EXKLUSIV

Norman Wirth (AfW): „Alle Akteure der Finanzbranche sind von FiDA betroffen“ 

Norman Wirth
Foto: AfW/Bettina Straub
Norman Wirth: „FiDA hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Finanzdienstleistungen angeboten und genutzt werden, grundlegend zu verändern.“

Kurz gab es Irritationen, aber nun kommt sie wohl doch: Die EU-Verordnung FiDA. Sie bringt für den Finanzvertrieb erhebliche Veränderungen, aber noch kaum jemand kennt sie und die Auswirkungen. Cash. befragte Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Vermittlerverbands AfW.

Was ist FiDA?

Wirth: Die Financial Data Access (FiDA)-Verordnung ist ein von der Europäischen Kommission vorgeschlagener Rechtsrahmen, der den sicheren und offenen Zugang zu Finanzdaten regeln soll. Ziel ist es, einen standardisierten Datenaustausch zwischen verschiedenen Akteuren des Finanzsektors zu ermöglichen und damit Open Finance zu fördern. Derzeit ist der Finanzdatenzugang oft fragmentiert und durch unterschiedliche technische Standards sowie regulatorische Barrieren eingeschränkt. FiDA soll hier für mehr Klarheit sorgen und einheitliche Vorgaben für die Nutzung und Weitergabe von Finanzdaten schaffen. 

Mitte Februar gab es Irritationen, ob FiDA überhaupt kommt oder die EU-Kommission das Vorhaben zurückzieht. Was war los?

Wirth: Über einen geleakten Entwurf des Arbeitsprogramms der EU-Kommission war bekannt geworden, dass FiDA aus dem Programmentwurf gestrichen worden war. Das finale Dokument zeigte jedoch, dass die Verordnung als „pending proposal“ weiterhin Bestandteil der Pläne bleibt. Die FiDA-Verordnung bleibt demnach auf der politischen Agenda der EU-Kommission. Der AfW begrüßt diese Entscheidung ausdrücklich. 

Wer ist von FiDA betroffen?

Wirth: Betroffen sind alle Akteure der Finanzbranche, also Banken, Versicherungsunternehmen, Vermögensverwalter, FinTechs aber auch Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler, Vertriebe, Maklerpools und -verbünde. Natürlich werden auch die Kunden von der Verordnung berührt, da sie künftig das Recht erhalten sollen, Dritten den Zugriff auf ihre gespeicherten Finanzdaten zu gestatten. 

Mit welchen Veränderungen müssen Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler rechnen?

Wirth: Für Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler bedeutet FiDA vor allem einen erleichterten Zugang zu relevanten Finanz- und Versicherungsdaten ihrer Kunden. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Individualisierung und Automatisierung der Beratung. Bisher sind Vermittler oft auf Informationen angewiesen, die Kunden selbst bereitstellen oder die nur mit erheblichem Aufwand von Versicherern und Banken eingeholt werden können. FiDA könnte dies grundlegend ändern, indem im Rahmen der Umsetzung standardisierte Schnittstellen für den sicheren Datenaustausch geschaffen werden. Allerdings bringt die Verordnung auch Herausforderungen mit sich. Alle – also auch die Vermittler – werden sich darauf einstellen müssen, dass der Umgang mit Daten strikteren regulatorischen Anforderungen unterliegt. Datenschutz und Datensicherheit werden eine noch größere Rolle spielen, und es wird nötig sein, IT-Systeme entsprechend anzupassen. Auch der Wettbewerb könnte sich verschärfen, da der erleichterte Datenzugang neuen Marktteilnehmern – etwa technologiegetriebenen Plattformen – den Eintritt in den Finanzdienstleistungsmarkt ermöglicht. Für unabhängige Vermittler wird dies also sowohl Chancen als auch Risiken bieten. Wer sich frühzeitig mit den neuen Möglichkeiten auseinandersetzt und die erweiterten Datenzugänge – wenn sie dann vorhanden sind – für eine bessere Beratung nutzt, könnte seine Marktposition stärken. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass größere Anbieter mit umfangreichen IT-Ressourcen und datengetriebenen Geschäftsmodellen den Markt zu dominieren versuchen.

Kann FiDA disruptiv wirken?

