Marktkenner Zielke hält mutiges Handeln in der Anlagestrategie für unverzichtbar: „Mut bedeutet, mehr ins Risiko gehen. Ohne Risiko bekommt man heute keine Rendite oder sogar eine Negativrendite, was die Solvenz des Versicherers bedroht.“
„Flucht nach vorn“
Von daher bleibe nur „die Flucht nach vorn“. Gegebenfalls müsse hierzu mehr Eigenkapital an den Kapitalmärkten aufgenommen werden, fährt Zielke fort, was gerade für nicht-börsennotierte Gesellschaften „ein Novum“ sein dürfte.
„Die Alternative ist nur die Aufgabe des Geschäfts“, verdeutlicht der Experte den Ernst der Lage. Wolfgang Reichel, Sprecher des Vorstands der Lebensversicherung von 1871 (LV 1871), sieht sein Haus gut aufgestellt im Kapitalanlagemanagement.
2014 konnte das Münchener Unternehmen die Nettoverzinsung gegenüber dem Vorjahr mit respektablen 4,4 Prozent stabil halten. „Wir legen den Fokus auf Investments mit stabilen und attraktiven Cashflows und Renditen. Neben unserem ertragsstarken Rentenportfolio zahlen sich jetzt unsere in der Vergangenheit getätigten Rentenvorkäufe aus, die damals noch attraktivere Zinskonditionen boten“, erklärt Reichel.
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„Momentan“ versus „chronisch“
Als renditeförderne Beimischung setzt die LV 1871, häufiger als viele Mitbewerber, auf das sprichwörtliche „Betongold“ sowie alternative Anlagen. „Unser qualitativ hochwertiges Immobilienportfolio, unser konservativer Hypothekenbestand und unsere Investitionen in Private Equity und Infrastrukturprojekte haben ebenfalls einen wichtigen Anteil an unserer Kapitalanlagestrategie“, berichtet Reichel. „Gerade bei Immobilien, Hypotheken, Private Equity und Infrastruktur weisen wir Quoten über dem Branchenschnitt auf.“
Die Kritik, wonach die Lebensversicherer durch ihre derzeit hohen stillen Reserven in der Lage seien, ihre Probleme „kurzfristig zu kaschieren“, wie Michael Haid, Senior Analyst bei der MainFirst Bank, anmerkte, lässt Wolfgang Reichel nicht gelten: „Die hohen stillen Reserven auf Renten helfen nicht nur kurzfristig, sondern sind Ausdruck einer langfristigen Kapitalanlagepolitik.“
Sie ermöglichten es, fährt der Versicherungsmanager fort, „dass wir als LV 1871 noch lange von höheren laufenden Verzinsungen profitieren und somit die Zinsverpflichtungen auch unter den momentan vorliegenden extremen Niedrigzinsen bedienen können.“
Wie lange der Zustand der niedrigen Zinsen noch mit dem euphemistischen Signalwort „momentan“ verkleidet werden kann und ab welchem Zeitpunkt der dysphemistisch klingende Begriff „chronisch“ die Situation treffender beschreibt, liegt im Auge des Betrachters. Es zeigt ihm eine Momentaufnahme, deren Ende nicht absehbar ist. (lk)
Foto: Innovalue