Offene Immobilienfonds: Was tun nach der Anhörung im Finanzausschuss?

Der aktuell in Berlin diskutierte Entwurf zum Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) sorgt  für Diskussionen unter den Anbietern offener Immobilienfonds, wie die „FAZ“ Ende März berichtete. Strittig sind vom BVI zu vertretende Positionen, inbesondere beim Thema Anlegerfreibeträge. Die Lösung könnte ein Modell der Wissenschaft bringen. Gastbeitrag von Dr. Gernot Archner.

Gernot Archner, BIIS

Der Referentenentwurf zum AIFM-Umsetzungsgesetz sah für neue Produkte das heutige Vertragsmodell nicht mehr vor. Illiquide Vermögensgegenstände wie Immobilien sollten nur noch in Gesellschaftsform ohne einen vertraglichen Anspruch auf die Monetisierung des weitgehend illiquiden Nettoinventarwertes gehalten werden dürfen. Die Lösung des „Problems“ der Fristeninkongruenz wurde der Einfachheit halber gleich in der Abschaffung der Fristentransformation gesehen – das Anlage-Kind sollte also mit dem Gesetzes-Bad ausgeschüttet werden.

Regulierung befördert Immobilienaktien

Wer meint, dass durch die Abschaffung der bei privaten wie institutionellen Anlegern beliebten offenen Immobilien-Publikums- und Spezialfonds die Immobilien-AGs und vor allen Dingen REITs aus ihrem Dornröschen-Schlaf geholt werden sollten, dürfte so ganz falsch nicht liegen. Der Nachteil des einen sollte zum Vorteil des anderen gereichen. Das gleiche Spiel scheint sich nun, nachdem das Produkt von den Abgeordneten dem Grunde nach gerettet worden ist, in anderer Form und Besetzung zu wiederholen.

Große wollen das „Freibeitrags-Regime“ erhalten

Die großen Fondsgesellschaften wollen das jetzige „Freibetrags-Regime“ erhalten wissen, da sie aus ihrer Sicht bewiesen haben, dass sie mit ihrer Struktur verantwortungsvoll auch durch die allergrößten Krisen gefahren sind. Die kleineren, von mehr oder weniger verlustreichen Abwicklungen betroffenen Fondsgesellschaften wollen dagegen die im Regierungsentwurf vorgesehene Einschränkung der Rückgabemöglichkeit für alle verwirklicht sehen, um aus ihrer Sicht mit neuen Produkten gegen die „Großen“ überhaupt noch einmal punkten zu können. In der Aufrechterhaltung des regulatorischen Status quo sehen diese Häuser für sich keine reelle Chance mehr im Markt, wenn weiterhin bis zu 80 Prozent der Anleger einen Fonds täglich verlassen können. Auf der anderen Seite sehen die großen Fonds-Häuser erhebliche Gefahren („Ausbluten“) für ihre offenen Fonds durch den Vorschlag des Regierungsentwurfs, dass die Freibeträge nur noch für Altanleger gelten sollen und neue Anleger mit einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist nur noch an einem festen Termin im Kalenderjahr aussteigen können sollen.

Gerechtfertigte Zweiklassengesellschaft?

Dem Argument, dass eine Zweiklassen-Gesellschaft in ein und demselben Sondervermögen für die Anleger unterschiedliche Rendite/Risiko-Profile begründet und gegen den investmentrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, wird entgegenhalten, dass auch Versicherte bei Lebensversicherungen je nach Einstiegszeitpunkt unterschiedliche Garantiezinsen und Überschussbeteiligungen erhalten. Bei diesem Vergleich mag sich mancher die Augen reiben und fragen, ob dabei die Lebensversicherung der Apfel und der Fonds die Birne ist oder umgekehrt. Im Gegensatz zum Fondsanleger ist der Versicherte weder rechtlich noch wirtschaftlich in voller Höhe am Deckungsstockvermögen beteiligt. Sein Zahlungsanspruch richtet sich gegen die Versicherungsgesellschaft und deren Gesamtvermögen und vor allen Dingen kann er das aktuelle Rendite/Risiko-Profil des Deckungsstocks eben gerade nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt monetisieren. Es macht als Anleger eines „Zweiklassen-Fonds“ selbstverständlich einen erheblichen Unterschied, ob ich sofort aus der Anlage austeigen kann oder aber – ohne Erhalt einer Liquiditätsprämie – bei Versäumnis der Kündigungsfrist um einen Tag erst 729 Tage später.

Rechenexempel für Anleger

Der clevere Anleger wird deshalb die nachfolgenden Erwägungen anstellen, „Mütterchen Mü“ beziehungsweise ihr provisionsgetriebener Berater gegebenenfalls aber nicht: Die von Neuanlegern eigentlich zu fordernde jährliche Liquiditätsprämie beträgt analog der „Liquiditätsprämie“ im zweijährigen Pfandbriefbereich aktuell 0,5 Prozent bei einer jährlichen Gesamtperformance der offenen Immobilienfonds von derzeit durchschnittlich zwei Prozent. Nun trägt unser Neuanleger in den verbleibenden 729 Tagen aber auch noch alle markt- und objektspezifischen Wertänderungsrisiken im Takt der Quartalsbewertung. Und gegebenenfalls muss unser Neuanleger sogar hilflos zusehen wie die Altanleger die Fondskasse räubern und die Fondsgesellschaft zum Verkauf der Immobilien-Perlen zwingen. Wenn der Fonds nun deshalb schließen muss, dann bekommt unser Neuanleger ein gegebenenfalls nicht mehr ganz so ansehnliches Restportfolio mühsam über eine jahrlange Zwangsverwertung „monetisiert“ beziehungsweise das was nach Vorfälligkeitsentschädigungen, Verkaufsnebenkosten und den ursprünglich als „Wert“ aktivierten und noch nicht voll abgeschriebenen Ankaufsnebenkosten als Resterlös noch übrig bleibt.

Seite 2: Fragliche Attraktivität für Neuanleger

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