Seit dem 17. August 2021 ist bis zur Deadline dieses Artikels* genau drei Monate später nicht eine einzige neue Emission nach dem Vermögensanlagengesetz neu aufgelegt worden. An diesem Datum ist das „Anlegerschutzstärkungsgesetz“ in Kraft getreten. Es brachte eine Reihe von Verschärfungen des Vermögensanlagengesetzes, an erster Stelle ein Verbot von Blindpools sowie für die meisten Konzepte eine verpflichtende externe Mittelverwendungskontrolle. Die neuen Vorschriften haben Neu-Emissionen in dem Segment also zunächst komplett zum Stillstand gebracht.
Vor dem 17. August waren seit Jahresbeginn immerhin 26 Vermögensanlagen neu in die Platzierung gegangen, darunter elf Bürgerwindbeteiligungen oder ähnliche Konzepte. Alle vor dem Stichtag von der Finanzaufsicht BaFin gebilligten Prospekte dürfen noch maximal ein Jahr seit ihrem Start nach dem alten Recht weiterplatziert werden. So haben nicht wenige Anbieter kurz vor Toreschluss noch neue Vermögensanlagen in den Vertrieb gegeben.
Dazu zählt der Zweitmarktspezialist Asuco, der am 13. Juli und 5. August insgesamt drei Tranchen seiner „ZweitmarktZins“-Namensschuldverschreibungen im Bundesanzeiger bekannt gemacht hat. Geschäftsführer Robert List kann also noch bis Mitte 2022 wie gewohnt weiterplatzieren. Was hält er von den Neuregelungen? „Generell sehen wir in dem Anlegerschutzstärkungsgesetz und dem Verbot von Blindpools eine sinnvolle Maßnahme. Damit wird ein wichtiger Aspekt angegangen, der das Vertrauen in Vermögensanlagen verbessern sollte“, antwortet List. „Notwendig wäre allerdings gewesen, hier eine konkrete Definition hinsichtlich der Frage, wann ein Blindpool ein Blindpool ist, vorzunehmen“, so List weiter. Es mache einen entscheidenden Unterschied, ob die Investition noch völlig offen sei, oder ob bereits ein konkretes, diversifiziertes Portfolio vorliege, so dass nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Investitionen noch getätigt werde. „So wie das Gesetz jetzt verabschiedet wurde, ist jede Vermögensanlage ein Blindpool, bei der letztlich nicht 100 Prozent an Investitionen konkret bestimmt sind“, kritisiert List.
Mindestens Vorverhandlungen zum Kauf müssen nachweisbar sein
Hintergrund: Vermögensanlagen, bei denen das Anlageobjekt noch „nicht konkret bestimmt ist“, sind nicht mehr zulässig. Nach einem „Merkblatt“ der BaFin sind zum Beispiel bei Immobilien zu jedem geplanten Objekt Angaben unter anderem zu Adresse, Größe und Vermietungsstand erforderlich. Außerdem müssen mindestens Vorverhandlungen zum Kauf nachweisbar sein. Die nicht konkret verplante Liquiditätsreserve darf nur maximal fünf Prozent des Emissionsvolumens betragen. Die Emittenten müssen also die Objekte entweder selbst vorfinanzieren oder die Verkäufer hinhalten, bis das Geld da ist. Das kann auch in Hinblick auf die oft langwierigen Prospekt-Billigungsverfahren bei der BaFin eine ziemliche Herausforderung sein.
Ausnahmen gibt es nur für Vermögensanlagen, die lediglich nach ihrer Gattung bestimmbar sind, also etwa Container, Wechselkoffer oder auch Bäume. Aber auch in diesem Fall sind nach dem Willen der BaFin konkrete Angaben – bei Containern zum Beispiel zu Typ, Alter und Zustand – sowie nachweisbare Vorverhandlungen/Vorverträge zum Kauf der Assets Voraussetzung für die Billigung eines Prospekts.
