Wie ist das letzte Jahr vertriebsseitig gelaufen?
de Brouwer: Die Entwicklung im nicht einfachen Jahr 2024 war von Stabilität geprägt. Derzeit verwalten wir ein Vermögen von 64 Milliarden Euro, das sich auf 55 Prozent institutionelles Geschäft und 45 Prozent Privatanlegergeschäft mit Banken, Sparkassen, Versicherungen und IFAs verteilt. Langfristig streben wir ein ausgewogenes Verhältnis an. Deshalb versuchen wir auch, den Wholesale-Bereich weiter zu stärken. Gut gelaufen sind im vergangenen Jahr die Fonds, die im aktuellen Marktumfeld gefragt waren. Das waren vor allem Geldmarktfonds und bei uns auch der Fixed-Income-Bereich. Aufgrund unserer High-Yield-Expertise sind wir hier überdurchschnittlich gewachsen. So hat unser Short-Duration-High-Yield-Fonds die 1,9-Milliarden-Marke und unser Standard-Euro-High-Yield-Fonds die Marke von 800 Millionen Euro überschritten. Unser Geldmarktfonds wuchs innerhalb von drei Jahren von 650 Millionen Euro auf 2,7 Milliarden Euro. Auch unser globaler Artificial-Intelligence-Fonds war und ist sehr gefragt. Was nicht lief, waren europäische Aktien – nicht zuletzt wegen des politischen Umfelds. Und auch konservative Multi-Asset-Lösungen hatten keinen Rückenwind, nur solche mit einer aggressiven Aktienquote liefen gut. Dennoch halten wir Multi Asset derzeit für sehr interessant, da die Themen Asset Allocation und Diversifikation wieder stärker werden.
Welche Erwartungen haben Sie für 2025?
de Brouwer: Das Marktumfeld ist ziemlich volatil. Es ist nicht ganz klar, in welche Richtung sich die Märkte entwickeln werden. Wir erwarten weitere Zinssenkungen, allerdings mehr in Europa als in Amerika. Auf der Aktienseite sehen wir noch Potenzial, wenn man sich von den „Magnificent 7“, den Megatiteln, die den Markt im letzten Jahr angetrieben haben, entfernt. Wir erwarten, dass die Unternehmensbilanzen wieder an Bedeutung gewinnen werden. Deshalb sehen wir gutes Potenzial bei europäischen Mid Caps und amerikanischen Small Caps.
Wenn Sie sagen, bei den Multi-Asset-Fonds war das aggressive Aktienanteilprodukt stark nachgefragt und auf der anderen Seite waren es die Money-Market-Fonds. Wie passt das zusammen?
de Brouwer: Die Nachfrage nach Geldmarktanlagen war deutlich höher als die nach Multi Asset. Meiner Meinung nach hat Multi Asset noch viel Potenzial, das aber im letzten Jahr aufgrund der hohen Zinsen nicht zum Tragen kam. Vielfach wurde eher auf Zins- und defensive Anlagen gesetzt. Derzeit sind wir aber sehr proaktiv mit unseren Kunden dabei, die nächsten Schritte anzugehen. Die Kunden wollen langsam wieder mehr ins Risiko gehen, also raus aus dem Geldmarkt oder dem Tagesgeldkonto und rein in Multi-Asset-Fonds, wenn sie nicht alles auf Aktien setzen wollen. Unsere gesamte Polaris-Fondspalette ist dafür eigentlich sehr gut aufgestellt. Das sind starke Produkte, die im Markt etabliert sind. Dieses Potenzial wollen wir weiter ausschöpfen.
Blicken wir auf das Segment Nachhaltigkeit. ESG-Fonds hatten aufgrund zahlreicher Verwerfungen im Markt in den letzten zwei Jahren einen schweren Stand. Wie bewerten Sie die Situation?
de Brouwer: In der Tat halten sich die Anleger derzeit bei ausgeprägten Nachhaltigkeitsfonds zurück. In unserem Investmentprozess berücksichtigen wir ESG-Kriterien bereits seit Jahren in allen Strategien, vor allem um Risiken zu reduzieren. Das ist aus unserer Sicht ausreichend und hat sich bewährt. Dennoch wird die nun anstehende regulatorische Änderung der Offenlegungsverordnung mit Bezug auf Artikel 9 das Spielfeld weiter stabilisieren. Wenn mit Begriffen wie „nachhaltig“ und „grün“ etwas zurückhaltender umgegangen wird, ist das letztlich auch im Sinne der Investoren.