Wirth: FiDA hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Finanzdienstleistungen angeboten und genutzt werden, grundlegend zu verändern. Das Thema Open Data / Open Finance / Open Insurance wird damit erheblich vorangetrieben. Kunden könnten ihre Daten über verschiedene Anbieter hinweg nutzen und kombinieren, was traditionelle Geschäftsmodelle herausfordert. Dies wiederum könnte dazu führen, dass sich die Kundenbindung von klassischen Finanzinstituten und Versicherern aber auch Vermittlern löst und hin zu plattformbasierten Lösungen verschiebt, bei denen Kunden Finanz- und Versicherungsprodukte unterschiedlicher Anbieter über eine zentrale Schnittstelle verwalten. Der Wettbewerb zwischen etablierten Finanzdienstleistern und neuen, datengetriebenen Marktteilnehmern dürfte dadurch zunehmen. Für Vermittler könnte dies bedeuten, dass sie sich stärker als unabhängige Berater positionieren müssen, die Kunden durch den immer komplexer werdenden Finanzdaten-Dschungel navigieren. Nur wer in der Lage ist, die neuen Datenquellen sinnvoll für seine Beratung zu nutzen, wird da bestehen, zumindest bei den jüngeren Kunden.

Ist nicht auch viel zusätzliche Bürokratie zu erwarten?

Wirth: Wie bei eigentlich allen regulatorischen Neuerungen sind auch bei FiDA bürokratische Herausforderungen zu erwarten. Vermittler müssen sich auf zusätzliche Compliance-Anforderungen einstellen, insbesondere im Bereich Datenschutz und IT-Sicherheit. Auch die technische Umsetzung des Datenaustauschs könnte mit Kosten und administrativem Aufwand verbunden sein. Da sehen wir für den AfW als Interessensverband der unabhängigen Vermittler auf jeden Fall einen klaren Auftrag, nämlich dafür zu sorgen, dass nicht bereits die zu erwartende zusätzliche Bürokratie disruptiv wirkt. Gleichzeitig bietet FiDA aber auch erhebliche Chancen. So könnten standardisierte Schnittstellen den Zugang zu Kundendaten erleichtern und Verwaltungsprozesse effizienter gestalten. Kunden profitieren von besseren und individuelleren Beratungsangeboten, während Vermittler schneller auf relevante Informationen zugreifen können. Langfristig könnte FiDA dazu beitragen, die Finanzbranche digitaler und kundenfreundlicher zu machen. Die entscheidende Frage wird sein, wie praxisnah und umsetzbar die Regelungen gestaltet werden. Genau darüber wurde auch gerade bei der Jahresauftaktveranstaltung des FRIDA – Free Insurance Data Initiative in Hamburg diskutiert und praktische Use Cases betrachtet. Gelingt es, die regulatorischen Vorgaben effizient zu implementieren, könnte FiDA definitiv Innovationen fördern und den administrativen Aufwand in vielen Bereichen sogar verringern.

In welchem Stadium des Verfahrens befindet sich die Verordnung und wann wird sie voraussichtlich in Kraft treten?

Wirth: Die Europäische Kommission hat den Vorschlag für die FiDA-Verordnung am 28. Juni 2023 veröffentlicht. Derzeit durchläuft der Entwurf das Gesetzgebungsverfahren im EU-Parlament und im Rat der Europäischen Union. Die genauen Zeitpläne für die Verabschiedung und Umsetzung stehen noch nicht fest. Wenn FIDA überhaupt final kommt und nicht doch noch von der Agenda verschwindet, wäre ein Inkrafttreten in 2025 sehr wahrscheinlich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach der Verabschiedung eine Übergangsfrist vorgesehen wird, um betroffenen Akteuren ausreichend Zeit zur Anpassung zu geben. Die konkrete Dauer dieser Übergangsphase wird maßgeblich davon abhängen, wie komplex die technischen und organisatorischen Umstellungen ausfallen.

Welche Ziele verfolgt der AfW im laufenden Gesetzgebungsprozess und darüber hinaus?

Wirth: Der AfW setzt sich aktiv für die Interessen unabhängiger Finanz- und Versicherungsvermittler im Rahmen von FiDA ein. Ein zentrales Anliegen ist es, sicherzustellen, dass Vermittler die Kontrolle über ihre eigenen Daten behalten und der Zugang zu Kundendaten nicht durch unnötige Bürokratie oder hohe technische Hürden erschwert wird. Ein besonderes Augenmerk legt der AfW auf die bereits erwähnte Initiative FRIDA (Free Insurance Data Initiative), mit der wir eine enge Partnerschaft eingegangen sind. FRIDA setzt sich für einen branchenübergreifenden Austausch zur Schaffung offener Standards im digitalen Versicherungswesen ein und fördert einen sicheren sowie transparenten Zugang zu Versicherungsdaten. Die Initiative ist somit eng mit den Zielen von FiDA verbunden. 

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