PKV: Genug ist zu wenig

So lag der Netto-Neuzugang in der Vollversicherung bei minus 20.100 Personen – 2011 waren es noch plus 80.900. Als weitere Gründe für den negativen Mitglieder-Saldo im vergangenen Jahr nennt Schulte den Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aufgrund der guten Lage am Arbeitsmarkt. Dabei seien viele privatversicherte Kleinselbstständige in ein festes Arbeitnehmerverhältnis gewechselt, mussten damit allerdings auch in die GKV zurückkehren.

Darüber hinaus habe auch die verpflichtende Einführung von Unisex-Tarifen zum Jahresende 2012 vor allem bei den Frauen zu einer abwartenden Haltung geführt, betont der PKV-Verbandsvorsitzende.

Seit dem 21. Dezember 2012 dürfen die Versicherer nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGh) im Neugeschäft nur noch die geschlechtsneutral kalkulierten Unisex-Tarife anbieten. Vor allem in der privaten Krankenversicherung hat dies erhebliche Beitragsverschiebungen bei den Geschlechtern zur Folge – so ist es für Männer unter dem Unisex-Regime deutlich teurer geworden, da sie gewissermaßen die teureren Frauen mit ihren Beiträgen subventionieren müssen.

Eine aktuelle Untersuchung des Analysehauses Franke & Bornberg ergab, dass die Unisex-Beitragserhöhungen für Männer abhängig von Tarif und Anbieter zwischen vier und 62 Prozent schwanken. Für Frauen wurden im Gegenzug Prämiensenkungen erwartet. Diese Prognose hat sich laut Franke & Bornberg jedoch nur teilweise bestätigt.

Demnach zeigt die Analyse, dass im Durchschnitt die Beiträge nicht sinken, sondern je nach Angebot günstiger, aber auch teurer ausfallen können. Die Bandbreite reiche dabei von minus 24 Prozent bis zu plus 37 Prozent, erklären die Analysten.

Unisex räumt mit Billigtarifen auf

„Qualität hat in der PKV zunehmend ihren Preis. Denn mit den neuen Beiträgen steigen die Leistungsstandards, während immer mehr Billig- und Einsteigertarife vom Markt verschwinden“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer von Franke & Bornberg. „Das senkt das Risiko erheblich, auf Behandlungskosten sitzen zu bleiben.“

Ein wahrgenommener Anstieg der Leistungsstandards dürfte die Branche freuen, will sie doch endlich wieder mit Qualität punkten und die leidige Preisdebatte hinter sich lassen – oder um es mit den Worten von Hallesche-Chef Dr. Walter Botermann auszudrücken: „Für 59 Euro können Sie bei uns nur einen Hund versichern.“ Und doch gelingt der Befreiungsschlag mit der Einführung der Unisex-Tarife nur bedingt.

Grund hierfür ist eine Ende März veröffentlichte Studie der Kölner Ratingagentur Assekurata. Der Studie zufolge ist der Übergang vom Preis- zum Leistungswettbewerb infolge der Unisex-Umsetzung noch nicht vollends geglückt. Zwar sei das Leistungsniveau durchgängig gestiegen, so auch im Einsteigersegment, sagt Guido Leber, Bereichsleiter Analyse bei Assekurata, allerdings zeige sich hier nach wie vor noch „Luft nach oben“.

So reiche die Mehrzahl der 51 untersuchten Vollversicherungstarife von 25 Gesellschaften bei der ambulanten Psychotherapie, dem Hilfsmittelkatalog oder der Suchtentwöhnung immer noch nicht an das Leistungsniveau der GKV heran.

Seite drei: Wie mündig soll der Kunde sein?

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