Inwieweit ist Private Markets ein Thema für Sie?
de Brouwer: Mit über 4 Milliarden Euro eingeworbenem Kapital sind wir in diesem Segment relativ stark gewachsen. Und auch im Wholesale- und Retail-Geschäft spielt es für uns eine immer größere Rolle. Seit letztem Jahr bieten wir einen ELTIF für Private-Equity-Investitionen an. Erfahrungen mit Strukturen, die zur Demokratisierung von Private Assets beitragen, haben wir auch in Frankreich gemacht. Hier waren wir relativ früh aktiv, und das ist auch ein Thema, das wir definitiv weiter gestalten und wo wir weiter wachsen wollen. Für viele Anbieter war und ist es eine große Herausforderung, erst einmal die gesamte Infrastruktur zu schaffen: Ausbildung, Beratung, Abwicklung und so weiter. Das ist ein Bereich, der jetzt richtig Dynamik entwickelt.
Stichwort ETF versus aktives Management, wie sind Sie da positioniert und wie sehen Sie den Markt?
de Brouwer: In diesem Segment sind wir nicht vertreten, obwohl das Marktwachstum enorm ist. Was uns aber interessiert, sind die aktiven ETFs. Aber das ist natürlich eine Art neue Struktur im Vergleich zum klassischen ETF. Da wächst der Markt noch nicht so stark. Aber wir glauben, dass das eine interessante Möglichkeit sein könnte, Umsatz zu generieren, was natürlich vor allem für die Aktienseite relevant sein kann. Grundsätzlich sind ETFs aber zunehmend eine große Konkurrenz für aktive Häuser, vor allem wenn es um Aktien geht. Hier setzen wir uns ab, indem wir uns auf sehr spezifische Strategien wie europäische Mid Caps, Small Caps, Immobilien konzentrieren, wo wir einen Mehrwert gegenüber passiven Investments bieten können.
Letzte Frage: Welche Neuerungen sind in diesem Jahr von Ihrem Haus zu erwarten?
de Brouwer: Seit Anfang des Jahres haben wir unsere Vertriebsstruktur noch einmal geschärft, indem wir im Bereich Wholesale zwei separate Teams gebildet haben. Denn der deutsche Markt ist sowohl in der Tiefe als auch in der Breite sehr groß. Da muss man sehr stark segmentieren und sich auf die spezifischen Kundenbedürfnisse einstellen. Auf der einen Seite haben wir jetzt ein Team für Banken, Sparkassen und Vermögensverwalter, auf der anderen Seite eines für das IFA-Geschäft und auch für den Versicherungsbereich. Die beiden letztgenannten Bereiche wollen wir stark ausbauen und haben deshalb auch neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt. Das Bankenteam wird jetzt von Dirk Neuer geleitet, der über langjährige Sparkassenerfahrung verfügt und lange bei der LBBW tätig war. Und für die Versicherungsseite haben wir Steffen Orlowski von der DWS und Peggy Seyfert von Morgenfund eingestellt. Damit wollen wir eigentlich diesen Markt weiter vertiefen, denn gerade bei den IFAs sind wir stark gewachsen. Wir glauben, dass wir im Bereich Deep Retail noch viel Luft nach oben haben.
Was planen Sie im Versicherungsbereich konkret?
de Brouwer: Historisch gesehen waren wir bei dieser Klientel eher weniger stark vertreten. Aber das Potenzial für Multi-Asset-Lösungen ist hier groß, und auch Partnerschaften mit Versicherungen sind für uns langfristig ein Thema, in dem wir uns noch stärker etablieren wollen. Das betrifft vor allem das Thema Altersvorsorge, bei dem wir hierzulande bekanntlich Nachholbedarf haben. Ich habe neulich irgendwo gelesen: Das Geld arbeitet, aber nicht in Deutschland. Wir wollen dazu beitragen, das zu ändern.
Interview: Frank O. Milewski, Cash.