„Pflege findet inmitten unserer Gesellschaft statt“

Welche Hemmnisse im Vertrieb stellen Sie als Marktbeobachterin fest, Frau Ludwig?

Ellen Ludwig, Geschäftsführerin [ascore] Das Scoring GmbH (siehe Vorschaubild): Oftmals sind die potenziellen Kunden einfach überfordert, weil sie zunächst einmal mit der drohenden Versorgungslücke in der Rentenabsicherung konfrontiert werden. Darüber hinaus steht im Vertrieb der Bereich Einkommenssicherung, zum Beispiel die Berufsunfähigkeitsversicherung, stark im Vordergrund. Die Pflege steht gewissermaßen ganz am Ende dieser Kette.

Dr. Stefan M. Knoll, Vorstandsvorsitzender, DFV Deutsche Familienversicherung AG: Ein erheblicher Teil der Vermittler tut sich schwer mit der Pflege, weil sie sich viele von ihnen nur mäßig damit auskennen. Wir sind deshalb dazu übergegangen, das Thema Pflege auf eine ganz einfache Frage zu reduzieren: „Wollen Sie die staatliche Leistung verdoppeln oder verdreifachen?“. Der Vermittler muss also keine unangenehmen Fragen stellen, wie etwa: „Wie wollen Sie denn später gepflegt werden?“. Aber das setzt natürlich voraus, dass man bei jedem Beratungsgespräch diese Thematik auch anspricht – und das wird viel zu selten getan. Die Hauptursache sehe ich auch hier bei der Politik: Wenn eine Regierung den Bürgern jeden Tag sagt, wir werden für euch schon alles tun, dann muss man sich nicht darüber wundern, dass der deutsche Michel seine Mütze über den Kopf zieht, sich wieder hinlegt und davon ausgeht, dass die Decke schon groß genug sein wird.

Was fordern Sie von der Politik?

Knoll: Die Bundesregierung müsste einräumen, dass in der Pflege ein noch größeres Problem auf die Bevölkerung zukommt, als es in der Altersversorgung bereits der Fall ist. Von ihrem Rentenversicherer erhalten die Bundesbürger regelmäßig einen Bescheid über ihren Rentenanspruch. Doch niemand erhält einen Bescheid, wie hoch sein Pflegegeld sein müsste, wenn er zum Pflegefall würde. Ich sage nicht, dass das so sein müsste. Aber die unterschiedliche Information führt eben dazu, dass die Rentenfrage eher im Blickfeld der Menschen ist als die Pflege.

Seite drei: „Zehn Jahre Pflegebedürftigkeit in der Pflegestufe I kosten über 200.000 Euro“

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