Labbow: Man muss sich natürlich auch fragen, ob sich der Markt nicht ohnehin weiter bereinigen wird, mit oder ohne Digitalisierung. Wir bemerken aber schon eine hohe Bereitschaft unserer Partner, sich grundsätzlich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Als Technologiemarktführer ziehen wir sicherlich auch diese Makler an.
Grabmaier: Letztlich hat das weniger mit dem Lebensalter zu tun als mit der inneren Einstellung. Ich habe auch 80-jährige Vermittler, die unsere App toll finden. Umgekehrt gibt es 25-Jährige, die sagen: Papier reicht mir. Ich glaube, dass die Zukunft denen gehört, die beides können. Das eine muss das andere ja nicht ausschließen.
Schmidt: Auch die Entwicklung auf der Kundenseite wird interessant sein. Die Generation, die jetzt heranwächst, kennt nur das Smartphone und erlebt es als „Tor zur Welt“. Die Inhalte, die dort gebracht werden, werden überwiegend unkritisch aufgenommen und als wahr empfunden. Kombiniert man dies mit der Tatsache, dass es in Deutschland kaum finanzielle Schulbildung gibt, dann erkennt man, dass alle Inhalte, die digital über die Smartphones gespielt werden, eine große Chance haben, als wahr angenommen und auch gekauft zu werden. Und an der Stelle mache ich mir Gedanken, ob da nicht der Vermittler mit seinem Know-how auf der Strecke bleibt, weil man gar nicht mehr annimmt, ihn zu brauchen. Man bekommt ja alles über sein Smartphone. Bei standardisierten Massenprodukten gibt es diese Tendenz im Versicherungsbereich ohnehin schon. Man kann eine Kfz-Versicherung, Rechtsschutz, Hausrat, Unfall oder Zahnzusatz digital übers Internet vertreiben, und die junge Kundschaft kauft. Das geht einfach mit einem Knopfdruck und einem Klick, man hinterfragt nicht, ob man dafür Beratung braucht. Spannend wird es für den Makler, wenn er sich eben nicht in diesen Wettbewerb mit den standardisierten Massenprodukten stellt, sondern sich Kompetenzgebiete schafft, wo der Kunde nicht mehr so einfach auf Knopfdruck entscheidet, sondern sagt: Die Tragweite meiner Entscheidung ist so bedeutsam, da hätte ich doch gern einen kompetenten Berater, der mitverantwortlich ist. Ein solches Kompetenzfeld kann der ganzheitliche Beratungsansatz über die neue Basis-Finanzanalyse nach DIN 77230 sein, die wir in unserer Cloudlösung Finanzplaner-Online aktuell umgesetzt haben.
Sie meinen die beratungsintensiven Felder, zum Beispiel die Altersvorsorge?
Schmidt: Die beratungsintensiven Felder, die man auch nicht so leicht auf Robo Advising umstellen kann. Wir haben in Deutschland eine sehr komplexe Steuergesetzgebung, eine sehr komplexe Sozialversicherungsthematik. Man kann da sicher in weiten Teilen digital weiterhelfen, aber komplette digitale Beratungsprozesse mit Bedarfsanalyse, Entscheidungsfindung, nachhaltiger Betreuung, davon sind wir meilenweit entfernt. Bei maßgeblichen Themen ist der Berater gefordert.
Gentz: Es reicht eben nicht, nur einen Button auf einer Website zu platzieren und zu hoffen, dass jemand draufklickt und zwölf Schritte durchgeht, selbstständig eine Produktauswahl trifft und am Schluss komplett eigenständig abschließt. Wir beobachten bei den Robo Advisern, dass dies außerhalb einer kleinen Nische nicht funktioniert. Denn es fehlt die fachliche Unterstützung und der menschliche Impuls. Eine Online-Plattform widerspricht dem Kunden ja auch nicht bei der Produktauswahl, obwohl es vielleicht sinnvoll wäre, diese nochmals zu hinterfragen. Genau das ist die Chance des Beraters. Er kann mit dem Kunden direkt in den fachlichen Konflikt treten und sagen: Wie finden wir eine Lösung, was ist das passende Produkt? Das passiert bei einer reinen Online-Plattform ohne persönliche Beratung nicht.
Glanz: Es gilt ganz klar: Vertrauen schlägt Technologie. Gerade Finanzen und die private Lebenssituation gehören zu den
sensibelsten Themen überhaupt. Wer glaubt, dass vorgefertigte Abfragen nach Schema F eine langjährige Beratungserfahrung und das im Gespräch entstehende Vertrauensverhältnis ersetzen können, hat offenbar wenig Menschenkenntnis.
Grabmaier: Wir empfehlen unseren Maklern immer, sich auf die Bereiche zu besinnen, wo sie wirklich wertschöpfend tätig sein können. Nur sie können einem Kunden klarmachen, was für einen Bedarf er eigentlich hat und ihm dann helfen, die Bedarfsanalyse vollumfänglich zu erfassen und zu strukturieren. Die meisten Kunden sitzen heute doch auf einem zufällig zusammengewürfelten Produktportfolio mit Versicherungen vom Schwager, Freund oder Makler um die Ecke, und die Ergebnisse sind meistens erschütternd. Makler müssen sich zudem auf die beratungsintensiven Themen konzentrieren, also Gesundheitsfragen, komplexe Sachfragen, Steuerthemen. Da sehe ich einen Riesenmarkt für den qualifizierten Berater.
Weil das Geschäft in den Bereichen Leben und Altersvorsorge nicht mehr gut läuft, flüchten viele Makler derzeit in den Bereich Sachversicherung. Ist das unter Digitalisierungs-Gesichtspunkten ein sinnvoller Schritt?
Schmidt: Das ist ruinös. Aus meiner Beobachtung wäre antizyklisches Handeln angesagt. Aber Makler tun tendenziell lieber das, was Mainstream ist. Der Altersvorsorgemarkt ist durch Einbrüche bei den Garantiemodellen der Lebensversicherung ein schwieriges Thema geworden. Aber genau da ist der Beratungsbedarf am größten. Der Makler vermeidet das häufig und wendet sich Fragen zu, die er einfach beantworten kann, weil das der bequemste Weg ist. Er bringt sich damit genau in den eben genannten Wettbewerb der digitalen Plattformen und glaubt zu punkten, indem er oben drauf noch kostenlosen Service anbietet. Das ist der falsche Weg. Ich glaube, dass diese Geschäftsmodelle bei Maklern zum Ruin verurteilt sind. Viele haben das noch nicht begriffen. Das wird aber kommen, wenn der Wettbewerb mit den digitalen Spezialisten noch härter wird, weil der Makler im Zweifel gar nicht mitkriegt, an wen er Kunden verliert. Ruck, zuck ist eine Smartphone-Versicherung, eine Reiseversicherung, ein Zahnzusatzprodukt übers Handy abgeschlossen, da wird kein Makler mehr gefragt. Der Makler muss sich über Beratungskompetenz positionieren, das ist ein Asset, das nur er hat.
Seite fünf: „Die Branche braucht Insurtechs“