Das Problem der aktuellen Bedarfe
Das andere Themen wie Arbeitskraftabsicherung, Kfz- oder Hausrat eine höhere Priorität haben, liegt häufig am akuten und aktuellen Bedarf der Kunden. Somit rückt der Pflegeaspekt oftmals in den Hintergrund“, sekundiert Christine Schönteich, Mitglied der Geschäftsleitung beim Maklerpool Fonds Finanz und verantwortlich für den Geschäftsbereich Insurance. Hinzu komme, dass das Themenfeld derart komplex ist, dass sich unbetroffene Kunden kaum freiwillig damit auseinandersetzen, so die Expertin. Darüber hinaus gebe es beim Thema Pflege so etwas wie einen Verdrängungswettbewerb: „Gedanken wie der ,Staat wird es schon richten’, ,ist noch lange hin’, ,mich wird es schon nicht treffen’ oder ,meine Familie wird mich schon pflegen’ sind an der Tagesordnung“, so Schönteich. Und führen dazu, dass die Menschen das Thema beständig nach hinten schieben.
Die Versicherer versuchen gegenzusteuern: „Unsere Vermittler wissen, dass eine fachlich kompetente, ganzheitliche Beratung heute nicht mehr ohne das Thema Pflegeabsicherung zu erreichen ist. Deshalb gehört die Absicherung im Pflegefall auch zum Pflichtprogramm. Ich leugne nicht, dass es eine große Herausforderung darstellt, aber wir müssen sie annehmen. Wir müssen den Menschen unbedingt vermitteln, dass die gesetzliche Pflegeversicherung nur einen Teil der Kosten abdeckt und es so zu einer Finanzierungslücke kommt, die sich bei stationärer Pflege ganz schnell auf über 2.000 Euro monatlich summieren kann. Eine Finanzierungslücke, die sich allein mit Rente und Erspartem häufig nicht ausgleichen lässt. Dieses Bewusstsein müssen wir schaffen – bei unseren Vermittlern und über diese bei unseren Kunden“, sagt Barmenia-Vertriebsvorstand Frank Lamsfuß.
Auch SDK-Vertriebs- und Marketingvorstand Olaf Engemann sieht beim Vertrieb keine ablehnende Haltung gegenüber der Pflege und Pflegeversicherung. „Im Gegenteil. Die Pflegeabsicherung ist bei der SDK schon seit Jahren eines der Hauptthemen bei der Vermittlung.“ Aber gleichwohl muss – wie bei den Kunden selbst – auch dort Aufklärungsarbeit geleistet werden, sagt er gegenüber Cash. „Natürlich bringt eine Pflegezusatzversicherung rein finanziell nicht so viel ein, wie eine Krankheitskostenvollversicherung.
Das Pflegerisiko gehört zu einer ganzheitlichen Beratung
Aber Ziel sollte es schließlich sein, den Kunden in Bezug auf die Absicherung seiner Gesundheit ganzheitlich zu beraten und zu unterstützen. Da gehört die Krankenversicherung dazu. Da gehört aber auch die Absicherung des Pflegerisikos dazu“, so Engemann. Das müsse man den Vermittlern wie Kunden gleichermaßen verdeutlichen. „Wir sind da auf einem guten Weg.“ Mit Präsenz- und Onlineschulungen, Beratungskonzepten und Videotools oder Roadshows versuchen private Krankenversicherer wie die SDK, Barmenia, Hallesche, Münchener Verein oder Maklerpools wie Fonds Finanz die Vermittler daher beim Thema Pflege bestmöglich zu unterstützen.
Neben Produktseminaren stehen bei Fonds Finanz etwa Produktberater im Backoffice für detaillierte Nachfragen zur Verfügung. War die Beratung bei der Pflegeabsicherung bereits herausfordernd, dürfte die Coronapandemie bei dem komplexen Thema die Latte für die Vermittler nochmals ein Stück höher gelegt haben.
Doch die Pflegeversicherung lässt sich sehr wohl digital vermitteln. „Wir haben erkannt, dass sich unsere Makler sehr schnell mit der digitalen Beratung vertraut gemacht haben und sie bis heute intensiv nutzen. Dabei funktioniert der digitale Beratungsansatz auch für komplexe Themen wie für die Pflege sehr gut. Insgesamt nehmen wir durch die regelmäßige Nutzung der Online-Beratung eine zunehmende Professionalität und Kreativität unserer Makler wahr“, bestätigt Schönteich.
