Oddo BHF: Europas Wachstumsschwäche spricht für ein hohes Engagement im US-Aktienmarkt

Jan Viebig, Oddo BHF
Foto: Frank Blümler, Frankfurt, Germany
Jan Viebig, Oddo BHF

Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE blickt auf die Aktienmärkte in Europa und den USA und sagt, wo noch Chancen bestehen.

„Der in dieser Woche berichtete Anstieg der Inflation in der Eurozone ist für sich genommen nicht dramatisch. Im Dezember haben die Verbraucherpreise laut vorläufigen Schätzungen im Euroraum um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr angezogen. Die Kerninflation im Euroraum verharrte im Dezember 2024 bei 2,7 Prozent. Die Hartnäckigkeit, mit der sich die Teuerung in den vergangenen Monaten hält, scheint ein altes Sprichwort in der Inflationsbekämpfung zu bestätigen: Die letzte Meile ist oftmals die schwerste.

Die große Unbekannte in diesem Jahr wird die Wirtschaftspolitik des künftigen US-Präsidenten Donald Trump sein, der traditionsgemäß am 20. Januar seinen Amtseid ablegen wird. Macht er seine Ankündigungen tatsächlich wahr, dürfte sein protektionistischer Wirtschaftskurs den Preisdruck erhöhen. Laut Berechnung von Oxford Economics würde die Erhöhung der Importzölle, vor allem gegenüber China, das allgemeine Preisniveau in den Vereinigten Staaten um einen ganzen Prozentpunkt in die Höhe treiben. Dabei liegt die Teuerung in den USA schon heute über der in Europa. Im November sind die US-Verbraucherpreise, gemessen am Verbraucherpreisindex CPI, um 2,7 Prozent gestiegen. Die Kerninflation lag bei 3,3 Prozent.


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Trotz der anhaltenden Inflationsentwicklung lässt sich aus den Zinsgeschäften der Investoren an den Terminmärkten ableiten, dass sie überwiegend von weiteren Zinssenkungen im Jahr 2025 ausgehen. …

Treten diese Erwartungen ein, werden die Leitzinsen in der Eurozone deutlich stärker sinken als in den USA. In beiden Wirtschaftsräumen dürfte die Geldpolitik im Laufe des Jahres 2025 somit weniger restriktiv wirken als bisher.

Eine weitere Lockerung der Geldpolitik ist vor allem dadurch gerechtfertigt, dass sich die europäische Wirtschaft in einem schlechteren Zustand befindet als die amerikanische. Im Oktober 2024 hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) für das neue Jahr 2025 für die USA eine Wachstumsrate von 2,2 Prozent vorausgesagt. Das ist nicht überragend viel, doch das Wachstum liegt deutlich über der IWF-Schätzung für die Eurozone von bescheidenen 1,2 Prozent. Ende Januar dürfte der IWF eine Aktualisierung seiner Prognose für 2025 veröffentlichen….

Aus all diesen Gründen halten wir an unserer Strategie fest, den amerikanischen Aktienmarkt gegenüber dem europäischen zu bevorzugen. …

Sicher, der amerikanische Aktienmarkt ist im Vergleich zum europäischen höher bewertet. Das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) für den S&P 500 liegt aktuell bei 26,5 und damit deutlich über seinem langjährigen Mittelwert. Betrachtet man jedoch den gleichgewichteten S&P 500, so liegt dieser mit 19,6 Zählern nur leicht über seinem langjährigen Durchschnitt.

Der europäische Aktienindex MSCI Euro kommt derzeit nur auf ein KGV von 14,6. Die erfreuliche Dynamik an der Wall Street dürfte im Jahr 2025 anhalten. Für den S&P 500 erwarten die Marktteilnehmer laut FactSet, dass die Unternehmensgewinne im Mittel um 14,6 Prozent steigen, die Gewinne der Titel im europäischen Index Stoxx Europe 600 jedoch nur um 8,2 Prozent. Wie stark die US-Börse derzeit von Tech-Werten gezogen wird, lässt sich auch daran ermessen, dass die Marktakteure für die Titel des technologielastigen Index Nasdaq Composite ein Gewinnwachstum von 25,2 Prozent erwarten.

Die hohe Bewertung amerikanischer Aktien ist neben dem höheren erwarteten Gewinnwachstum in den USA auch auf die höheren Kapitalrenditen von Unternehmen in den USA zurückzuführen. In den vergangenen fünf Jahren lag die Eigenkapitalrendite amerikanischer Aktien im Mittel bei 16,3 Prozent jährlich, im Euroraum nur bei 10,9 Prozent, wobei die beiden größten Volkswirtschaften in Europa den Mittelwert auch noch nach unten zogen: Deutsche Aktien erreichten eine Kapitalrendite von nur 9,1 Prozent jährlich, französische 9,4 Prozent.

Im Vergleich zu unseren internen Benchmarks sind unsere Aktienportfolios stark auf den amerikanischen Markt ausgerichtet. In unserem Modellportfolio beträgt ihr Anteil 52 Prozent, während unsere Benchmark für US-Aktien bei 35 Prozent liegt. Im MSCI Welt Index liegt der Anteil von US- Aktien zuletzt bei rund 74 Prozent. Einer der klügsten Ratschläge lautet, dass Anleger ihr Vermögen diversifizieren sollten. Ein Anteil von über 70 Prozent in US-Aktien erscheint uns aus Risikoüberlegungen zu hoch.

Uns leitet die Überzeugung, dass der amerikanische Aktienmarkt auch im neuen Jahr 2025 vermutlich besser abschneiden wird als der europäische. Dafür spricht neben volkswirtschaftlichen Indikatoren auch die Tatsache, dass an den US-Börsen besonders viele Unternehmen sind, die mit großem Erfolg – beispielsweise gemessen an der Eigenkapitalrendite – auf zentrale Investmentthemen der Zukunft setzen: wie Künstliche Intelligenz und Transformative Medizin. Dennoch suchen wir auch in Europa nach vielversprechenden Geschäftsmodellen. Dabei werden wir immer wieder fündig. Der Anteil europäischer Aktien liegt in unserem Modellportfolio derzeit bei 45 Prozent (Benchmark 55 Prozent). Obwohl ein Übergewicht in den USA weiterhin ratsam ist, sollten Anleger den Grundsatz der Diversifikation bei der Portfoliokonstruktion nicht ganz vergessen.“

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