Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat grünes Licht für die Einführung des Notlagentarifs in der privaten Krankenversicherung (PKV) gegeben. Dies sei eine „gute Lösung für alle Versicherten“, kommentierte der neue Vorsitzende des PKV-Verbandes, Uwe Laue, die Entscheidung der Länderkammer.
Der Notlagentarif für verschuldete Privatversicherte verringere das Problem der Beitragsschulden für die Betroffenen, da diese weniger neue Schulden ansammelten und somit schneller die Chance hätten, ihre bisherigen Schulden abzuzahlen und wieder eine normale bürgerliche Existenz zu führen, erklärte Laue.
„Sobald die Schulden beglichen sind, können die Betroffenen in ihren alten Normaltarif zurückkehren. Zugleich sinkt die Summe der Beitragsausfälle und damit am Ende auch die Belastung der übrigen Versicherten“, ergänzte der PKV-Verbandsvorsitzende.
Der Notlagentarif kostet im Vergleich zum vorherigen Tarifbeitrag deutlich weniger, dafür erhalten Betroffene für rund 100 Euro allerdings auch nur Basisleistungen, das heißt Behandlungen bei akuten Erkrankungen und Schmerzen sowie eine Grundversorgung im Falle einer Schwangerschaft.
PKV-Verband: „Keine Nachteile für Betroffene“
Der PKV-Verband erklärt dazu, dass Betroffene in ihrer Absicherung für den Krankheitsfall keine Nachteile hätten, da der gesetzlich geregelte Anspruch auf Notfallleistungen unverändert erhalten bliebe.
Das neue „Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung“ sieht laut PKV-Verband eine rückwirkende Umstufung in den Notlagentarif vor, „um die individuelle Schuldenlast auch für die Vergangenheit deutlich zu verringern“.
Rückwirkende Umstellung „nicht auf Knopfdruck“ möglich
Dies erfordere einen hohen bürokratischen Aufwand, weil die rückwirkende Umstellung nicht „auf Knopfdruck“ erledigt werden könne. „Jeder Vertrag muss einzeln umgestellt werden. Das kann insgesamt einige Monate Zeit beanspruchen, was für die Betroffenen aber keine Nachteile bringt“, so Laue. „Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung werden alles daran setzen, die Regelung schnellstmöglich umzusetzen.“
150.000 Nichtzahler häufen Schuldenberg von 500 Millionen Euro an
Nach früheren Schätzungen des PKV-Verbandes gibt es mittlerweile über 150.000 PKV-Versicherte, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen können. Der finanzielle Schaden soll sich auf insgesamt über 500 Millionen Euro belaufen.
Neuer Tarif entlastet Bilanzen der PKV-Unternehmen
Bislang sind Verträge von säumigen Versicherten für ein Jahr ruhend gestellt worden, dann erfolgte die Umstellung in den Basistarif. Dies hatte „verheerenden Folgen“ für die Bilanzen der PKV-Unternehmen, wie Gerd Güssler, Geschäftsführer des Informationsdienstleisters KVpro.de, erklärt: „Wer 300 Euro nicht zahlt, steht nicht mit 300 Euro als Forderung, sondern mit circa 600 Euro – den Kosten des Basistarifs – in den Bilanzen.“
Aus einem Nichtzahler habe das Gesetz bilanztechnisch zwei Nichtzahler gemacht, so Güssler. Den Krankenversicherungsexperten überrascht es daher nicht, dass sich die Versicherer für die Einführung des Notlagentarifs eingesetzt haben.
„Notlagentarif nur kurzfristig eine gute Lösung“
Im Gegensatz zu den Anbietern bewerten einige Branchenbeobachter den neuen Tarif mit deutlich gemischteren Gefühlen: „Dieser Notfalltarif mag kurzfristig gesehen eine gute Lösung sein, aber sobald größere Therapien oder Behandlungen anstehen, sieht sich der Versicherte erneut mit einer großen finanziellen Belastung konfrontiert“, kommentiert Ozan Sözeri, Gründer und Geschäftsführer des Verbraucherschutzportals Widge.de. (lk)
Fotos: Bundesrat, Debeka