Pflegeversicherung: Geeignet für jeden Geldbeutel

Um die Deutschen zur Absicherung ihres Pflegefallrisikos zu bewegen, bezuschusst der Staat den Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung. Die Versicherer haben mit neuen Produktkonzepten reagiert. Jetzt hängt alles von der Beratungsleistung im Vertrieb ab.

Dr. Rainer Reitzler
Dr. Rainer Reitzler, Münchener Verein: „Durch den Wegfall der Großfamilie muss die Pflege vor allem durch externe Hilfe organisiert werden.“

Große politische Reformen und Gesetze tragen meist Namen, die für den Bürger ein bisschen nach Aufbruch, Neuanfang oder Gemeinsinn klingen sollen – das gelingt mal gut, wie die Wortschöpfung „Bürgerversicherung“ zeigt, und manchmal reicht die Kreativität nur zu einem „Altersvorsorgeverbesserungsgesetz“. Kommt man jedoch in die Niederungen der Verordnungen, verabschiedet sich der Gesetzgeber komplett von derlei Bemühungen.

Die Ende März 2013 vom Bundesrat verabschiedete „Pflegebedürftigen-beteiligungsverordnung“ ist so ein Fall. Die Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums (BGM) macht gar nicht erst den Versuch, das Wortungetüm mithilfe von leicht verständlichen Sätze zu bändigen: „Der Bundesrat hat heute der Verordnung zur Beteiligung der auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen sowie der pflegenden Angehörigen im Bereich der Begutachtung und Qualitätssicherung der Sozialen Pflegeversicherung (Pflegebedürftigenbeteiligungsverordnung – PfleBeteiligungsV) zugestimmt“, heißt es darin im lupenreinen Beamtenjargon.

Menschen wie Monika Höhne, die ihr Leben der Pflege von Angehörigen verschrieben haben, sind weit weg von der bürokratischen Sprache des Berliner Politikbetriebs. Die 66-jährige Hamburgerin formuliert klare und verständliche Sätze, denn ohne Kommunikation funktioniert Pflege nicht. Über sechs Jahre lang betreute Höhne ihren an Parkinson und Demenz erkrankten Mann. Waschen, anziehen, zur Toilette begleiten, in Bad und Schlafzimmer bringen und dreimal in der Woche die Fahrt zur Krankengymnastik – all dies bestimmte bis zum Tod ihres Mannes im Jahr 2011 ihren Alltag.

2,5 Millionen Pflegebedürftige

Fortan lebt Höhne mit ihrem behinderten und ebenfalls pflegebedürftigen Bruder im von den Großeltern erbauten Doppelhaus in Hamburg-Rahlstedt weiter. Für den 62-Jährigen, mit dem sie Zeit ihres Lebens zusammen wohnt, hat sie seit 1983 das Sorgerecht. Von 1993 bis 1999 pflegte Höhne zudem ihre Mutter – bis die eigenen Kräfte nicht mehr reichten. Schweren Herzens meldete die selbstständige Frisörin die damals 90-Jährige in einem Pflegeheim an. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2004 bekam diese täglich für drei Stunden Besuch von ihrer Tochter.

Grafik: Pflegelücke

Als ob dies alles nicht schon genug wäre, betreut Höhne auch noch Menschen aus der Nachbarschaft und aus dem Freundeskreis. Für die Hamburgerin ist all dies eine „Selbstverständlichkeit“. Schon ihre Mutter sei sehr fürsorglich gewesen. „Ich habe es mit der Muttermilch aufgesogen, man kann sich das nicht anerziehen“, sagt sie dann gerne.

Das selbstlose Engagement von Monika Höhne wurde 2010 mit einem Preis gewürdigt. Gestiftet wurde dieser von der Pflegeberatung des privaten Krankenversicherers Compass, mit dem Ziel, auf Verdienste und Schicksale von Pflegenden und Pflegebedürftigen aufmerksam zu machen.

Die Biografie Höhnes ist außergewöhnlich und doch werden sich viele Menschen in ihrer Lebensgeschichte wiederfinden. So waren Ende 2011 2,5 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Dies zeigt die aktuelle Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Bis zum Jahr 2030 könnten es nach Destatis-Hochrechnungen bereits rund 3,4 Millionen Menschen sein. Dann hätten 27 Millionen Menschen einen Pflegefall in der Familie – das ist dreimal mehr als heute.

„Nicht nur die Zahl der Pflegebedürftigen steigt an – auch die Pflege selbst wird sich verändern“, prognostiziert Dr. Rainer Reitzler, Vorstandsvorsitzender der Münchener Verein Versicherungsgruppe. „Denn durch den Wegfall der Großfamilie, die früher die Versorgung älterer und pflegebedürftiger Angehöriger übernahm, und die zunehmende Mobilität muss die Pflege vor allem durch externe Hilfe organisiert werden“, so Reitzler.

Kinder haften für ihre Eltern

Die „externe Hilfe“ muss vor allem von den ambulanten Pflegediensten geleistet werden. Denn 70 Prozent aller Pflegebedürftigen – mit 1,76 Millionen entspricht dies der Einwohnerzahl Hamburgs – werden zu Hause versorgt. Davon erhält allerdings der Großteil der Menschen (1,18 Millionen) ausschließlich Pflegegeld – das heißt, dass sie in der Regel allein durch Angehörige gepflegt werden. Nur bei den übrigen 576.000 Pflegebedürftigen erfolgt die Pflege teilweise oder vollständig durch ambulante Pflegedienste. Die verbliebenen 30 Prozent, das sind 743.000 Pflegebedürftige, erhalten eine stationäre Pflege in einem Heim.

Die Unterbringung hat ihren Preis: So kostet ein vollstationärer Pflegeheimplatz der Pflegestufe III durchschnittlich rund 3.250 Euro im Monat. Die gesetzliche Pflegeversicherung übernimmt davon nur maximal 1.550 Euro – es bleibt eine Lücke von 1.700 Euro pro Monat, die aus privater Hand zu stopfen ist. Kann sich der Betroffene dies nicht leisten, zieht der Staat Angehörige zur Finanzierung heran. Sind keine vorhanden, muss der Sozialstaat einspringen.

Private Pflege: Nur zwei Millionen Menschen sind abgesichert

Dass es zu innerfamiliären Auseinandersetzungen kommt, wenn es um die Pflegefinanzierung der Eltern geht, ist keine Seltenheit. Eine private Pflegezusatzversicherung kann dann helfen, den Streit zu verhindern. Doch bislang verfügen nur etwa zwei Millionen Menschen über eine entsprechende Absicherung.

Für Dr. Birgit König, Vorstandsvorsitzende Allianz Private Krankenversicherung, entspricht diese Zahl nur dem sprichwörtlichen „Tropfen auf dem heißen Stein“: „Viele vertrauen offenbar darauf, im Pflegefall von der eigenen Familie, von den eigenen Kindern oder Angehörigen gepflegt zu werden. Diese Chance ist im Einzelfall aber gering“, sagt König und begründet dies, wie Münchener-Verein-Chef Reitzler, damit, dass sich die klassische Großfamilie auf dem Rückzug befinde.

Seite zwei: Beitragssatzanhebung zur Stabilisierung

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