Project Pleite: Was für ein Mist!

Foto: Anna Mutter
Stefan Löwer leitet das Cash.-Ressort Immobilien & Sachwertanlagen und ist Geschäftsführer von G.U.B. Analyse Finanzresearch.

Die Insolvenz des größten Teils der Project Immobilien Gruppe ist nicht nur für unmittelbar Betroffene wie Wohnungskäufer und Fondsanleger eine schlechte Nachricht. Sondern für die gesamte Sachwert-Branche. Ein Kommentar von Stefan Löwer, Cash.

Vor wenigen Wochen noch habe ich mich über die ausgeprägte Newsflaute ausgelassen, die in der Branche der Sachwertanlagen seit einiger Zeit zu verzeichnen ist. Aber immerhin habe es zuletzt auch wenig negative Nachrichten gegeben, so die Feststellung. Die Branche sei einfach so ruhig wie selten.

Und dann das: In der vergangenen Woche melden drei zentrale Unternehmen der Project Immobilien Gruppe Insolvenz an. Die vorläufigen Insolvenzverwalter kündigen an, dass die Holding „kurzfristig“ folgen werde. Ein Beben – nicht nur für die Immobilien-, sondern auch für die Branche der alternativen Investmentfonds (AIFs). Darauf hätten wir gerne verzichten können.

Denn Project ist nicht irgendwer. Project Immobilien zählt mittlerweile zu den großen Wohnungsbau-Projektentwicklern in Deutschland (und baut gelegentlich auch Gewerbeobjekte). Finanziert werden die Vorhaben über Fonds von Project Investment. Beide Sparten sind zwar formal voneinander getrennt, aber über den Gesellschafterkreis und vor allem durch die Projekte in den Fonds eng miteinander verbunden. Seit 1995 schon besteht die Kooperation und war über 25 Jahre erfolgreich. Nun hat die Baukostenexplosion seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 und wohl auch der Käufer-Streik nach dem steilen Zinsanstieg des vergangenen Jahres den Projektentwickler offenbar überfordert. 

Für die gesamte AIF-Branche ein Tiefschlag

Was nun zunächst passiert, ist vorhersehbar: Bauunternehmen und Handwerker stellen die Arbeit ein, transportieren womöglich noch nicht verbautes Material ab. Wohnungskäufer bangen um ihre Anzahlungen, die Presse berichtet entsprechend breit. Anlegeranwälte bringen sich in Stellung, auch in Bezug auf die Fonds und deren Vertrieb. Allerlei Wichtigtuer, die hinterher alles vorher gewusst haben wollen, drängeln sich nach vorn. Verbraucherschützer schwafeln von „grauem Kapitalmarkt“.

So wird die Sache auch für die gesamte AIF-Branche ein Tiefschlag. Schließlich sind Publikums-AIFs „weiße“ Produkte mit einem strengen gesetzlichen Rahmen, Project Investment ist eine von der BaFin zugelassene und überwachte Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG), eine externe Verwahrstelle wacht über die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel. Das entsprechende Gesetz, das KAGB also, hatte gerade seinen zehnten Geburtstag und wird (jedenfalls von der verbliebenen Branche) allgemein als Erfolgsgeschichte angesehen – bis jetzt. Nun werden erneut diejenigen Auftrieb bekommen, die nicht akzeptieren, dass es auch in einer regulierten Welt unternehmerische Risiken gibt und das Debakel der Rechtsform AIF und damit der gesamten Branche anlasten. Was für ein Mist.

Der Fall Project wird das Segment noch lange beschäftigen. Die Folgen für die Project-Fonds und ihre Anleger sind zwar noch nicht im Detail absehbar, aber es kann als sicher gelten, dass sie nicht ungeschoren davonkommen. Zwar sind die Fonds durchweg nur mit Eigenkapital finanziert und wahrscheinlich nicht unmittelbar insolvenz-gefährdert, aber sie sitzen nun womöglich auf einem Berg von halbfertigen Projekten. Die wichtigste Frage wird vermutlich zunächst sein, wie die Verträge im Detail konstruiert sind, wer also wem Geld oder Leistungen schuldet, was mit den Anzahlungen der Fonds und der Wohnungskäufer ist, wem genau die begonnenen Projekte gehören und ob beziehungsweise mit welchen Mehrkosten es gelingt, sie noch abzuschließen. 

Knäuel aufzudröseln

Wie schwierig es vielleicht sein wird, das Knäuel aufzudröseln, lässt ein Blick in die Jahresberichte der Fonds ahnen, zum Beispiel des Fonds Metropolen 16, der im Juni 2018 mit einem Platzierungsvolumen von gut 152 Millionen Euro Eigenkapital geschlossen wurde. 

Demnach erfolgten die Investitionen über zwei Tochtergesellschaften (für Deutschland und Österreich) in eine Vielzahl von Objektgesellschaften. Ende 2021 (jüngere Zahlen liegen nicht vor) war der Fonds an nicht weniger als 58 Objektgesellschaften für Projekte in Deutschland und acht für Projekte in Österreich beteiligt. Die Beteiligungsquoten lagen zwischen 0,13 Prozent und 78,13 Prozent, überwiegend im Bereich zwischen zehn und 40 Prozent. Den Rest hielten vermutlich andere Project Fonds, soweit bekannt meistens mehrere. 

18 der Projekte waren schon vollständig verkauft, aber noch nicht fertig gebaut, in elf Fällen war nur die Entwicklung des Grundstücks und dessen Weiterkauf ohne Bau geplant. Bei 15 Projekten hatten offenbar sowohl Verkauf als auch Bau noch nicht begonnen, in zwei Fällen war die Rückabwicklung geplant. Die anderen Projekte wiesen unterschiedliche Verkaufs- und Bautenstände auf, wobei der Verkaufsstand in fast allen Fällen über dem Bautenstand lag.

Sehr viele und sehr unterschiedliche Konstellationen

Es sind also sehr viele und sehr unterschiedliche Konstellationen aufzudröseln und es muss für jedes Projekt beziehungsweise jede Projektgesellschaft vermutlich eine individuelle Lösung gefunden werden, die sowohl die Interessen von Wohnungskäufern, Bauunternehmen, Handwerkern und Fondanlegern als auch der sonstigen Gläubiger der insolventen Project Immobilien Unternehmen berücksichtigt. Das wird sicher einige Zeit dauern. 

Auf Ebene des Fonds kommt hinzu, dass es beim Metropolen 16 drei Anlageklassen gibt, also drei verschiedenen Beteiligungsmöglichkeiten: Mit jährlichen Entnahmen der betreffenden Anleger von null, vier oder sechs Prozent ihrer Einlage. Das erschwert die sachgerechte Zurechnung der Ergebnisse auf Fondsebene zusätzlich. Andere Project Fonds sahen auch monatliche Ratenzahlungen vor.

Es bleibt zu hoffen, dass sich wenigstens herausstellt, dass alles korrekt gelaufen und abgerechnet worden ist, dass also die KVG alle Vorschriften beachtet und die Verwahrstelle ihren Job richtig gemacht hat. Abzuwarten bleibt, inwieweit Verluste für die Fondsanleger durch Verkauf oder Fertigstellung der angefangenen Projekte eingedämmt oder sogar ganz vermieden werden können und ob beziehungsweise in welcher Richtung die BaFin aktiv wird. Und am Ende steht – für den Rest der Branche – wahrscheinlich auch die Antwort auf die Frage: Hat sich das KAGB in einer solchen Situation bewährt oder nicht?

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