Weiterhin Vermögensanlagen-Emissionen? „In jedem Fall“
Ohne konkrete Objekte akzeptiert die BaFin ansonsten nur Investitionen „in den Geschäftszweck“ eines aktiven Unternehmens, zum Beispiel für Personalaufbau oder Marketing, was im Sachwertemarkt bislang aber keine Rolle spielt. So erfordert die neue Vorschrift erhebliche Anpassungen an praktisch allen bisherigen Konzepten.
Wie sieht nun der Neustart aus? Plant zum Beispiel Asuco weiterhin Emissionen nach dem Vermögensanlagengesetz? „In jedem Fall“, antwortet List. „Ein wesentlicher Grund, warum wir uns seinerzeit für das Vermögensanlagengesetz als Regulierungsrahmen entschieden haben, ist, dass wir dadurch die Kosten für unsere Anleger niedrig halten konnten. Diesen Vorteil wollen wir auch weiterhin nutzen“, erklärt er. Da der Emittent der ZweitmarktZins-Namensschuldverschreibungen ein Daueremittent sei, bei dem ein neuer Anleger von dem gesamten seit 2016 aufgebauten Zweitmarktportfolio profitiere, sei der Blindpool-Anteil faktisch sehr gering. Zudem erfolge die Investition auch neuer Anlegergelder immer in Zielfonds aus einem bekannten Pool von circa 300 geschlossenen Immobilienfonds. „Die Details der Umsetzung sind jedoch noch mit der BaFin abzuklären“, so List.
Wenigstens ein Startobjekt ist Pflicht
Auch Malte Thies, Geschäftsführer der One Group, will weitermachen. Er begrüßt „alle Bemühungen für einen verbesserten Anlegerschutz“. Das Unternehmen bietet Namensschuldverschreibungen an, die mittelbar zur Finanzierung von Projektentwicklungen seiner Muttergesellschaft Soravia in Deutschland und Österreich beitragen und hat schon 2019 auf freiwilliger Basis eine Mittelverwendungskontrolle eingerichtet. „Auch die verschärften Anforderungen des Anlegerschutzstärkungsgesetzes erfüllen wir“, betont Thies. „Positiv ist hervorzuheben, dass laut aktuellem Merkblatt der BaFin unter gewissen Voraussetzungen auch Semi-Blindpools angeboten werden können. Ein kategorisches Verbot, welches zwischenzeitlich im Gespräch war, hätte seinen Zweck aus unserer Sicht verfehlt“, sagt er.
Semi-Blindpools nach dem bisher üblichen Verständnis der Branche, also Konzepte mit einem Startportfolio und ansonsten noch unbekannten Assets, sind künftig zwar grundsätzlich nicht mehr möglich. Aber: „Änderungen zum Anlageobjekt begründen einen Nachtragsumstand“, heißt es im BaFin-Markblatt, es ist dann also ein offizieller Prospektnachtrag notwendig. Und: „Der Anleger hat in diesen Fällen ein Widerrufsrecht“, so die Behörde.
Das schließt wahrscheinlich die Möglichkeit ein, dass die Emittenten nach mindestens einem Start-Objekt später weitere Immobilien anbinden können, diese dann in einem Prospektnachtrag konkret beschreiben und das entsprechende Kapital einsammeln. Sie müssen dann allerdings darauf hoffen, dass möglichst wenige der bereits beigetretenen Anleger ihr Widerrufsrecht ausüben und ihr Geld wieder abziehen. Zudem müssen auch die weiteren Objekte jeweils im Vorfeld identifiziert und vorfinanziert oder wenigstens vorverhandelt sowie der Vertrieb bis zur Fertigstellung des Nachtrags unterbrochen werden. Noch offen ist die Frage, ob solche Nachtrags-Planungen bereits im ursprünglichen Prospekt beschrieben werden dürfen – oder sogar müssen.
