Intreal und IREBS haben demnach erstmals eine Performanceanalyse von 26 „Artikel-6-Fonds“ und zehn „Artikel-8-Fonds“ durchgeführt. Gemeint sind damit Fonds, die bestimmte Nachhaltigkeits-Kriterien der EU-Offenlegungsverordnung berücksichtigen (Artikel 8) beziehungsweise dies nicht tun (Artikel 6).
Das zentrale Ergebnis der Studie: Artikel-8-Fonds erreichen den Break-Even-Punkt – also den Zeitpunkt, ab dem Fonds positive Renditen über den internen Zinsfuß (IRR) generieren – „tendenziell“ circa 1,7 Monate früher als Artikel-6-Fonds, teilt Intreal Solutions mit.
Annika Dylong, Leiterin Beratung und Services bei der Intreal Solutions, kommentiert: „Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen im Kern, dass Artikel-8-Fonds im frühen Stadium ihres Lebenszyklus aus Anlegersicht keine signifikant schlechtere Performanceverläufe aufweisen als Artikel-6-Fonds. Vielmehr erreichen die Artikel-8-Fonds in unserem Datensatz sogar vor ihren Artikel-6-Peers eine positive Rendite. Wir haben vor unserer Auswertung angenommen, dass Artikel-8 Produkte auch in frühen Phasen länger deutlich negativere Renditeentwicklungen aufweisen als Artikel-6 Produkte. Diesen Verdacht können wir mit dieser ersten Untersuchung vorsichtig entkräften.“
Renditeentwicklung auf Ebene der Fonds
Es sei bewusst die Analyse der Renditeentwicklung mittels des IRR auf Ebene des Vehikels gewählt worden, um die Performance aus Sicht der Investoren zu bewerten. „Hier haben wir aus dem Markt oft die Befürchtung vernommen, dass Nachhaltigkeit auf Ebene des Vehikels zu deutlich erhöhten Kosten und damit zu negativem Performanceeinfluss führt. Wir finden in unseren Daten keine Grundlage für diese Aussage“, so Annika Dylong weiter.
Die Auswertung der IREBS und Intreal Solutions analysiert sowohl die absolute Höhe als auch den zeitlichen Verlauf der Renditeentwicklung auf Fondsebene. Diese Entwicklung nimmt einen J-förmigen Verlauf (sogenannte „J-Curve“). Annika Dylong: „Die anfängliche Vermutung bezüglich der Renditeentwicklungen war, dass die Auswahl von geeigneten Immobilien, die die ESG-Kriterien der Fonds erfüllen, länger dauert als die Akquise einer konventionellen Immobilie. Zudem sind höhere anfängliche Kosten wie beispielsweise eine umfassendere – und damit teurere – Due-Diligence bei Ankäufen denkbar, die die ESG-Kriterien des Fonds mit abdeckt.“ ESG steht für die Nachhaltigkeits-Aspekte Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung).
Auch Dokumentation und Reporting seien in der Regel bei Artikel-8 oder Artikel-9-Fonds aufwendiger und kostenintensiver, so Dylong (Artikel 9 stellt noch etwas höhere Anforderungen). „Der erforderliche Zeitaufwand und die damit einhergehenden Zusatzkosten müssten eigentlich die Rendite der Anleger schmälern. Unsere Analyse zeigt allerdings, dass die Rendite von Artikel-8-Fonds scheinbar nicht durch höhere Vorabkosten beeinträchtigt wird. Diese Fonds entwickeln sich in der Anfangsphase gegenüber Artikel-6-Fonds besser und die Phase negativer Rendite ist zeitlich kürzer. Dafür kann es zwei Gründe geben. Es scheint, dass die Auflagekosten sowie Due-Diligence- und Akquisitionsprozesse der Immobilien nicht von der Klassifizierung der jeweiligen Fonds abhängen. Eine andere Möglichkeit ist, dass sich die anfänglich höheren Kosten nach der Stabilisierung des Cash-Flows schneller amortisieren“, erklärt sie.
Weitere Auswertungen notwendig
Es handelt sich Intreal zufolge bei der Untersuchung um eine erste Analyse zum Verhalten von Immobilienfondsrenditen unter der neuen ESG-Regulatorik auf EU-Ebene. Es seien weitere Auswertungen zur langfristigen Renditeentwicklung von Fondsvehikeln unter der Offenlegungsverordnung notwendig. Intreal gebe mit dieser Auswertung einen ersten Anhaltspunkt für den Einfluss der Klassifizierung nach Offenlegungsordnung auf die Performance der Immobilienfonds.
„Wir beobachten die Entwicklungen rund um die Offenlegungsverordnung und ihre Implikationen für alle Immobilienmarktteilnehmer sehr genau. Es ist für den eigentlichen Zweck der EU-Regulierung essenziell Untersuchungen durchzuführen, die die Performance von Anlageprodukten aus einer finanzwirtschaftlichen Sicht objektiv beleuchten. Wir wollen die zum Teil vage Vokabel ‚ESG‘ mit unseren Beiträgen klar analytisch in einen finanzwirtschaftlichen Kontext einordnen“, erklärt Dylong.
Langzeitstudien seien noch nicht möglich, da die Regulatorik zu jung sei. Abschließend könne die Rendite eines Immobilienfonds ohnehin erst nach Auflösung und Verkauf aller Immobilien beurteilt werden. „Wir geben mit unserer Auswertung daher einen ersten Hinweis zum kurzfristigen Performanceverhalten und werden mit fortlaufender Zeit weitere Erkenntnisse mit dem Markt teilen. Unsere Marktstellung ist für uns auch ein Auftrag, um im Bereich der Nachhaltigkeit federführend Antworten zu entwickeln“, betont Dylong.
Hintergrund: Prinzipiell folgt die Renditeentwicklung neu aufgelegter Immobilienfonds im Anfangszeitraum nach Auflage einem typischen Muster: Die kurzfristige Wertentwicklung ist in der Regel durch Vorabkosten geprägt, zu denen unter anderem Administrationskosten, Steuern, Notargebühren und alle Due-Diligence-Kosten gehören. Zudem werden die Gelder der Anleger nicht sofort mit Anlauf des Fonds abgerufen, sondern sukzessive mit dem Erwerb der für den Fonds geeigneten Immobilien. Beide Faktoren führen dazu, dass die Fonds vor allem zu Beginn eine negative Performance aufweisen, die erst nach einer gewissen Zeit positiv wird. Aufgrund des Verlaufs wird diese Kurve auch als „J-Curve“ bezeichnet.