Das Hauptproblem dabei: Die derzeitige Inflation ist kein kurzzeitiges Phänomen, Aussitzen keine Lösung. Pandemiebedingte Nachholeffekte und explodierende Energiepreise waren nur die Zündung. Nährboden dafür ist auch die von den Zentralbanken durch Anleiheankäufe immens ausgeweitete Geldmenge. Darüber hinaus haben die Aufkäufe massiv auf die Zinsen gedrückt und allein schon damit zinsbasierten Vermögensaufbau quasi unmöglich gemacht.
Die durch Corona und die geopolitische Lage massiv ausgeweitete Staatsverschuldung, fehlende Ausgabendisziplin der öffentlichen Hand und Zukunftsprojekte wie die Finanzierung der Dekarbonisierung werfen die Frage auf, was wichtiger ist: Das Eindämmen der Inflation durch mutige Zinsschritte oder die Finanzierungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand, die bei steigenden Zinsen wegen der hohen Belastungen der Staatshaushalte zunehmend schwinden.
Die zu erwartenden Zinsschritte der EZB werden deshalb vermutlich zögerlich bleiben, nur langsam wirken und der Inflation hinterherhinken. In Konsequenz werden die Inflationsraten noch über Jahre hinweg über den Zinsen liegen. Der Preis für die finanzielle Handlungsfähigkeit der Politik: Die Kaufkraft von Vorsorgevermögen auf Sparkonten und in anderen renditeschwachen Produkten wird massiv schrumpfen.
Für viele stellt sich die Frage, ob es mit der bevorzugten Vorsorgeform überhaupt noch möglich ist, einen langfristigen Mehrwert zu erzielen. Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Mit klugen Entscheidungen und kompetenter Beratung lässt es sich auch bei einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis gewinnbringend vorsorgen. An vielen Stellen ist auch die Politik gefragt. Ein zukunftsfähiges Konzept zur privaten Altersvorsorge muss gewährleisten, dass sich die Menschen auch in solchen Marktlagen eigenständig absichern können.
Immobilien: Gegenwind, aber immer eine Option
Kein einfaches Umfeld für Häuslebauer und -käufer: Die Zinsen für Immobiliendarlehen ziehen an, die Preise bewegen sich weiter auf hohem Niveau, und wer selbst baut oder renoviert, sieht sich stark gestiegenen Kosten für das Handwerk und die Baustoffe ausgesetzt. Die Bautätigkeit dürfte sich wohl verlangsamen, dringend benötigter neuer Wohnraum bleibt knapp.
Wer erst in einigen Jahren bauen will, tut gut daran, sich mit einem Bausparvertrag die noch vergleichsweise erschwinglichen Zinsen und damit günstige Finanzierungskonditionen zu sichern. Auch laufende Finanzierungen gehören auf den Prüfstand. Wer mit festen Raten kalkuliert und zu niedrigem Zins finanziert hat, muss bei Prolongation des Darlehens mit empfindlichen Zinsanpassungen rechnen, die so manche Finanzierung ins Ungleichgewicht bringen können. Auch hier kann der Abschluss eines Bausparvertrags noch sinnvoll sein, wenn Zuteilungsreife und Prolongation synchronisiert werden. Aber nicht jeder kann so schnell ansparen. Alternativ sind Forward-Darlehen eine Lösung. Der abgesicherte Zins liegt hier allerdings meist deutlich über dem bei Bausparverträgen.
Renaissance der Garantieprodukte?
Sicherheit zulasten von Renditeerwartungen ist ein legitimes Anlageprofil bei Altersvorsorge und Geldanlage. Denn gerade im Alter ist Kalkulationssicherheit für die Einnahmen unerlässlich. Sicherheit ist aber letztendlich nur bei Investitionen in Nominalanlagen mit bestmöglicher Bonität des Emittenten realisierbar. Deutsche Staatsanleihen waren hier in den letzten Jahren erste Adresse. Das Problem: Die Anleihen wurden in großem Stil direkt an die EZB verkauft, die sie zu jedem Preis – also auch mit Negativzins – vom Markt nahm. Das Nachsehen hatten private Anleger, die den vom übermächtigen Marktteilnehmer EZB gesetzten Zins akzeptieren mussten. Für die Politik eine Einladung zu billiger Neuverschuldung, für sicherheitsorientierte Anleger ein Desaster.
