Die Geschäftswelt hat sich im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung gewandelt. Sie ist schnelllebiger, volatiler und komplexer als je zuvor. Die Nachfragesituation kann sich innerhalb kürzester Zeit ändern. Gleiches gilt für die Warenversorgung entlang der Supply Chain. Weiterhin mehren sich Ausnahmesituationen, die höchste Flexibilität von Unternehmen fordern. Wer in diesen von Risiken und Unsicherheiten geprägten Zeiten nicht präzise prognostizieren kann, wie sich seine Liquiditätslage in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten darstellt, riskiert seine Existenz.
Gerade in größeren Unternehmen kann es daher nicht mehr zielführend sein, alle notwendigen Informationen für die Cashflow- und Liquiditätsplanung aus unterschiedlichsten Quellen manuell zu sammeln und in Excel-Tabellen zu konsolidieren. Zu groß sind der Aufwand und vor allen Dingen das Fehlerpotenzial. Bereits ein kleiner Formelfehler kann beispielsweise zu fatalen Fehleinschätzungen führen. Es ist daher naheliegend, bei der Liquiditätsplanung auf innovative Software-Tools zu setzen. PSD2 hat hierfür die Voraussetzungen geschaffen.
PSD2: Der Startschuss für künstliche Intelligenz in der Liquiditätsplanung
Seit dem 13. Januar 2018 fördert und fordert die Payment Services Directive II, kurz PSD2, das EU-weite Aufbrechen der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie. Neben der Erhöhung der Sicherheit, der Stärkung des Verbraucherschutzes und der Wettbewerbsgleichheit schafft die Richtlinie alle notwendigen Voraussetzungen für neue Geschäftsmodelle und Software-Lösungen, die auf Kontodaten basieren. Denn die Banken sind nun verpflichtet, Informationen zu Kundentransaktionen für die Nutzung durch Drittanbieter via Programmierschnittstelle (API) bereitzustellen.
Hieraus ergeben sich auch für den Bereich der Liquiditätsplanung massive Chancen. Dies gilt besonders im Hinblick auf KI-gestützte Forecasts – auch Predictive Analytics genannt. Hierzu muss man wissen, wie ein KI-Algorithmus grundsätzlich funktioniert: Vor seinem produktiven Einsatz muss er trainiert werden. Dafür benötigt er möglichst umfangreiches Trainingsmaterial in Form historischer Daten. Im Falle von Cash Forecasts sind dies Transaktionsdaten von Bankkonten. Dank PSD2 können diese nun ohne Probleme von der Bank an KI-Liquiditätsplanungstools übergeben werden.
In den Bankdaten kann künstliche Intelligenz mit der Zeit bestimmte Muster und Zusammenhänge identifizieren. So braucht es nicht einmal ausgefeilte Algorithmen, um etwa wiederkehrende Auszahlungen wie Gehälter und Löhne zu erkennen. Komplexer wird es, wenn zusätzlich beispielsweise das Zahlungsverhalten der Kunden vorhergesagt werden soll. In diesem Fall müssen auch externe Daten wie branchenbezogene Indizes, der Konsumklimaindex, der Ölpreis oder auch unstrukturierte Daten wie Tweets in die Analysen einfließen. Die technischen Möglichkeiten einer solch umfassenden Datenbetrachtung existieren schon heute.
Ausblick: Liquiditätsplanungssysteme werden zum Standard
Eine fundierte Liquiditätsplanung ist nicht nur im Krisenmodus wichtig. Auch die langfristigen Erfolge und die Unternehmensnachfolge hängt in besonderem Maße von der Cash-Situation eines Unternehmens ab. Aufgrund dieser Fakten werden sich Liquiditätsplanungssysteme in den kommenden Jahren flächendeckend durchsetzen. Besonders aussichtsreich sind Lösungen, die Daten aus unterschiedlichen Quellen nicht nur zusammenführen, sondern sie mithilfe künstlicher Intelligenz auch in präzise Prognosen verwandeln. Unternehmer können dank solcher Tools deutlich ruhiger schlafen. Und auch die Nachfolge wird unproblematischer, da die Gefahr minimiert wird, Schulden zu übergeben.
Autor Jürgen Faè ist Founder und CEO der Commitly GmbH, einem Cloud-Dienstleister für Cashflow-Management für KMUs in Deutschland.