Der digitale Beratungsansatz funktioniert in der Pflegeversicherung
In der Tat bestätigen alle Versicherer gegenüber Cash., dass der digitale Beratungsansatz bei Thema Pflege sehr gut funktioniert. Auch weil die Unternehmen bereits vor der Pandemie in die Online-Absatzsstrecken investiert hatten. „Die Digitalisierung der Beratung hatten wir schon vor Corona im Blick“, sagt etwa SDK-Vertriebsvorstand Engemann. „Wir haben frühzeitig unsere Außendienstmannschaft mit einer Videoberatungssoftware ausgestattet und zum Jahresstart außerdem eine Online-Absatzstrecke für die Pflegezusatzversicherung gelauncht. Im Pflegebereich setzen wir neben den klassischen Beratungsunterlagen auf Pflege-Lückenrechner und kleine Beratungsvideos. Die können online sehr gut eingesetzt werden und bringen die Thematik anschaulich rüber“, sagt Engemann.
Auch die Barmenia und die Hallesche haben mit dem digitalen Vertriebsansatz bei Thema Pflege überaus positive Erfahrungen gemacht. Kundengespräche können bei Bedarf auch gut virtuell geführt werden, bestätigt Barmenia-Vertriebsvorstand Lamsfuß. „Analoges einfach nur digital abzubilden, reicht dabei allerdings nicht aus.“ Gerade in der kontaktlosen Beratung sei es besonders wichtig, sprachliche und körpersprachliche Signale der Gesprächsteilnehmer wahrzunehmen und zu hinterfragen.
„Neben dieser Kompetenz sind die sichere Bedienung der Videoberatungstools und – wie bisher in analogen Beratungssituationen – auch weiterhin Fachwissen, konkrete Bedarfsermittlung und die verständliche Darstellung einer bedarfsgerechten Lösung unerlässlich“, so Lamsfuß. „Die Hallesche hatte bereits vor der Pandemie auf digitale Tools für die Pflegeberatung umgestellt und mit der Pandemie das Angebot dann erweitert“, ergänzt ALH-Vertriebsvorstand Kettnaker.
Zudem scheint die Corona-Pandemie die Sensibilität der Menschen zu erhöhen: Münchener Verein CEO Reitzler registriert aktuell im Vertrieb ein deutlich gestiegenes Interesse beim Thema Pflege. „Wir kommunizieren mit unseren Vertriebspartnern verstärkt über Videotools und Online-Schulungen.“ Bei der letzten Profino-Onlineschulung zur Deutschen Privat Pflege habe man über 1.000 Teilnehmer gehabt. „Ein Riesenerfolg“, so Reitzler. Zudem profitiere man davon, dass man als einer der wenigen Versicherer einen Online-Abschluss für Pflege ohne Gesundheitsprüfung anbiete.
Es gibt kein richtig oder falsch
Doch welches Produkt, welche Variante, empfiehlt sich? „Es gibt kein richtig oder falsch, alles ist besser, als sich nicht abzusichern“, erklärt Andreas Ludwig, Bereichsleiter Analyse & Rating beim Hofheimer Analysehaus Morgen & Morgen. Für die private Zusatzabsicherung im Pflegefall stehen drei Produktformen zur Auswahl: Die Pflegetagegeld-Versicherung, wozu auch die staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung gehört, und die Pflegekosten-Versicherung. Am weitesten verbreitet sind Pflegetagegeld-Versicherungen. Dahinter, obwohl erst 2013 eingeführt, rangiert die geförderte Pflegezusatzversicherung, der so genannte „Pflege-Bahr“(in Anlehung an den ehemaligen Gesundheitsminister Daniel Bahr), auf Rang zwei. Dagegen spielt die Pflegekostenversicherung eine zunehmend untergeordnete Rolle.
„Wenn es die Gesundheit nicht mehr zulässt, ist der Pflege-Bahr immer die richtige Wahl, da hier keine Gesundheitsprüfung stattfindet“, erklärt Morgen-Morgen-Bereichsleiter Ludwig. Damit sei wirklich jeder im Pflege-Bahr-Tarif versicherbar. Wer also bereits Vorerkrankungen hat, kann und sollte auf jeden Fall den Pflegebahr abschließen. Der Staat fördert den Pflege-Bahr mit jährlich bis zu 60 Euro – fünf Euro monatlich.
Allerdings ist die Leistungshöhe auf monatlich 600 Euro begrenzt. Zu beachten ist zudem, dass die Pflege-Bahr-Tarife fast immer eine Karenzzeit von fünf Jahren enthalten. „Erst nach Ablauf dieser Zeitspanne können pflegebedürftige Versicherungsnehmer tatsächlich Leistungen aus der Versicherung beziehen. Aus unserer Sicht empfiehlt sich gegebenenfalls eine geeignete Kombination aus Pflege-Bahr und Pflegetagegeld-Versicherung, da Kunden so eine staatliche Förderung für den Pflege-Bahr erhalten und von dem besseren Leistungsumfang der Pflegetagegeld-Versicherung profitieren“, sekundiert SDK-Vertriebsvorstand Engemann.
