In der Debatte im Bundestag lieferten sich die Parteien der voraussichtlichen Ampel-Koalition und die Union einen harten Schlagabtausch. „Wir reagieren mit notwendigen und rechtssicheren Maßnahmen auf die sehr schwierige Corona-Lage“, verteidigte SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar die geplanten Neuregelungen. Die Länder bekämen damit mehr Handlungsmöglichkeiten als mit der noch geltenden Rechtslage.
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei warf den Ampel-Parteien vor, bei der Bekämpfung der Pandemie in die verkehrte Richtung zu laufen. „Drehen Sie doch bitte um“, sagte der CDU-Politiker. Die Pläne der Ampel, die bisher vom Bundestag festgestellte epidemische Lage nicht zu verlängern, seien unverantwortlich. Damit würden den Ländern Instrumente aus der Hand geschlagen. Unionsfraktionsvize Stephan Stracke (CSU) sagte, die Pläne der Ampel würden der Dramatik der Lage nicht gerecht.
Die Suche nach dem richtigen Weg
Der FDP-Politiker Marco Buschmann wies die Kritik scharf zurück. „Die Behauptung, dass das neue Maßnahmenpaket die Länder wehrlos dalasse, ist objektiv falsch“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion. „Sie war es schon von Anfang an, weil wir sehr robuste Maßnahmen von Anfang an auf rechtssichere Beine gestellt haben.“ Die Kritik sei teils wahrheitswidrig.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte mit Blick auf Kritik der Union. „Die Rechtslage, die Sie hier einklagen, besteht ja.“ Härtere Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung seien aber von vielen Ländern nicht umgesetzt worden. „Wenn man Karneval feiern will einerseits und sagt „Das war schon ganz prima“ und übermorgen sagt, „Wir haben aber eine riesige Notlage“, dann ist das für mich jedenfalls nicht glaubwürdig aus Nordrhein-Westfalen“, sagte Göring-Eckardt. Die nun geplanten Maßnahmen reichten deutlich weiter als die bisher gültigen.
Epedemische Lage beenden
Die Pläne von SPD, Grünen und FDP sollen eine andere Rechtsgrundlage für Corona-Auflagen schaffen, wenn die bisher vom Bundestag festgestellte epidemische Lage am 25. November ausläuft. Die Ampel-Parteien haben sich dagegen entschieden, sie erneut im Bundestag zu verlängern.
Dieser Ausnahmezustand gibt den Regierungen der Bundesländer bisher die Möglichkeit, auf einfachem Verordnungsweg weitreichende Corona-Maßnahmen zu ergreifen von Ausgangsbeschränkungen über Veranstaltungsverbote bis hin zu Restaurant-, Geschäfts- oder Schulschließungen. Die Ampel will solche Maßnahmen nicht mehr möglich machen, bis auf einige Ausnahmen, wie Verbote oder Beschränkungen im Freizeit-, Kultur- oder Sportbereich – allerdings dann auch nur, wenn die Landesparlamente dies beschließen. In der gestrigen namentlichen Abstimmung votierten bei 688 abgegebenen Stimmen 398 Abgeordnete dafür, 254 dagegen und 36 enthielten sich. Die Ampel-Parteien haben 416 Sitze.
Blockade im Bundesrat
Die unionsgeführten Bundesländer drohen mit Blockade im Bundesrat, wenn ihnen nicht mehr Möglichkeiten zu Einschränkungen und Schließungen gegeben werden. Der Maßnahmen-Katalog der Ampel schafft auf der anderen Seite aber auch neue Möglichkeiten: So soll es Maßnahmen wie 3G am Arbeitsplatz und in Verkehrsmitteln und Testpflichten in Pflegeheimen geben.
Impfdokumente fälschen wird künftig härter bestraft
Zudem werden künftig das Fälschen und der Gebrauch von gefälschten Impfausweisen oder Testzertifikaten härtere Strafen nach sich ziehen. Gerade die Klarstellungen im Strafrecht und härtere Strafen für besonders schwere Fälle von Impfpass- oder Impftestfälschungen lassen aufhorchen. Bis dato war das Fälschen vom Impfdokumenten eher ein Kavaliersdelikt denn eine Straftat.
Zwar hatte der Gesetzgeber bereits im Juni 2021 das Infektionsschutzgesetz aktualisiert. Laut dem Nachrichtensender ntv war die Bestrafung von Impfpassfälschern oder Nutzern falscher Impfpässe allerdings kaum möglich, was vor allem daran lag, dass das Ausstellen falscher Impfdokument nur für medizinisches Personal wie Ärzte oder Apotheker, unter Strafe stand, diese Personengruppen aber so gut wie nie an Fälschungen beteiligt waren, so ntv weiter.
