Die private Krankenversicherung besinnt sich wieder auf ihre alten Tugenden. Statt Kunden über den Preis zu ködern, sollen nun wieder die Leistungsstärke und die Unterschiede zur gesetzlichen Versicherung ins Schaufenster gestellt werden.
Den Auslöser für den Sinneswandel lieferte die DKV, die Ende Juni erklärte, dass sie sich bis zum Jahresende aus dem Segment der Billigtarife zurückziehen werde. Man habe begriffen, dass der Weg über den günstigen Preis in der PKV nicht der richtige ist, erklärte DKV-Vorstand Clemens Muth. Er hält eine Debatte über den Mindestleistungsumfang in der privaten Krankenversicherung für geboten. Als Marktführer müsse man dabei vorangehen.
Es dauerte gar nicht lange, bis sich der nächste Aussteiger meldete. Im Juli zog die Central die Reißleine und stellte ab dem 1. August in dem erst 2009 eingeführten Tarifwerk „Vario“ die untere Produktlinie „Ecoline“ ein. Der Versicherer reagierte damit noch radikaler als die DKV. „Warum noch vier Monate warten, wenn die Entscheidung klar ist?“, begründete Generali-Deutschlandchef Dietmar Meister die Entscheidung.
Einsteigertarife für mehr Umsatz
Bei der Central war die Aufgabe der Einsteigertarife zugleich mit einem generellen Strategiewechsel verbunden. Einige Wochen zuvor hatte Joachim von Rieth den Vorstand des Unternehmens verlassen, weil es Differenzen über dessen künftige Ausrichtung gab. Die Central wuchs gerade durch die Billigtarife in den zurückliegenden Jahren stärker als der Branchendurchschnitt.
Aber nicht nur die Central, auch andere Versicherer haben Einsteigertarife zur Ankurbelung ihres Neugeschäfts benutzt. Nicht selten wurden sie mit viel Werberummel für 70 oder 80 Euro angeboten. Die PKV-Branche hatte damit auf den gebremsten Neugeschäftszugang reagiert und versucht, sich neue Kundengruppen zu erschließen.
Doch diese Superbillig-Tarife taugen nicht viel: vergleichsweise hohe Eigenbeteiligung bei den Heilmitteln, gekappte Regelhöchstsätze bei der Erstattung, GKV-Standard im Krankenhaus, minimale Leistungen in der Psychotherapie. In einigen Bereichen liegen die Leistungen sogar unter denen der gesetzlichen Krankenversicherung. „Vollkasko zum halben Preis gibt es nun einmal nicht. Ich kenne kein Auto, bei dem die Benzinkosten sinken, wenn man Vollgas gibt“, zieht Gerd Güssler, Geschäftsführer der KVpro.de GmbH in Freiburg, einem Anbieter von Vergleichssoftware für die private Krankenversicherung, einen anschaulichen Vergleich.
„Unter dem Strich zahlen die Kunden in diesen Tarifen drauf“, fügt er hinzu. Die Experten von KVpro haben es nachgerechnet. Die Barmenia warb im vergangenen Jahr auf Bahnhöfen mit großen Plakaten für ihren Einsteigertarif „easyflex start“. Selbst wenn der Kunde die Optionen für einen Umstieg auf einen höherwertigen Tarif nach drei, fünf oder sieben Jahren nutzt, zahlt er drauf im Vergleich zur sofortigen Versicherung in einem Komforttarif mit besseren Leistungen.
Beim Wechsel nach drei Jahren sind es bis zum Endalter 85 16.700 Euro, beim Umstieg nach sieben Jahren sogar 39.000 Euro mehr. Außerdem erweisen sich Billigtarife häufig als Zeitbomben bei späteren Beitragsanhebungen. Auch dafür hat KVpro ein Beispiel parat. Der erste Billigtarif, der Colonia EL, verteuerte sich für einen 35-Jährigen im Laufe von 16 Jahren um 180 Prozent.
Seite 2: Einsteigertarife sollten nur für die Anlaufphase gelten