Bei nüchterner Betrachtung müsste ein Neuanleger also geradezu mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn er in einen Altfonds investieren würde. Was also wird der normale Anleger machen? Er wird in Ruhe die Angebote neu aufgelegter Fonds studieren. Wenn man also schon einen Vergleich zum Vorschlag des Regierungsentwurfs einer Zweiklassen-Gesellschaft bei Altfonds bemühen möchte, dann allenfalls den, dass die Altanleger im Extremfall – also wenn es brennt – zum Notausgang rennen können während Mütterchen Mü im Kinosessel festgeschnallt ist. Natürlich werden im Brandfall gegebenenfalls auch nicht alle zum Notausgang stürmenden Altanleger gerettet werden können, aber wer bitte schön geht schon ins Kino, wenn er sich anschnallen muss und im Brandfall nicht einmal abschnallen kann?
Schwächen im Regierungsentwurf
Klar ist also, dass der Regierungsentwurf an diesem Punkt (nicht nur an diesem aber auch an diesem) nicht taugt und geändert werden muss. Klar ist aber auch, dass es einem Gehandicapten nicht allein deshalb besser gehen wird, wenn alle um ihn herum ebenfalls gehandicapt sind. Auch die nach einem aktuellen FAZ-Artikel in die politische Diskussion gebrachte und an sozialpolitischen Grundsätzen orientierte Härtefall-Regelung, wonach Neuanleger vorzeitig im Fall von Arbeitslosigkeit, Krankheit,et cetera verfügen dürfen, überzeugt im Bereich der privaten Kapitalanlage ordnungspolitisch nicht. Sollen Fondsgesellschaften künftig wie Sozialbehörden individuelle Bedürftigkeitsprüfungen durchführen? Wäre bei einer rein typisierten Betrachtungsweise ein 20-jähriger (vorübergehend) Arbeitsloser, der auf ein Auto spart und noch bei seinen Eltern lebt, ein Härtefall nicht aber der 63-jährige Selbständige, der einen Teil seiner privaten Altersvorsorge im selben Fonds angelegt hat ? Was sollten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages also tun?
Lösungsvorschlag aus der Wissenschaft
Die Professoren Steffen Sebastian und Stephan Madaus von der International Real Estate Business School (Irebs) an der Universität Regensburg haben einen gangbaren Weg aufgezeigt, um das Dilemma zu lösen. Nach ihrem detailliert ausgearbeiteten Konzept (http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2013/129/Stellungnahmen/19-Prof__Sebastian.pdf) soll jeder offene Immobilienfonds bei Auflegung innerhalb gesetzlicher Leitplanken einen eigenen Rahmen zur Steuerung der Fristentransformation festlegen, der mit Zustimmung der Anleger im Fall einer Aussetzung der Rücknahme an die jeweils aktuelle Situation mit Blick auf den Fonds selbst, seine Anlegerstruktur und das Marktumfeld angepasst werden kann. Die im Konzept vorgesehene Mitbestimmung der Anleger im Krisenfall über eine Anpassung der vertraglichen Rückgabebedingungen hebt sich wohltuend von der heute vorgesehenen Mitbestimmung zu einzelnen Verkaufsentscheidungen ab.
Flexibles Modell für mündigen Kleinanleger
Ein Kleinanleger kann sehr wohl entscheiden, ob er im Krisenfall mit einer (weiteren) Einschränkung der Verfügbarkeit der Anteile einverstanden ist, er kann aber schlechterdings nicht entscheiden, ob ein Shoppingcenter in Tokyo angesichts der Fondssituation und der weiteren Objekt- und Marktaussichten mit 30 Prozent Abschlag auf den Verkehrswert verkauft werden sollte oder nicht. Ersteres trauen die Regensburger Professoren zu Recht den Anlegern zu, letzteres mutet der Gesetzgeber den Anlegern zu. Der nach dem Regensburger-Modell flexibel „atmende“ Fonds zwischen „offen“, „semi-offen“ und „Schweizer-Modell“ sollte Anlegern, Anbietern, Politik und gerade auch der Bankenaufsicht weitaus eher zusagen als ein wie auch immer ausgestaltetes „Einheitsmodell“ mit starren Vorgaben und prozyklisch wirkenden Kündigungsfristen. Es sollte nicht vergessen werden, dass international zahlreiche Immobilienfonds trotz oder besser wegen Kündigungsfristen unmittelbar mit dem Platzen der US-Subprime-Blase im Herbst 2007 – also noch vor Lehman – in die Schließung und anschließende Abwicklung gegangen sind.
Der eigentliche regulatorische Auftrag
Warum sollte ein Neuanleger 729 Tage auf sein Geld warten müssen, wenn der Fonds geradezu in Liquidität ertrinkt? Warum sollten auf einmal 365 Tage oder auch 729 Tage zur Liquiditätsbeschaffung ausreichen, wenn bei einem Großteil der in Abwicklung befindlichen Fonds nunmehr selbst vier Jahre nicht ausgereicht haben? Wem wäre nach „„Lehman“ geholfen gewesen, wenn mangels Objektverkäufen die „schockresistenten“ offenen Immobilienfonds 2.0 im Oktober 2009 doch nicht hätten auszahlen können aber die wenigen Fondsperlen in einem schlechten Marktumfeld verkauft worden wären? Mit dem Begriff der „Schockresistenz“ sollten alle Beteiligten – gerade aber die Politik – verantwortlich umgehen und nicht eine neue, falsche Erwartungshaltung bei den Anlegern schüren. Es ist das Regensburger-Modell, das am ehesten geeignet erscheint durch eine Entflechtung der Vorgaben zur Fristentransformation systemische Risiken für die Immobilien- und Finanzwirtschaft zu vermeiden. Und auch nur insoweit besteht ein regulatorischer Auftrag. Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers marktbedingte Fondsabwicklungen um jeden Preis zu vermeiden oder gar Geschäftsmodelle von einzelnen Marktteilnehmern – seien es kleine oder große Fondsgesellschaften mit oder ohne eigenem Bankvertrieb, Immobilien-AGs oder REITs – zu befördern oder zu behindern.
Autor Dr. Gernot Archner ist Gechäftsführer des Bundesverbands der Immobilien-Investment-Sachverständigen (BIIS). Die kommende BIIS-Fachtagung mit dem Titel „The Death of Retail?„ dreht sich um das Thema Handelsimmobilien.