Lücken geschlossen
Zudem gab es im Strafgesetzbuch eine erhebliche Strafbarkeitslücke. So konnten Privatpersonen für Fälschungen nicht belangt werden, weil die Täuschung mit einem gefälschten Impfpass nur gegenüber Versicherungsgesellschaften und Behörden unter Strafe stand, heißt es bei ntv. Eine allgemeinere Regelung wie eine Urkundenfälschung sei aufgrund der „Lex spezialis“ nicht zur Anwendung gekommen. Heißt: Das ein konkreteres Gesetz – die Fälschung von Medizindokumenten – die Anwendung eines allgemeineren Gesetzes – die Urkundenfälschung – sperrt.
Hier hat der Gesetzgeber nun aber für Klarstellung gesorgt. So sieht das nun verabschiedete Gesetze Änderungen und Ergänzungen der Vorschriften der Paragrafen 275, 277 bis 279 und 281 Strafgesetzbuch (StGB) vor, um unter anderem die Eintragung unrichtiger Impfdokumentationen in Blankett-Impfausweise ausdrücklich unter Strafe zu stellen oder den Gebrauch fremder Gesundheitszeugnisse ausdrücklich von Paragraf 281 StGB zu erfassen.
Mit der Neufassung sollen die Strafgesetzbuch bestehenden Privilegierungen der Fälschung von Gesundheitszeugnissen gegenüber anderen Urkundenfälschungen abgeschafft und Strafbarkeitslücken geschlossen werden. Ziel ist es, die Besserstellung von Tätern von Urkundenfälschungen in Bezug auf Gesundheitszeugnisse zu beenden.
Auch, weil aufgrund der Pandemie Impfnachweise enorm an Bedeutung gewonnen haben, weil sie für Inhaberin oder den Inhaber zur Aufhebung oder Lockerung von pandemiebedingten Einschränkungen führen können. Anders als etwa Geldscheine weisen Impfpässe keinerlei Sicherheitsmerkmale auf, wie Wasserzeichen oder Hologramme. Mit entsprechendem Aufkleber, Stempel, Arzt-Unterschrift und einer ausgedachten Chargennummer des Vakzins sind sie vom Original kaum zu unterscheiden. Und somit leicht zu fälschen.
Wie Spiegel-Online berichtet, hat es inzwischen ein Update für die Corona-Warn-App gegeben. Die App könne nun gefälschte Impfzertifikate als ungültig markieren. Konkret erkenne sie manipulierte Zertifikate von Apotheken, von denen bekannt geworden ist, dass sie Fälschungen herausgegeben haben.
Razzia in Hessen
Die zunehmende Relevanz der Impfnachweise hat dazu geführt, dass inzwischen Impfnachweise vermehrt gefälscht und in Umlauf gebracht werden. So wurde diese Woche nach Angabe des hessischen Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft Darmstadt bei einer Großrazzia zwei mutmaßliche Fälscher sowie zehn mutmaßliche Käufer gefälschter Impfpässe vorläufig festgenommen.
Rund 200 Einsatzkräfte durchsuchten 23 Objekte. Den Ermittlern zufolge besteht der Verdacht der gewerbsmäßigen Urkundenfälschung. Es wird von mindestens 300 Fälschungen ausgegangen, die für hundert bis 400 Euro verkauft worden seien. 20 mutmaßliche Käufer seien identifiziert worden.
Bis zu fünf Jahre Haft
Die Politik jedenfalls sieht durch die Entwicklung ihre Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie erheblich gefährdet und hat daher mit dem heute verabschiedeten neuen Infektionsschutzgesetz hier nachgeschärft. Auch weil der Missbrauch oder das Fälschen nun drastischere Folgen haben kann. Wer eine falsche Urkunde erstellt oder eine echte verfälscht, begeht Urkundenfälschung (Paragraf 267 Strafgesetzbuch (StGB)).
Ein Impfausweis ist also falsch, wenn der tatsächliche Aussteller nicht identisch ist mit dem Aussteller, der im Impfpass genannt wird. Dabei ist nicht nur das Fälschen eines Impfausweises, sondern allein der Gebrauch falscher oder verfälschter Impfdokumente Urkundenfälschung und kann mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden.
Wer gewerbsmäßig mit gefälschten Impfdokumenten handelt, muss mit höheren Strafen rechnen. Wer wissentlich eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus oder ein Testergebnis nicht richtig dokumentiert, muss mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren rechnen. Und wer wissentlich falsch ausgestellte Bescheinigungen benutzt, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Der Besuch im Restaurant kann also teuer werden. (dpa-AFX/dr)