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Ökoworld fordert: Gleiches Recht für alle Fonds

Foto: Christian Daitche
Katrin Hammerich, Ökoworld

Katrin Hammerich, Vorständin bei der Ökoworld AG, fordert standardisierte Verfahren, um mehr Einsicht in die Aktivitäten von Unternehmen zu erhalten und Anleger gegebenenfalls in der Beratung über schädliche Praktiken aufklären zu können.

Kurzfristig profitabel, langfristig Gift für die Natur und die Gesellschaft – jährlich fließen laut aktuellem „State of Finance for Nature“-Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP rund 4,6 Billionen Euro an weltweiten privaten Finanzmitteln in Aktivitäten, die direkte schädliche Auswirkungen auf die Umwelt und uns Menschen haben. Wenn ich in eins der daran beteiligten Unternehmen investieren möchte, muss ich von meinem Berater nicht darüber aufgeklärt werden. Liefern die Firmen Bauteile für Rüstungsprodukte? Toleriert das Unternehmen Kinderarbeit bei seinen Zulieferern oder greift es vielleicht sogar selbst auf minderjährige Mitarbeiter zurück? Beutet der Betrieb seine Belegschaft aus? Oder die Natur? Schädigt sein Geschäft die Umwelt? Bei Investments in eher konservative Finanzangebote müssen diese Aspekte nicht näher beleuchtet werden. Hier ist vor allem der Blick auf die Zahlen der Unternehmen wichtig. Die teilweise fatalen Auswirkungen auf Mensch und Natur tauchen in den Bilanzen nicht auf, sie werden ausgeblendet. Darüber gibt es keine Aufklärung. Niemand muss vor den bitteren Konsequenzen des Investments warnen.


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So darf es nicht weitergehen. All diese kritischen Punkte müssen Anbieter von Finanzdienstleistungen im Vorfeld recherchieren, und sie müssen während einer Finanzberatung auf den Tisch kommen. Denn nur so können sich Anlegerinnen und Anleger ein echtes Bild davon machen, in welche Aktivitäten ihr Geld am Ende fließt und was sie mit ihrem Geld unterstützen. Um diese Aufklärung im Beratungsverfahren festzulegen, braucht es geeignete regulatorische Vorgaben.

Eine Blaupause dafür gibt es bereits. Wenn ich mein Geld in Unternehmen stecken möchte, die sich nachweislich für den Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit einsetzen, muss mich der Berater zunächst über die 14 Principal Adverse Impact Indicators (PAIs) belehren, und ich werde umfangreich über die Risiken dieser Anlage informiert. Das ist auch gut so, keine Frage. Im Vergleich mit den eher konservativen Investments entsteht dabei jedoch der Eindruck, dass es sich bei nachhaltigen Investitionen um eine riskante Unternehmung handelt, die mehr Informationen und mehr Aufklärung erfordert als das Bereitstellen von Kapital für Firmen, die ihr Geld mit Waffen verdienen, die Umwelt vernichten und sich an der Ausbeutung von Mensch und Natur bereichern. Dieses Ungleichgewicht bildet außerdem auch eine Hürde für nachhaltige Investitionen. Dabei sollte Nachhaltigkeit leicht zugänglich und eigentlich selbstverständlich sein – bei allem Handeln und natürlich auch allen Investitionen.

Wir von Ökoworld fordern deshalb gleiches Recht für alle. Nachhaltige Investitionen sollen sich weiterhin messen lassen, die PAIs sorgen für die notwendige Transparenz und die überaus wichtige Vergleichbarkeit. Sie reduzieren Greenwashing und sorgen für mehr Anlegerschutz. Das alles macht Sinn. Noch mehr Sinn würde es machen, wenn solche Vorgaben auch für die eher konservativen Investitionen gelten würden. Da müssen wir hin, auch wenn das auf Seite der Finanzdienstleister und der investierten Unternehmen für mehr Arbeit sorgen würde. Aber erst wenn Anlegerinnen und Anleger so transparent wie möglich über ihre Investments aufgeklärt werden, können sie sich ein wirkliches Bild davon machen, was ihr Kapital bewirkt. Erst dann können sie eine realistische Entscheidung treffen, wohin ihr Geld fließen soll – und erst dann können Vermittlerinnen und Vermittler endlich durchatmen. Denn sie haben wirklich vollumfänglich über das finanzielle Potenzial und die tatsächlichen Auswirkungen der Geldanlagen informiert. Niemand kann ihnen im Nachhinein Vorwürfe machen, er oder sie habe von der Kinderarbeit im Unternehmen, der massiven Ausbeutung der Belegschaft oder der gigantischen Umweltverschmutzung bei der Produktion nicht gewusst, weil die Aufklärung fehlte. Erst mit diesem Wissen können Anlegerinnen und Anleger ihrem Geld die Richtung geben, die ihrer Meinung nach die richtige ist – und sie fühlen sich in ihrer Entscheidung ernstgenommen.

Eine strukturell verordnete Transparenz in allen Anlagebereichen führt zwangsläufig auch dazu, dass Unternehmen umdenken: Wer möchte schon gerne mit Umweltverbrechen, Ausbeutung der Belegschaft oder Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden? Wenn solche Praktiken an den Tag gelangen, schadet das der Reputation. Anlegerinnen und Anleger wenden sich ab, der Kurs sinkt, die Verluste steigen. Deshalb werden viele Unternehmen in ihre Infrastruktur investieren, um diese Risiken aus dem Weg zu schaffen. Und sei es nur für die Konzernbilanz: Das wäre ein Riesenschritt hin zu mehr Nachhaltigkeit. Jedoch ist es bis dahin noch ein weiter Weg.

Aber auch jetzt schon können Anlegerinnen und Anleger die Welt etwas besser machen – nicht nur mit Mülltrennung und dem Umstieg aufs Fahrrad: Wer jeden Monat 50 Euro in nachhaltige Unternehmen oder in entsprechende Fonds steckt, sorgt dafür, dass dieses Geld nicht in Konzerne fließt, die die Natur zerstören oder Kinderarbeit fördern. Ein kleiner Schritt – aber ein wichtiger, denn er geht in die richtige Richtung.

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