Provisionsverbot: Das Märchen vom edlen Ritter

Foto: Anna Mutter
Stefan Löwer, Cash.-Redaktion

Das auf EU-Ebene diskutierte Verbot von Provisionen im Finanzvertrieb schlägt weiter hohe Wellen. Die Argumente für und wider sind umfangreich ausgetauscht. Doch ein wesentlicher Punkt findet – auf beiden Seiten – kaum Beachtung. Ein Kommentar von Stefan Löwer, Cash.

Seit Ende 2022 bekannt geworden ist, dass EU-Kommissarin Mairead McGuinness im Rahmen einer neuen Kleinanlegerschutz-Strategie vorschlagen will, dass Provisionen in der Finanzberatung europaweit verboten werden, kochen die Emotionen hoch. Kein Wunder, denn für viele Finanzdienstleister, die auf Provisionsbasis arbeiten, geht es um nicht weniger als die Existenz.

Als Alternative preisen die Befürworter des Provisionsverbots Honorarberatung an, da diese unabhängig von Provisionsinteressen allein im Interesse der Kunden erfolgen könne. Die Gegner halten regelmäßig dagegen, dass dann große Teile gerade der Kleinanleger von qualifizierter Finanzberatung ausgeschlossen seien, weil sie sich das Honorar nicht leisten können oder wollen (oder es in Relation zur Anlagesumme schlicht keinen Sinn macht).

Zudem hätten auch Provisionsberater Interesse an langfristigen Kundenbeziehungen sowie Weiterempfehlungen und damit an seriöser Beratung und erfolgreichen Anlagen – und eben nicht am schnellen Geschäft. Sie seien heute ohnehin gut ausgebildet, zu hoher Transparenz verpflichtet und außerdem könne sich die Kundschaft schließlich auch heute schon für Honorarberatung entscheiden, wenn er oder sie es denn wolle. So weit, so bekannt.

Außer Anekdoten und Behauptungen keinerlei Belege

Doch die zentrale Behauptung und Grundannahme, die von Verbraucherschützern durchweg offen oder stillschweigend als gegeben vorausgesetzt wird, spielt in der Diskussion meistens kaum eine Rolle: Sofern sie in Anspruch genommen wird, liefert Honorarberatung wegen der Interessenlage bessere Ergebnisse, so der angenommene Automatismus. Das stellen in der Regel auch die Gegner des Provisionsverbots nicht in Frage, jedenfalls nicht explizit. Sie nehmen die Behauptung meistens einfach hin und konzentrieren sich regelmäßig nur darauf, dass ohne Provisionen ein Großteil der Kunden überhaupt keine professionelle Finanzberatung mehr erhält.

Doch auch dafür, dass Honorarberatung für diejenigen, die sie dann tatsächlich in Anspruch nehmen, generell besser sein soll, gibt es keinerlei schlüssige Marktuntersuchungen oder gar wissenschaftliche Beweise. Vielmehr handelt es sich nur um Anekdoten, nicht belegte Behauptungen und theoretische Überlegungen. Das betrifft sowohl die Kosten als auch die Qualität der Anlageempfehlungen und erst recht die späteren Ergebnisse der empfohlenen Anlagestrategien. Auch Untersuchungen aus anderen Ländern, in denen bereits ein Provisionsverbot besteht, geben dazu nicht viel her.

Umso unverständlicher ist, dass die Gegner des Provisionsverbots nicht vehementer Belege für bessere Ergebnisse durch (durchgeführte) Honorarberatungen – einschließlich natürlich der Kosten dafür –einfordern beziehungsweise nicht deutlicher darauf hinweisen, dass es sie nicht gibt. Und darauf, dass die Behauptung noch nicht einmal plausibel ist.

Honorarberater keineswegs automatisch edle Ritter

Denn sie geht von der Vorstellung aus, dass Honorarberater sich stets selbstlos allein für das Wohl des Kunden einsetzen. Solche Wohltäter mag es in Einzelfällen vielleicht geben, dass sie die Regel sein sollen gehört jedoch ins Reich der Fantasie und ist eine naive Wunschvorstellung, der das reale Geschäftsleben nur ziemlich selten entspricht. Ein Märchen also.

Schließlich sind auch Honorarberater keineswegs automatisch edle Ritter. Es trifft zwar zu, dass sie ohne Provisionsinteresse handeln können. Aber auch sie haben natürlich eigene Interessen. Diese decken sich – erst recht bei den gleichen Charakterzügen, die Provisionsberatern als Normalfall unterstellt werden – genauso viel oder wenig mit denen der Kunden.

Verbraucherschützer zeichnen regelmäßig das Bild des provisions-geilen Finanzhais, der allein auf das schnelle Geschäft aus ist und den Kunden skrupellos nur unnütze oder riskante Anlagen mit der höchsten Provision aufschwatzt. Ausgehend von dem gleichen düsteren Menschenbild ist indes auch das Interesse des Honorarberaters keineswegs der Kunde, sondern nur eines: Die Maximierung seines Honorars.

Was also wird er tun? Zunächst muss er dem Kunden vorgaukeln, allein in dessen Interesse zu handeln und überdies über irgendein Geheimwissen zu verfügen, um überhaupt an den Auftrag zu kommen. Dabei muss der Honorarberater sogar noch dicker auftragen als ein Provisionsberater, denn der Kunde muss sofort Geld in die Hand nehmen und kann sich die Sache nicht erst einmal anhören. In Wirklichkeit hat der Berater jedoch nur sein Honorar im Blick – und auch dieses Geschäft wird ohne Anschlussaufträge kaum erfolgreich sein.

Auch Honorarberater können Risiken nicht wegzaubern

Der Berater wird also möglichst oft Handlungsbedarf behaupten und entsprechende Umschichtungen empfehlen – entweder um jeweils den Zeitaufwand abrechnen zu können oder um ein laufendes Honorar in Form einer regelmäßigen Gebühr beziehungsweise eines Prozentsatzes des Vermögens zu rechtfertigen. Jedenfalls ist kaum

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