Pflegevorsorge: „In der Kombination ist es eine innovative Neuerung“

Foto: ERGO/DKV
Ursula Clara Deschka, Ergo.

Die Ergo-Tochter DKV Deutsche Krankenversicherung AG bietet im Rahmen der bKV das Pflegemonatsgeld „BonusMed Pflege Plus“ an. Cash. sprach mit Ergo-Vorständin Ursula Clara Deschka über die Perspektiven des bKV-Marktes sowie die Features und Vorteile des neuen Pflegetarifs.

Frau Deschka, welche Bedeutung hat die betriebliche Krankenversicherung für die DKV?

Deschka: Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) ist für die DKV ein sehr wichtiges Geschäftsfeld. Bereits seit über 60 Jahren gestalten wir Firmenkonzepte – schon lange vor dem Boom in der bKV. Heute sind wir Marktführer im Bereich der Firmengruppenversicherung. In Deutschland haben wir, im Gegensatz zu anderen Ländern, eine vergleichsweise hochwertige Grundversorgung. Darum hat sich die Nachfrage nach der bKV in Deutschland erst in der jüngeren Vergangenheit entwickelt – vorrangig getrieben durch den Fachkräftemangel. Im „War for Talent“ erkennen immer mehr Arbeitgeber die bKV als hilfreiches Mittel, um Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu gewinnen und stärker an ihr Unternehmen zu binden.

Die Pandemie hat die Welt verändert und hinterlässt immer noch ihre Spuren. Wie stark war der bKV-Vertrieb durch die Pandemie in den vergangenen 20 Monaten beeinflusst?

Deschka: Diese Frage lässt sich gar nicht so eindeutig beantworten, wie man vielleicht denkt, sondern muss branchenabhängig betrachtet werden. Wir merken, dass Unternehmen, die wirtschaftlich besonders stark von der Pandemie betroffen sind, verständlicherweise zurückhaltend agieren und ihre Entscheidung auf die Zukunft verschieben. Auf der anderen Seite investieren beispielsweise IT-Dienstleister oder Transportunternehmen aktuell in äußerst hochwertige Absicherungen. Der Trend zur bKV überwiegt allerdings: Auch im Jahr 2021 hat das bKV-Geschäft wieder eine sehr deutliche Steigerung erlebt.

Laut der Mittelstands-Umfrage eines Wettbewerbers bieten gerade zehn Prozent der KMU eine bKV an. Haben Sie eine Erklärung, warum sich die kleineren Firmen beim Thema bKV so zurückhalten? Und wie sieht es bei der DKV aus?

Deschka: Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche Arbeitgeber scheuen sich davor, sich in eine langfristige Verpflichtung zu begeben. Darüber hinaus befürchten einige eine hohe zusätzliche Belastung ihrer HR-Bereiche. Insbesondere kleinere Firmen, die nicht über große Rechtsabteilungen verfügen, scheuen außerdem die arbeits- und steuerrechtlichen Fragestellungen, die auf sie zukommen. Bei all diesen Punkten können wir als Versicherungsbranche aber Aufklärungsarbeit leisten und diese Vorbehalte nehmen. In der DKV haben wir dank unserer Vertriebspartnerinnen und Vertriebspartner gute Erfahrungen im kleinen Mittelstand gemacht. Denn vielen Firmeninhaberinnen und -inhabern ist es ein persönliches Anliegen, zur Gesundheit ihrer Belegschaft einen Beitrag zu leisten. Zudem stehen unsere Krankenversicherungsspezialisten im Vertrieb den Arbeitgebern mit Rat und Tat zur Seite.

Welche Bedeutung spielt die bKV im Konzert der möglichen betrieblichen Zusatzleistungen und was macht sie für Firmen so besonders?

Deschka: Gesundheit ist das Wichtigste im Leben. Die Corona-Pandemie führt uns das seit zwei Jahren sehr eindrücklich vor Augen. Auf der anderen Seite sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wertvollste Kapital der Arbeitgeber. Mit einer bKV schaffen sie sofort erlebbare Mehrwerte für ihre Belegschaft – z.B. durch die Übernahme von Vorsorgeuntersuchungen oder der Zahnreinigung beim nächsten Zahnarztbesuch. Damit bietet die bKV eine Win-Win-Situation für Mitarbeiterschaft und Arbeitgeber.

Sie haben im Sommer ihren bKV-Pflegetarif „BonusMed Pflege Plus“ auf den Markt gebracht? Wie sieht ihr bKV-Pflegekonzept aus?

Deschka: Das Konzept ist recht einfach: Die DKV sichert ein monatliches Pflegegeld bei häuslicher oder stationärer Pflege ab. Dieses wird in Abhängigkeit des Pflegegrades und der Unterbringung gezahlt. Arbeitgeber können grundsätzlich aus vier unterschiedlichen Pflegemonatsgeldhöhen wählen. Dazu kommen zahlreiche Services, wie etwa umfassende Beratung rund um das Thema Pflege. Das Wichtigste ist aber, dass im Rahmen der betrieblichen Pflegeversicherung die gesamte Belegschaft des Unternehmens abgesichert wird. Da wir auf eine individuelle Gesundheitsprüfung verzichten, sind dadurch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unabhängig von ihrem Gesundheitszustand oder sogar einem eventuell bereits bestehenden Pflegegrad (!), ab dem ersten Tag unter Versicherungsschutz. Und es werden auch sofort entsprechende Alterungsrückstellungen gebildet. Diese werden später – sofern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Versicherung bei Renteneintritt fortführen – beitragsmin- dernd angerechnet.