„Organisatorischer Mehraufwand“
Die One Group jedenfalls will „weiterhin explizit für Privatanleger mit höherem Anlagevermögen strukturierte Vermögensanlagen anbieten“, so Thies. „Durch den Zugriff auf die umfassende Pipeline von Soravia wird es uns vergleichsweise einfach möglich sein, ein verbindliches Start-Portfolio zu präsentieren und somit mehrere konkrete Anlageobjekte zu benennen“, sagt er. Die neue Rechtslage bedeute aber einen organisatorischen Mehraufwand. Thies kündigt an: „Noch in diesem Jahr planen wir, mit einer neuen Vermögensanlage in den Billigungsprozess zu gehen. Im ersten Halbjahr 2022 rechnen wir mit einer entsprechenden Billigung.“ Bis Mitte Juni kann die One Group noch die aktuelle Emission ProReal Europa 10 nach altem Recht platzieren.
Auch TSO muss die Objekte ihrer US-Investments künftig konkret benennen. „Das Gesetz gibt uns zusätzliche Planungssicherheit, von daher sind wir vom Blindpool-Verbot durchaus angetan“, sagte Sales und Marketing Manager Christian Kunz unlängst auf dem Cash. Branchengipfel Sachwertanlagen.
TSO sei seit 2006 am deutschen Markt und habe bis 2017 die Objekte immer vorher identifiziert und vorfinanziert. „Gerade aus Vertriebssicht ist es sehr gut, zeigen zu können, welche Zielobjekte die Beteiligung hat“, so Kunz. „Ich gehe davon aus, dass wir häufiger Nachträge sehen werden, sprich weitere Objekte anbinden, diese dann präsentieren und im Anschluss das entsprechende Kapital einwerben“, sagt er. „Von unserer Seite aus ist die neue Situation begrüßenswert“, betonte Kunz.
Solvium: Prospekt schon zur Billigung eingereicht
„Wir begrüßen und unterstützen die Intention des Gesetzgebers nach mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei den Vermögensanlagen“, gibt auch André Wreth, Geschäftsführer von Solvium Capital, zu Protokoll. Die Vermögensanlagen von Solvium investieren in Logistik-Equipment wie Container oder Wechselkoffer, also Asset-Gattungen. „An der einen oder anderen Stelle, zum Beispiel der Gattungsdefinition finden wir, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wurde“, kritisiert Wreth. „Wir würden uns für die Konzeption und das Asset-Management etwas mehr Spielraum wünschen, beispielsweise durch weniger starre Größengrenzen.“ Laut BaFin müssen bei Investitionen in mehrere Gattungen genaue Prozentsätze angegeben werden, Bandbreiten für die einzelnen Asset-Gattungen sind nicht zulässig.
Macht auch Solvium trotzdem mit Vermögensanlagen weiter? „Ja, aktuell haben wir eine Fortsetzung unserer Reihe Logistik Opportunitäten zur Billigung eingereicht. Hierbei konzentrieren wir uns auf vier Gattungen mit festen Verteilungen“, antwortet Wreth. „Zudem werden wir unsere erfolgreiche AIF-Reihe im Jahr 2022 fortsetzen“, kündigt er an. Das Unternehmen hatte im Januar 2021 seinen ersten alternativen Investmentfonds (AIF) gestartet und fährt seitdem zweigleisig.