Private Rentenversicherungen mit Garantie hatten das Nachsehen. Die Überschussbeteiligungen sind von Jahr zu Jahr gesunken. Alles richtig gemacht hat in der Vergangenheit, wer noch mit hohen Garantiezinsen, mit jährlicher dynamischer Anpassung und mit staatlicher Förderung wie bei Riester und Rürup abgeschlossen hat. Denn ausbleibende Zinsen sowie anziehende Inflation werden so zumindest teilweise kompensiert. Interessant ist die Perspektive bei steigendem Zins. Garantieprodukte erleben möglicherweise eine Renaissance, und Riester könnte vor dem Comeback stehen. Die Lebensversicherer werden früher oder später wieder Überschussbeteiligungen gutschreiben und die Garantiezinsen anheben können. Ob dies ausreichen wird, Inflation und damit einhergehenden Wertverlust auszugleichen?
Gold – ein sicherer Hafen?
Gold hat den Ruf, inflationsfest und krisensicher zu sein. Heute also beste Voraussetzung für die Anlage von Geld in Edelmetall. Der Kurs hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Der Blick auf das langfristige Kurschart zeigt aber: Die Schwankungen können erheblich sein. Und Gold wirft weder Zinsen noch Dividenden ab. Dennoch, so eine alte Faustregel, kann eine Beimischung von um die 10 Prozent ratsam sein.
Und wer Gold aus emotionalen Gründen kauft oder eine Münze oder einen Barren verschenken will, sollte nicht zögern. Einzige Bedingungen: Die Altersvorsorge ist bereits auskömmlich geregelt, der Lebensunterhalt ist gewährleistet und die Schulden sind abbezahlt.
An Aktien führt kein Weg vorbei
Wirkungsvoller bei steigender Inflation ist die stärkere Einbindung des Aktienmarkts in die Altersvorsorge, da dieser in gewissem Maße der Inflation trotzen kann. Viele Unternehmen können steigende Kosten auf der Einkaufsseite über die Verkaufspreise an ihre Kunden weitergeben und so auch in Inflationszeiten Gewinne und Dividenden real halten sowie Kurssteigerungen realisieren. Immer mehr Sparer sehen diese Vorzüge. Die Zahl der Fondssparpläne und fondsgebundenen Lebensversicherungen wächst seit Jahren stetig. Und dieser Trend zu aktienbasierten Anlagen hat sich ganz ohne staatliches Zutun aufgebaut. Das lässt erahnen, was bei einer aktiven Förderung möglich wäre. Beispielsweise durch steuerliche Anreize oder direkte finanzielle Zulagen. Und allemal besser als die Diskussion über neue Staatsfonds.
Kluge Investments versprechen auch in diesen unsicheren Zeiten eine langfristig stabile Geldanlage. Wer sich allerdings in einer Welt von Inflation, Niedrigzinsen und Börsenturbulenzen eigenständig und ohne ausreichendes Wissen mit der Zusammenstellung und der marktkonformen Pflege eines Portfolios versucht, kann schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Ein normaler Verbraucher braucht dafür Fachleute und kompetente Beratung.
Lebensstandard ohne konsequentes politisches Handeln gefährdet
Die hohe Inflation und dahinter zurückbleibende Lohnsteigerungen bergen die Gefahr, dass private Haushalte wegen der Verteuerung des lebensnotwendigen Konsums laufende Vorsorge- und Sparverträge nicht mehr bedienen und keinen neuen mehr abschließen können. Die Folgen wären abnehmende Sparquoten und ein sinkendes Alterssicherungsniveau der Bevölkerung. Das gesamte Alterssicherungssystem in Deutschland braucht deshalb eine Überprüfung auf Inflationsresistenz. Erforderliche politische Maßnahmen müssen zügig angegangen und umgesetzt werden. Staatliche Förderung kann Wertverlust teilweise kompensieren. Zulagen wie bei Riester, Steuervorteile bei Lebensversicherungen oder die Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen bei betrieblichen Vorsorgelösungen wirken renditesteigernd.
Umfrageergebnisse des Diva zeigen, dass Menschen in den unteren Einkommensschichten persönliche Finanzberatung mehr als andere Beratungswege suchen, nicht zuletzt auch wegen der massenhaften Schließungen von Bank- und Sparkassenfilialen in der Fläche. Es ist deshalb sozialpolitisch sinnvoll, der professionellen Vermögensberatung den Rücken zu stärken. Denn sie führt die breite Bevölkerung an langfristiges aktienbasiertes Sparen heran, fördert die Bereitschaft für die eigene Altersabsicherung und reduziert Inflationsrisiken bei Geldanlageentscheidungen.
Michael Heuser ist wissenschaftlicher Direktor des Diva.