Pflege und Beruf: An der Grenze der Belastbarkeit

Foto: Rike Schulz
Mareike Fell

Pflege und Beruf – klingelt da was bei Ihnen? Dann lesen Sie unbedingt weiter! Die Fürstenberg-Kolumne mit Mareike Fell

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Freunde oder Freude? Hat meine Klientin (55) schon lange nicht mehr. Ihre Ehe zerbrach vor vier Jahren, seitdem hat sie das Gefühl, dass ihr Leben nur noch aus Arbeit und der Pflege ihrer 90-jährigen Mutter besteht. Zu ihrem erwachsenen Sohn hat sie kaum Kontakt, er studiert im Ausland.

Sie fühlt sich einsam und ausgelaugt. Deutliche Stresssymptome machen sich bereits bemerkbar: Schlafstörungen, depressive Verstimmungen, Herzrasen, sozialer Rückzug. Dabei hat meine Klientin ihre Arbeitszeit schon reduziert, um mehr Zeit für die pflegebedürftige Mutter zu haben: Diese erkrankte vor zehn Jahren an Darmkrebs, kürzlich wurden zusätzliche Herzprobleme diagnostiziert. Zunehmend vergisst sie Dinge und erkennt Bekannte nicht mehr. Beinah hätte es in ihrer Küche neulich gebrannt, die alte Dame hatte die kochenden Kartoffeln vergessen. Dennoch möchte sie in ihrer eigenen Wohnung bleiben, selbst ein Hausnotrufsystem lehnt sie ab.

Das Klima zwischen den beiden Frauen verschlechtert sich zunehmend, was zusätzlich belastet. Meine Klientin nervt, dass die Mutter gar nicht mehr mithilft und sie sich nun um alles kümmern muss: Haushalt, Einkäufe, Bankgeschäfte. In ganz schlechten Phasen gibt sie der Mutter insgeheim die Schuld am Scheitern ihrer Ehe. Schließlich sucht sie Rat beim Fürstenberg Institut.

Im Gespräch mit mir wird deutlich, dass sie die Demenz-Symptome ihrer Mutter bislang – womöglich unbewusst – nicht erkannt hat. Auch zeigt sich, dass die Wohnung der Mutter aus den 1950er Jahren über zwei Etagen mit einem kleinen Bad in keiner Weise behindertengerecht ist.

Ich mache meiner Klientin deutlich, dass sie die Situation insgesamt ändern muss, um nicht selbst krank zu werden – aber auch, um die Beziehung zur Mutter wieder herzustellen. Dabei geht es darum zu verstehen und anzuerkennen, dass wir nur helfen können, solange wir uns selbst und unsere Kraft nicht aus den Augen verlieren – die Grenze ihrer eigenen Belastbarkeit aber erreicht ist.

Hier setzen wir an: Selbstfürsorge und Abgabe der Verantwortung an Fachpersonal.

Den Anfang bildet eine klare Diagnostik der Demenz. Ich gebe meiner Klientin die Adresse einer Klinik, die von der Krankenkasse finanzierte Gedächtnissprechstunden anbietet – als Voraussetzung für eine Therapie, die die genaue Art der Demenz ermittelt. Auch erkläre ich ihr, dass die Pflegekasse, aber auch die Kommune den barrierefreien Umbau der Wohnung unterstützt. Zudem empfehle ich, beim MDK (Medizinischen Dienst der Krankenversicherung) eine neue Begutachtung zu beantragen, um einen höheren Pflegegrad zu erhalten, so dass sich der Pflegedienst künftig um die Mutter und ihren Haushalt kümmert.

Meine Klientin weiß nun auch, dass sie Anspruch auf Verhinderungspflege hat. Sie kann also sehr wohl eine Urlaubsreise für sich buchen – und weiß die Mutter dennoch in guten Händen. Neben diesen Tipps zur allgemeinen Entlastung im Rahmen der Pflegesituation gebe ich ihr auch die Adresse einer Selbsthilfegruppe der Diakonie. Viele pflegende Angehörige sind in einer ähnlichen Situation – die Gespräche mit anderen Betroffenen helfen, die eigene Situation besser zu verstehen.

Im Weiteren hatte meine Klientin wieder mehr Zeit für sich selbst und mit der Abgabe an Verantwortung sind auch die Stress-Symptome wieder abgeklungen. Auch ihre Beziehung zur Mutter verbesserte sich wieder, die sie nun aus freien Stücken wieder besuchte. Hier half es, dass wir uns das Thema Abgrenzung und Verantwortungsabgabe angesehen haben, bis sie sich die innere Erlaubnis dafür geben konnte.

Hier abschließend drei einfache Tipps, um dem Thema Pflege und Beruf so zu begegnen, ohne daran zu zerbrechen:

– Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe und geben Sie Verantwortung ab.
– Geben Sie sich die innere Erlaubnis zu gelebter Selbstfürsorge: Grenzen Sie sich ab.
– Finden Sie zurück zu einer Beziehung auf Augenhöhe.

So können Sie Ihre Eltern auch im Alter begleiten und genießen.

Der Fall wurde mit dem Einverständnis der Betroffenen anonymisiert.

Autorin Mareike Fell ist systemischer Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie und ist als Beraterin und Trainerin in der externen Mitarbeiterberatung für das Fürstenberg Institut tätig. Internet: www.fuerstenberg-institut.de 

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