Anleger und Selbstnutzer fragen sich derzeit immer öfter, ob die Preisentwicklungen am Wohnungsmarkt der vergangenen Jahre nicht bald ein Ende haben werden.
Auf der einen Seite beschäftigen die großen Sprünge auf dem Wohnimmobilienmarkt in den Ballungsgebieten und Metropolen Politik und Gesellschaft – mit der Folge, dass die Regulierungen für Bestandsimmobilien immer weiter zunehmen. Auf der anderen Seite steht tatsächlich die Überlegung im Raum, ob die Preise für Neubauten nicht mittlerweile eine „gläserne Decke“ erreicht haben. Denn ganz gleich, wie teuer Bauland und Baukosten sind, irgendwann, so denken manche Marktbeobachter, sei Schluss, teurer könne ein Quadratmeter Wohnfläche selbst in Bestlage nicht mehr werden.
Wo die magische Preisgrenze liegt
Mich beschäftigt in dieser Debatte die grundsätzliche Frage, wo diese magische Grenze liegen soll und wer das definiert: Sind 7.000 Euro auf den Quadratmeter im Wohnungsneubau noch plausibel und 8.000 Euro nicht mehr? Sind 12.000 Euro zu viel oder kann man mitunter auch für 14.000 Euro (ver-)kaufen? Der Markt für Wohnungsneubau ruht verkürzt auf zwei Pfeilern: Zum einen auf der Annahme von Kapitalanlegern, dass sie mit einem bestimmten Produkt eine bestimmte Mieteinnahme erzielen können, und zweitens der Bereitschaft von Eigennutzern, für ihre Zuhause einen bestimmten absoluten Preis zu zahlen.
Es ist wohl unnötig zu ergänzen, dass beides von einem bestimmten dritten Faktor abhängig ist, nämlich der Kapitaldienstfähigkeit des Erwerbers respektive potenziellen Mieters. Meine Überzeugung hierzu ist nun folgende: Solange bei der Kapitaldienstfähigkeit Luft nach oben ist, werden auch die Wohnpreise weiterhin steigen können, auch über vermeintliche und willkürlich gesetzte gläserne Decken hinaus.
USA veröffentlicht alljährlich Ranking der teuersten Immobilien des Landes
In den Vereinigten Staaten veröffentlicht die Immobilienplattform PropertyShark alljährlich das sogenannte ZIP-Code-Ranking der teuersten Immobilien des Landes. Analysiert wird dabei, welche Postleitzahlen im Durchschnitt die teuersten Immobilienangebote führen. Beachtenswert ist dabei folgender Trend: Lagen in der Vergangenheit die teuersten ZIP-Codes außerhalb von New York City auf Long Island und in Connecticut, sind es inzwischen seit drei Jahren Städte und Gemeinden im Dunstkreis des Silicon Valleys, die alle Rekorde brechen.
Diese Entwicklung sagt nicht nur etwas für die Möglichkeit von Preissteigerungen und die allgemeine Nachfrage nach Wohnimmobilien aus, sondern steht zugleich in einem branchenspezifischen Zusammenhang. Connecticut und Long Island sind die angestammten Wohnorte der New Yorker Investment-Banker, die in den vergangenen Jahrzehnten die höchsten Einkommen erzielten. Diesen Rang der höchsten Einkommen hat das Bankengeschäft mittlerweile freilich an die Internet- und Tech-Branche abgegeben. Je höher dort die Einkommen sind, desto mehr sind die Menschen auch bereit und willens, für Wohnraum auszugeben – so auch bestätigt durch das ZIP-Code-Ranking. Mehr als 90 der 100 teuersten ZIP-Codes liegen mittlerweile in Kalifornien.
Annahmen und Beobachtungen auf Deutschland übertragbar
Es gibt keinen Grund, diese Annahmen und Beobachtungen nicht auch auf Deutschland zu übertragen; kurz gesagt: Regionen mit einer starken Tech-Orientierung ziehen einkommensstarke Anwohner an. Wenn ein großes IT-Unternehmen den Aufbau eines Standorts vor den Toren einer deutschen Großstadt bekannt gibt, dann ist klar, dass nicht nur viele, sondern auch sehr gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Das hat positive Auswirkungen auf die Steuereinnahmen und Arbeitslosenquoten in den Gemeinden sowie die allgemeine Entwicklung der Kaufkraft in den Regionen.
Aber ebenso wirkt sich das auf die Wohnpreise aus – eben weil die Menschen absolut gesehen mehr Geld haben und dementsprechend mehr für Miete oder Wohneigentum ausgeben können. Diese Entwicklung hat zwar keine Auswirkung auf die Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum, die Frage nach einer potenziellen gläsernen Decke für Kaufpreise am Wohnimmobilienmarkt ist damit für mich allerdings eindeutig beantwortet: Im Dunstkreis von Tech- und Internet-Unternehmen in Wohnimmobilien sind die Dächer weit offen.
Autor Sebastian Fischer ist Vorstand der Primus Immobilien AG.
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