Was sind die Besonderheiten des Tarifs? Was ist das Innovative?

Deschka: Wir kombinieren in diesem Tarif die Highlights aus zwei Welten: klassischen Pflegeergänzungsversicherung und bKV. Und das bereits mit Leistungen ab Pflegegrad 1. Alleingenommen sind die Bestandteile des Tarifs nicht ungewöhnlich – aber in der Kombination eine innovative Neuerung. Um es ganz konkret zu machen: Bei der „normalen“ Pflegeergänzungsversicherung erfolgt in der Regel eine umfassende Gesundheitsprüfung. Auf diese verzichten wir im Rah- men der betrieblichen Pflegeabsicherung. Dies wiederum ist in der bKV keine Neuerung. Allerdings kennen wir in der „normalen“ bKV keine Alterungsrückstellungen, die wir in diesem Baustein vorsehen.

Wie ordnet sich der Tarif preislich ein?

Deschka: Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Durch die altersgerechten Rückstellungen hängt der durchschnittliche Pauschalbetrag stark von der arbeitgeberindividuellen Mitarbeiterdemographie ab. Grundsätzlich gilt: Je jünger die Belegschaft ist, desto günstiger ist auch die Absicherung. Das lässt sich am besten an zwei konkreten Bespielen (für die niedrigste Versicherungssumme in Höhe von 360 Euro monatlichem Pflegegeld) verdeutlichen: Das günstigste Angebot liegt hier bei gut fünf Euro für ein sehr junges Kollektiv, das teuerste bei etwas über 18 Euro. Hier wird die Bedeutung des frühzeitigen Einstiegs in die Pflegeabsicherung deutlich. Das erstgenannte Kollektiv hat ein Durchschnittsalter von 32 Jahren, das zweite dagegen ist über 20 Jahre älter.

Lassen sich Familienmitglieder ebenfalls pflegeversichern? Und was kostet die Pflegeversicherung in diesem Fall?

Deschka: Wir bieten unser Pflegetagegeld „BonusMed Pflege Plus“ bewusst auch den Familienmitgliedern an – und natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst, wenn sie ihren Versicherungsschutz aufstocken möchten. In diesem Fall können wir jedoch nicht auf eine Gesundheitsprüfung verzichten, da es sich nicht um eine obligatorische Absicherung handelt. Allerdings ist sowohl die Absicherung der Familienmitglieder als auch die Aufstockung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst nach Abschluss der bKV innerhalb von drei Monaten zu vereinfachten Konditionen möglich. Dabei besteht die Wahl zwischen vier Versicherungshöhen. Der Beitrag hängt dabei vom individuellen Alter und der gewählten Absicherungshöhe ab. Für ein Pflegemonatsgeld in Höhe von 360 Euro startet dieser beispielsweise bei Kindern mit nur gut einem Euro. 25-Jährige zahlen etwa drei Euro, 40-Jährige nicht einmal sieben Euro und 60-Jährige rund 23 Euro.

Glauben Sie, dass sich über die Integration des Themas Pflege in die bKV mehr Menschen erreichen lassen? Oft wird doch eher der Zahnzusatztarif denn der Pflegezusatztarif gewählt.

Deschka: Wir werden sicherlich nicht alle Menschen damit erreichen können. Aber wir spüren bereits jetzt, dass sich durch das Angebot einer betrieblichen Pflegeabsicherung plötzlich junge Menschen mit dem Thema auseinandersetzen, die das bisher nicht getan haben. Denn niemand denkt gerne darüber nach, vielleicht einmal ein Pflegefall zu werden. Aber genau das wäre wichtig! Denn die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens zum Pflegefall zu werden, ist leider enorm hoch. Und die gesetzliche Pflegeversicherung kann meist nicht alle anfallenden Kosten im Pflegefall decken. Der PKV Verband beziffert diese Pflegelücke auf monatlich ca. 2.150 Euro, die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen im Schnitt aus eigener Tasche zahlen müssen. Und da ist die private oder betriebliche Absicherung enorm wichtig: Je früher die Menschen vorsorgen, desto unbeschwerter können sie dem Rentenalter entgegensehen und in Würde altern.

Neue Berechnungen zeigen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bereits zum Ende des Jahrzehnts deutlich höher sein wird, als bislang erwartet. Wir sehen aber heute schon, dass die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht ausreichen. Es müsste zusätzlich vorgesorgt werden. Wie könnten zusätzliche Anreize aussehen, um mehr Menschen für die Pflegevorsorge zu gewinnen?

Deschka: Aus meiner Sicht wäre eine staatlich geförderte betriebliche Pflegeversicherung eine sinnvolle Ergänzung, um auch jüngere Menschen früher für das Thema zu sensibilisieren. Heute sind die Beiträge zwar im Rahmen der Sachbezugsfreigrenze von 50 Euro pro Monat steuer- und sozialversicherungsfrei. Damit konkurriert aber die wichtige betriebliche Pflegeabsicherung, die aufgrund der Alterungsrückstellungen auf Nachhaltigkeit angelegt ist, mit Zahnersatz- oder Budgettarifen in der bKV oder sogar mit Tankkarten oder Einkaufsgutscheinen. Das ist aus meiner Sicht das falsche Signal. Denn die betriebliche Pflegeversicherung entlastet, noch viel stärker als andere bKV-Absicherungen, langfristig unsere Sozialsysteme.

Die Fragen stellte Jörg Droste, Cash.

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