Warum der Pflege-Bahr ein guter Ansatz ist
Wenn es die Gesundheit nicht mehr zulässt, ist der Pflege-Bahr immer die richtige Wahl, da hier keine Gesundheitsprüfung erfolgt.
Pflegerentenversicherung und Pflegetagegeld- oder monatsgeld zahlen bei Leistungseintritt unabhängig von den tatsächlichen Kosten der Fach- oder Laienpflege die vereinbarte monatliche Leistung. „Diese Leistung steht dem Versicherten im Pflegefall zu und ist zur dessen freien Verfügung. Kann also für Eigenanteil im Pflegeheim, für Verpflegung, aber auch für Freizeit verwendet werden“, erklärt Ascore-Geschäftsführerin Ludwig.
Sowohl Beitrag als auch Rente sind bei der Pflegerente garantiert. Ab Leistungsbeginn erhält man zusätzlich einen Bonus aus der Überschussbeteiligung. „Bei den Pflegetagegeldtarifen kann der Beitrag beispielsweise aufgrund von höheren Leistungen als erwartet, angepasst oder erhöht werden. Der Tages- beziehungsweise Monatssatz ist aber auch hier garantiert. Die Pflegerenten gewähren bei jeder Leistung eines Pflegegrades Beitragsbefreiung, die Pflegetagegeldversicherung häufig erst ab Pflegegrad 4“, erläutert Pflegeexpertin Ludwig.
Diese beiden Punkte seien die wesentlichen Ursachen dafür, dass die Pflegetagegeldtarife oft um einiges günstiger als die Pflegerententarife seien. Laut Ludwig sind Pflegerenten und Pflegetagegeldtarife qualitativ auf Augenhöhe, auch wenn in Pflegetagegeldversicherung viele Tarife flexibler in der Zusammenstellung der Leistungshöhen seien.
„So kann zum Beispiel für stationäre Leistung häufig eine höhere Leistung gewählt werden oder sie ist bereits automatisch eingeschlossen. Wer daher jeder Beitragsanpassung aus dem Weg gehen möchte und garantierte Beiträge für die gesamte Laufzeit schätzt, ist in der Pflegerente besser aufgehoben. Wem dagegen günstigere Beiträge und etwas mehr Flexibilität wichtig sind, ist in der Pflegetagegeldversicherung besser aufgehoben“, so der Ratschlag der Expertin
Die Frage des richtigen Zeitpunkts
Bleibt noch die Frage, nach dem richtigen Zeitpunkt: „Je jünger man ist, desto gesünder ist man und die Wahrscheinlichkeit, eine Absicherung zu bekommen, ist am höchsten. Zudem steigen die Beiträge mit jedem Jahr, dass man verstreichen lässt. So gesehen ist ein frühzeitiger Abschluss auch ein kleiner Teil Altersvorsorge, da man durchgehend niedrigere Beiträge zahlt, als wenn man bis ins höhere Alter wartet“, sagt Morgen & Morgen-Bereichsleiter Ludwig.
Die Corona-Pandemie zeigt, wie verwundbar die Menschnen sind. Das Thema Gesundheit erhält einen ganz anderen Stellenwert. Vor dem Hintergrund scheint auch Sensibilität für das Thema Pflege zu wachsen. „Das zeigt sich vor allem daran, dass immer mehr Versicherer ihr Portfolio durch selbständige Pflegeversicherungen erweitern“, sagt Fonds Finanz Geschäftsführerin Schönteich. Zudem würden die Produkte zunehmend flexibler sowie innovativer und ließen sich durch Bausteine an veränderte Lebenssituationen anpassen.
„Diese Flexibilität müsste jeden Vermittler freuen, kann er so für seine Kunden einen maßgeschneiderten Schutz zusammenstellen“, ergänzt Ellen Ludwig. „Das Virus hat uns gezeigt, wie angreifbar unsere Gesellschaft sein kann und demzufolge nimmt das Bedürfnis nach Sicherheit bei vielen Menschen sehr viel Raum ein. Dieser Trend ist ein bedeutendes Verkaufsargument – nicht zuletzt für die Pflegeversicherung“, lautet denn auch das Fazit von Schönteich. Eine Steilvorlage für den Vertrieb. (dr)