Barmer Pflegereport: Dauer und Kosten für Pflegebedürftigkeit steigen drastisch

Foto: Barmer
Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.

Menschen in Deutschland sind immer länger pflegebedürftig. In den kommenden Jahren wird sich die durchschnittliche Pflegedauer nahezu verdoppeln. Zudem schnellen die Ausgaben je pflegebedürftiger Person im Schnitt um 50 Prozent in die Höhe. Der neue Pflegereport der Barmer schlägt Alarm.

Die Pflegebedürftigkeit in Deutschland nimmt nicht nur in der Dauer, sondern auch in den Kosten rasant zu. Das zeigt der aktuelle Pflegereport der Barmer. Und er warnt vor Krise der Pflegeversicherung. Die Ergebnisse verdeutlichen die Herausforderungen für die Soziale Pflegeversicherung und die dringende Notwendigkeit politischer Reformen.

„Die Soziale Pflegeversicherung überschreitet bereits jetzt ihre finanzielle Belastungsgrenze. Die Bundesregierung darf die Millionen Pflegebedürftigen und deren Angehörige nicht im Stich lassen und muss endlich für finanzielle Entlastung sorgen. Dazu gehört an erster Stelle die umgehende Befreiung der Sozialen Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen, so wie es die ehemalige Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen hatte“, fordert Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.


Das könnte Sie auch interessieren:

Von der kommenden Bundesregierung erwartet der Barmer-Chef, dass vor allem ausstehende Pandemiekosten von mehr als fünf Milliarden Euro und die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige vollständig aus Steuermitteln erstattet beziehungsweise übernommen werden. Zudem sollte die Ausbildungskostenumlage für Pflegekräfte aus Steuereinnahmen finanziert werden. 

Pflegedauer verdoppelt sich nahezu

Laut dem neuen Pflegereport sind die Menschen in Deutschland immer länger pflegebedürftig. Demnach erwarten die Studienautoren, dass sich in den kommenden Jahren die durchschnittliche Pflegedauer nahezu verdoppeln wird. Zudem schnellen die Ausgaben je pflegebedürftiger Person im Schnitt um 50 Prozent in die Höhe.

Die durchschnittliche Dauer, in der Menschen Pflegeleistungen beanspruchen, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verlängert. Während kürzlich verstorbene Pflegebedürftige durchschnittlich 3,9 Jahre Unterstützung erhielten, prognostiziert der Report für derzeit Pflegebedürftige eine nahezu doppelte Dauer von 7,5 Jahren. Studienautor Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen führt diese Entwicklung unter anderem auf den 2017 eingeführten neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff zurück, der vielen Menschen erstmals Zugang zu Pflegeleistungen ermöglicht habe.

Die finanziellen Folgen sind enorm: Pflegekassen zahlten für kürzlich verstorbene Personen durchschnittlich 50.000 Euro. Für aktuell Pflegebedürftige wird ein Anstieg auf etwa 76.000 Euro erwartet – eine Steigerung um mehr als 50 Prozent. Besonders der Bezug von Pflegegeld hat sich als Kostenfaktor verdoppelt, von 13.100 Euro auf 30.300 Euro. Dabei handelt es sich allerdings um konservative Schätzungen: Der tatsächliche, künftige Gesamtbetrag aller Leistungen könne sogar noch höher liegen als die prognostizierten 76.000 Euro, weil dieser Summe die Kosten für Pflegeleistungen des Jahres 2023 zugrunde lägen. Die Inflation und mögliche weitere Preissteigerungen seien dabei noch nicht berücksichtigt, so Rothgang.

Die Soziale Pflegeversicherung stößt an ihre Grenzen

Laut Barmer-Vorstandsvorsitzendem Straub bedarf es dringend finanzieller Entlastungen. Straub fordert die Befreiung der Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen – ein Vorhaben, das bereits im Koalitionsvertrag der ehemaligen Ampelregierung festgehalten war. Zusätzlich müssten die über fünf Milliarden Euro an pandemiebedingten Kosten sowie Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuermitteln übernommen werden.

Auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen steigen weiter. Im Jahr 2022 betrug der höchste Zuwachs 8,3 Prozent allein im vierten Quartal. Maßnahmen wie gestaffelte Zuschläge haben die Kassen bereits rund sechs Milliarden Euro gekostet, jedoch keine nachhaltige Entlastung der Versicherten bewirkt. Rothgang sieht die Bundesländer in der Pflicht: Sie müssten verstärkt die Investitionskosten für Pflegeheime tragen, um die Eigenanteile zu reduzieren.

Höhere Löhne und Fachkräftemangel

Ein weiterer Kostenfaktor sind die gestiegenen Löhne in der Altenpflege. Zwischen 2015 und 2023 erhöhten sich die Gehälter für Hilfskräfte um 59 Prozent, für Fachkräfte um 53 Prozent – mehr als doppelt so viel wie die durchschnittlichen Lohnerhöhungen in anderen Branchen. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt der Fachkräftemangel akut.

„Angesichts der wachsenden Zahl Pflegebedürftiger und längerer Pflegezeiten wird der Bedarf an Pflegepersonal künftig weiter steigen. Ohne umfassende Reformen droht eine Verschärfung der Lage“, warnt Straub.

Politik vor Mammutaufgabe

Die Herausforderungen für die Pflege in Deutschland sind gewaltig. Der Pflegereport unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf. Für die nächste Bundesregierung wird die Reform der Sozialen Pflegeversicherung eine der zentralen Aufgaben sein. Straub fordert, diese nicht länger hinauszuschieben: „Trotz höherer Löhne herrscht nach wie vor ein Mangel an Pflegefach- und Pflegeassistenzkräften vor. In Anbetracht von mehr pflegebedürftigen Personen und längeren Pflegezeiten wird der Bedarf künftig weiter steigen und diese Problematik somit noch größer. Auf die Politik wartet eine Mammutaufgabe, die spätestens eine neue Regierung nach der kommenden Bundestagswahl in Angriff nehmen muss“, sagt Barmer-Chef Straub.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments