Ökoworld: „Nachhaltigkeit sollte der Standard sein“

Wollen weg von dem nur „Nein, danke“, und hin zu „Ja, bitte“

Schauen wir einmal auf den Markt. Derzeit scheint das Thema der ökologischen und sozial-ethischen Investments aus dem Fokus der Anleger gerutscht zu sein. Ist das auch Ihre Wahrnehmung, was bekommen Sie aus dem Vertrieb gespiegelt?
Müller: Politische Krisen wie der Krieg in der Ukraine oder die hohe Inflation haben dazu geführt, dass nachhaltige Investments aus dem Fokus gerieten. Auch die Aufmerksamkeit anderer Investments wie Rüstung, Versorger und Finanztitel haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Hinzu kommt, in der Corona-Zeit hatten wir eine sehr positive Performance, wodurch viele Investoren unsere Fonds gekauft haben, obwohl sie mit dem Thema Nachhaltigkeit gar nicht so viel anfangen können. Als der Boom zu Ende ging, haben diese Investoren sich dann auch wieder davon getrennt. Und dennoch liegen wir nach wie vor gut im Rennen. Im September letzten Jahres hat die Stiftung Warentest Finanztest aus 1.000 nachhaltigen Fonds alle getesteten Ökoworld-Fonds zu Testsiegern in Sachen Nachhaltigkeit erklärt. Wir machen also offensichtlich einen guten Job. Um dem Markt schneller wieder aufzuhelfen, wollen wir das Thema Intransparenz angehen. Es geht um die Frage, woran kann ich erkennen, wie nachhaltig ein Finanzprodukt wirklich ist? Wir beschäftigen uns deshalb derzeit viel mit der Aussagekraft von Siegeln. Wir wollen weg von dem nur „Nein, danke“, und hin zu „Ja, bitte“. Diesen Wandel merken unsere Vertriebspartner. Wir gewinnen neue und bauen auch wieder Vertrauen bei den Bestehenden aus.

Torsten Müller

Es gab im letzten Jahr vielfach die Rolle rückwärts, als dass Artikel 9 Fonds wieder zu Artikel 8 Fonds wurden, und auch die Fälle von Greenwashing haben zugenommen. Wie haben Sie diese Entwicklung für sich wahrgenommen?
Machost: Der Markt und wir sind überzeugt, dass dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Das hier immer noch eine Menge passiert, ist gut für uns ist und bietet uns Chancen. Wir sind uns konsequent treu geblieben und haben unsere strengen Kriterien eingehalten, was richtig und wichtig ist. Mittlerweile spüren wir auch wieder Rückenwind, auch bezüglich des Absatzes durch die Unterstützung der Kollegen im B2B. Das freut uns natürlich.
Müller: Die derzeit laufende Auslese ist immens wichtig, um den in der Branche entstandenen Vertrauensverlust bei den Anlegern zu beenden und wieder Vertrauen aufzubauen. Das kann aber nur dann gelingen, wenn auch die Politik mit Verlässlichkeit agiert. Unsere Aufgabe ist es, unsere gute Arbeit entsprechend auch nach außen zu kommunizieren. Entscheidend ist, wenn man bei einer Fondsboutique investiert – und das sind wir –, dass wir unser Geschäft nachprüfbar solide betreiben.
Machost: Wir sind überzeugt, dass das ESG-Thema, nachdem die bereits genannten Störfeuer abgeklungen sind, gesellschaftlich wieder an Bedeutung gewinnt. Denn die Fragen des Klimawandels oder der Umweltzerstörung sind nach wie vor virulent und keineswegs gelöst. Damit bekommt dann auch das Original wieder eine deutlich höhere Bedeutung und Beachtung.
Hammerich: Was auf unseren Erfolg einzahlt, ist, dass wir nicht nur Produkte verkaufen, wir engagieren uns auch persönlich für die damit verbundenen Themen. Wir besuchen viele Veranstaltungen, schreiben Blogbeiträge und tun vieles mehr. Und das übernehmen nicht nur wir Vorstände, sondern auch unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Sind Themen wie Artikel 8, Artikel 9, Taxo-Zahl, also die gesamten ESG-Regularien überhaupt relevant für den Vertrieb?
Müller: Ein Ein klares Jein. Für unsere Vertriebler sind sie es nicht, weil wir sehr stark auf die Inhalte gehen. Wenn man aber schaut, wie gelangen wir in einen Selektionsprozess bei einem Vertriebspartner, dann ist es sehr indifferent, wie die Auswahl erfolgt. Das heißt, es gibt durchaus Vertriebspartner, die nach wie vor sagen, Artikel 9 ist das höchste Maß an Nachhaltigkeit. Andere steuern beispielsweise über eine Taxo-Quote oder eine SFDR-Quote, wie nachhaltig ein Produkt wirklich ist. Deshalb kommen wir an diesen Themen auch als Ökoworld nicht vorbei. Ich denke aber dennoch, dass es wichtiger ist, im Markt das Verständnis für die vorhandenen Nachhaltigkeitskriterien, zu stärken und Absurditäten zu vermeiden.
Machost: Ich glaube wirklich, es ist entscheidender, den Menschen eine Antwort auf die Frage zu geben: Was ist eigentlich Nachhaltigkeit bzw. ESG? Für viele sind ausschließlich Themen wie Klima und Umwelt relevant. Dabei gibt es noch sehr viel mehr Themen, die wichtig sind und die es zu betrachten gilt, wie etwa Lieferketten, Kinderarbeit, Korruption in Unternehmen etc.
Müller: Wir müssen es den Anlegern und den Vertriebspartnern leichter machen. Nehmen wir zum Beispiel die für den Vertrieb ver-pflichtende Nachhaltigkeitspräferenzabfrage. Da bin ich zum Beispiel der Auffassung: Warum drehen wir das nicht um und sagen, Nachhaltigkeit sollte der Standard sein? Denn kein Mensch ist gegen Nachhaltigkeit. Aber wenn ich Nachhaltigkeit nicht möchte, dann muss ich auf die damit verbundenen Risiken hingewiesen werden. Denn ganz ehrlich, wenn ich auf Sie zugehe, und Sie sagen: „Ich möchte nachhaltig investieren“, und ich sage: „Jetzt kläre ich Sie mal kurz über die 14 PAIs auf“, also sprich, die nachteiligen Nachhaltigkeitskriterien, dann werden Sie sagen: „Der erzählt mir die ganze Zeit was zu Risiken. Das Thema Nachhaltigkeit, möchte ich dann doch nicht.“ Es muss einfach ein Umdenken stattfinden: Nachhaltigkeit ist der Standard und wer es nicht will, der muss über Risiken aufgeklärt werden.

Andrea Machost

„Der Anlageausschuss ist ein wesentlicher Teil unserer DNA“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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