„Operation am offenen Herzen eines gesunden Patienten“

Kaum irgendwo sonst lasse sich das Gefühl von Ungerechtigkeit so hautnah erleben wie bei der Besserbehandlung der Besserverdienenden in den Arztpraxen, argumentieren Befürworter der Bürgerversicherung. Was halten Sie von diesem Argument? 

Kremer: Das ist definitiv nicht so. Im deutschen Gesundheitswesen geht es sozial gerecht zu: Unab­hängig vom Einkommen haben alle Bürger freie Arztwahl und profitieren vom medizinischen Fortschritt. Wir haben weltweit die kürzesten Wartezeiten. Für die angebliche „Zwei-Klassen-Medizin“ wird als einziger Beleg immer das Thema unterschiedlicher Wartezeiten genannt. Fakt ist aber: Im Notfall wird jeder sofort versorgt, egal wie er versichert ist. Fakt ist auch: Im internationalen Vergleich sind die Wartezeiten bei uns rekordverdächtig kurz. Wenn es hier mal sechs Wochen bis zu einem Facharzttermin dauert, wird das gleich skandalisiert. In allen Ländern mit einheitlicher Bürgerversicherung betragen die Wartezeiten eher sechs Monate. Schauen Sie nur mal nach Großbritannien. Oder in die Niederlande, von dort flüchten etliche Patienten in deutsche Krankenhäuser. Wir werden in der Welt um unser Gesundheitssystem beneidet.

Unser System mit GKV und PKV führt ja eben nicht zu Zwei-Klassen-Medizin, sondern ist die beste Prävention gegen eine Behandlung in Abhängigkeit vom Geldbeutel: Alle Versicherten in Deutschland – gesetzlich wie privat – haben grundsätzlich Zugang zu denselben hoch­klassigen Versorgungseinrichtungen. Dagegen gibt es in Ländern mit Einheitssystem gravie­rende Ungleichheiten. In der Praxis ist die Versorgung dort meist von Rationierungen sowie separaten Strukturen für Arm und Reich geprägt.

Seite drei: „So ein Risiko wird keine Bundesregierung eingehen“

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