Ebenfalls das Container-Geschäft fortsetzen will Buss Capital Invest. Geschäftsführer Marc Nagel sagt: „Wir planen weiterhin Emissionen nach dem Vermögensanlagengesetz, da diese im Vergleich zu alternativen Investmentfonds ein schlankeres Kostengerüst aufweisen. Wir haben unsere konzeptionellen Anpassungen dahingehend abgeschlossen, dass wir in bereits vorhandene Containerflotten investieren. Wir haben für das erste Quartal 2022 eine Neuemission geplant.“
Noch keine Entscheidung bei Luana Capital
Noch nicht entschieden ist die Sache hingegen bei Luana Capital. Das Unternehmen kann noch bis Anfang August 2022 Namensschuldverschreibungen der LCF Blockheizkraftwerke Deutschland 8 GmbH platzieren, die kurz vor dem Stichtag in den Vertrieb gegangen sind. Auf die Frage nach der Zeit danach antwortet Marc Banasiak, Geschäftsführer der Luana Capital New Energy Concepts GmbH: „Aktuell steht die rechtliche Beurteilung durch unsere Anwälte noch aus. Auch die genaue Handhabung der BaFin können wir noch nicht beurteilen. Insofern ist eine valide Aussage letztlich leider noch nicht möglich.“
Auch Karsten Reetz, Geschäftsführer der Reconcept GmbH, wartet noch „auf eine fundierte Einschätzung der uns beratenden Rechtsanwälte“. Er sieht die Neuregelungen kritisch: „Das Blindpool- Verbot führt in letzter Konsequenz dazu, dass durch neue finanzielle wie bürokratische Hürden weniger in den Ausbau der Wind- und Solarenergie in Deutschland investiert werden wird“, so Reetz. Es treffe vor allem kleinere Emissionshäuser, die nicht umfänglich aus Eigenkapital in die Projektvorfinanzierung gehen können.
„Komplett an der Lebenswirklichkeit vorbei“
„Die Konkretisierungs-Notwendigkeit zum Anlageobjekt geht komplett an der Lebenswirklichkeit und unternehmerischen Praxis von Projektentwicklern im Bereich der Erneuerbaren Energien vorbei“, konstatiert er. Es sei nicht ungewöhnlich, dass bei Windprojekten im Projektverlauf noch der Standort angepasst werden muss oder der Anlagen-Typ umgeplant wird. „Jede Änderung im Planungsverfahren würde jedoch einen Nachtrag erforderlich machen und damit Kosten provozieren, den Vertrieb zwischenzeitlich stoppen und dies alles ginge letztendlich auch zu Lasten der Investoren“, kritisiert Reetz.
Auf die Frage nach seinen Planungen sagt er: „Durch unsere eigene Projektentwicklung ist es uns möglich, Ross und Reiter der jeweils geplanten Investitionen en Detail zu benennen. Grundsätzlich sind wir daher offen auch für neue Angebote nach Vermögensanlagengesetz.“ Aktuell und auch für das erste Quartal 2022 plane er jedoch keine Emissionen nach Vermögensanlagengesetz. Stattdessen weicht er auf andere Vehikel aus. „Wir bieten unseren Investoren inzwischen depotfähige, börsennotierte Investmentalternativen in Erneuerbare Energien: Unsere Green Bonds legen wir nach Luxemburger Recht auf“, so Reetz.
Kein Eigenvertrieb mehr möglich
So ist nicht ausgeschlossen, dass das Anlegerschutzstärkungsgesetz vor allem eine Branche trifft: Erneuerbare Energien. Dafür spricht nicht nur Reetz‘ Kritik, sondern auch das bislang komplette Ausbleiben neuer Bürgerwindparks seit 17. August. Das ist insofern etwas überraschend, als es sich dabei auch bisher in der Regel nicht um Blindpools handelte, sondern meistens konkrete Projekte finanziert wurden. Auch sind die in diesem Bereich üblichen unternehmerisch aktiven KG-Beteiligungen von der Pflicht einer Mittelverwendungskontrolle ausgenommen, müssen also keine großartigen Anpassungen vornehmen.
Die Bürgerwindparks haben vermutlich ein anderes Problem, das wiederum im überregionalen Markt kaum eine Rolle spielt: Der bei Bürgerprojekten oft übliche Eigenvertrieb des Emittenten im lokalen Umfeld ist nicht mehr möglich. Nach den neuen Vorschriften dürfen Vermögensanlagen nur noch durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder Finanzanlagenvermittler, die über eine entsprechende Zulassung der BaFin beziehungsweise der Gewerbeaufsicht verfügen, vertrieben werden. Womöglich hat also die Politik ausgerechnet ihr Lieblingskind in den Brunnen geschubst. Der Rest der Branche, jedenfalls der relevante Teil, scheint Lösungen zu finden.
* Dieser Artikel stammt aus der Cash.-Ausgabe 1/2022.