenheit sehr performancetreibend waren.
Darüber hinaus haben wir eine äußerst flexible Asset Allocation. Wir können unsere globale Aktienquote in einer Bandbreite von 30 bis 70 Prozent und die Durationen zwischen zwei bis sieben Jahren sehr flexibel steuern. Das ist, glaube ich, auch ein Novum in diesem Mischfondssegment. Damit wollen wir unseren Anlegern die Entscheidung bezüglich der Asset Allocation zu einem beträchtlichen Teil abnehmen. In den nächsten Wochen und Monaten wird es von entscheidender Bedeutung sein, das Aktienrisiko sowie das Aktien-Exposure zu steuern und im Zusammenspiel mit der Duration gut abzufedern.
Die weltweit verfügbaren Investmentmöglichkeiten im Aktiensegment auf ESG-Konformität zu durchleuchten ist bereits eine Herausforderung, weitere Assetklassen hinzuzunehmen scheint eine Herkulesaufgabe zu sein. Wie bewältigen Sie diese?
Rädler: Es ist in der Tat eine Herkulesaufgabe und in erster Linie geht es dabei um Daten. Wir bedienen uns der Daten von insgesamt 14 Ratingagenturen und Dataprovidern. Allein das zu kanalisieren, zu gewichten und letztendlich zu einem ESG-Score zusammenzufassen, das ist schon eine herausfordernde Aufgabe. Die haben wir aber in den letzten Jahren sehr gut gemeistert, indem wir die Datenflut in unser proprietäres Front-Office-System implementiert haben.
Als Portfoliomanager kann ich innerhalb von Sekunden sehen, wie sich mein Portfolio in den Bereichen ESG, CO2-Emissionen oder Taxonomiekonformität, auffächert. Im Gegensatz zu anderen Häusern haben wir das Thema ESG, das Thema Nachhaltigkeit früher aufgenommen, und uns dadurch einen guten Vorsprung erarbeitet – nicht nur in Bezug auf Know-how, sondern auch bei der Implementierung in unsere Systeme.
Wie läuft der Investmentprozess – also die Fundamentalanalyse und das ESG-Scoring – konkret ab?
Rädler: Grundsätzlich sind beide Bereiche zunächst getrennt, bevor sie dann im Portfolio in Form einzelner Assetklassen zueinanderfinden. Die Fundamentalanalyse auf der Aktien- und auf der Anleihenseite wird von unseren Analysten nach den klassischen ökonomischen Kriterien durchgeführt. Die ESG-Analyse ist komplett gesondert zu sehen.
Unsere 40 ESG-Analysten, die vornehmlich in Paris sitzen, schauen sich die Unternehmen anhand von 37 Kriterien in den Bereichen E, S und G an und ermitteln dann den ESG-Score. Für einen Mischfonds mit Nachhaltigkeitsfokus, bedeutet das eine Verkleinerung des Investierbaren Universums. Ein Beispiel – der MSCI-All Country-World-Index beinhaltet ca. 3.000 Aktien, wir können nach Berücksichtigung unserer ESG Kriterien nur 1.200 Unternehmen der näheren Analyse unterziehen.
Stichwort ESG-Scoring, welcher Wert muss dabei erreicht sein, damit Sie sagen „Ja, das passt, ich kann investieren“?
Rädler: Für den Amundi Welt Ertrag Nachhaltig würden wir ausschließlich in die bessere Hälfte der ESG-gescreenten Titel überhaupt investieren können, das heißt A bis inklusive D. Auf Gesamtportfolioebene streben wir ein Durchschnittsrating von C und besser an. Nach oben hin wird die Luft allerdings recht dünn. Beispielsweise gibt es aktuell nur 52 Emittenten, die ein A-Rating haben.
Wie viele Werte haben Sie ungefähr im Durchschnitt im Portfolio?
Rädler: Wir haben im Durchschnitt zwischen 250 und 300 Werte im Portfolio.
Kommen wir noch zum Thema Greenwashing, das künftig vermutlich noch weiter um sich greifen wird. Inwieweit bereitet Ihnen das Sorgen?
Rädler: Dieses Thema hängt natürlich über der ganzen Branche wie ein Damoklesschwert. Wir benötigen dringendst klare Vorgaben der Regulatoren. Bisher sind die Formulierungen teilweise noch zu schwammig, so dass sich daraus sehr viel Interpretationsspielraum ergeben kann. Was wirklich Greenwashing ist, lässt sich oftmals erst im Nachgang sagen. Wir bei Amundi agieren diesbezüglich sehr konservativ und sind uns der Gefahr für unsere Reputation bewusst.
Braucht das Thema ESG einen einheitlichen Standard?
Rädler: Das denke ich auf jeden Fall. Allein in Europa ist es ein kompletter Flickenteppich und es fehlt an einer eindeutigen Definition. Jede Nation hat diesbezüglich sein eigenes, häufig kulturell bedingtes Verständnis für gewisse Thematiken, Stichwort Frankreich und Atomstrom. Deutsche und Österreicher stehen der Atomenergie anders gegenüber. Allgemein würde ein einheitlicher Standard mehr Klarheit schaffen und den Anlegern Orientierung bieten.
Eine weitere Möglichkeit, Transparenz zu schaffen ist natürlich die Bewertung über eine unabhängige dritte Instanz. Der Amundi Welt Ertrag Nachhaltig hat zum Beispiel ein Zwei-Sterne-FNG-Siegel von drei möglichen erhalten. Ich würde es auch befürworten, wenn die Siegel-Institutionen noch restriktiver, noch klarer in ihrer Abgrenzung wären, weil damit schon viele Aspekte, die gerne als Greenwashing thematisiert werden adressiert würden.
Das Gespräch führte Frank O. Milewski, Cash.