Bei der Wertentwicklung bilden die Schwellenländer im Vergleich zu den Anlageregionen USA, Europa und Japan in diesem Jahr das Schlusslicht. Der MSCI Emerging Markets Index liegt auf Jahressicht mit rund neun Prozent auf US-Dollar-Basis im Minus. Nach Meinung der Quirin Bank sollte die Lage jedoch nicht zu negativ betrachtet werden.
Unter Hinzurechnung des Dollargewinns gegenüber dem Euro bleibt aus Sicht eines in Euroland beheimateten Anlegers immer noch ein Minus von ca. drei Prozent. Nach Ansicht von Arndt Kussmann, Leiter Portfolio Solutions der Quirin Bank, könnten sich Aktienengagements in Schwellenländern jedoch langfristig sogar als lohnenswert erweisen. Acht Gründe sprechen dafür.
Belastende Faktoren: Wachstumsdellen, hohe Verschuldung
Warum stehen die Emerging Markets derzeit so unter Druck? Zu den belastenden Faktoren zählen nach Ansicht von Kussmann Wachstumsdellen und rezessive Entwicklungen in einigen der maßgeblichen Länder wie China, Brasilien oder Russland; hinzu kommen Kapitalabflüsse vor der anstehenden Zinswende in den USA. Der Preisverfall bei Rohstoffen, von deren Export viele Länder abhängig sind, setzt die Schwellenländermärkte ebenfalls unter Druck. Reformstau und politisches Missmanagement in Ländern wie Brasilien und China sowie rückläufige Gewinnentwicklungen von Emerging-Markets-Unternehmen wirken ebenfalls als Bremsklotz. Hinzu kommt die hohe private Verschuldung, die in etlichen Ländern höher ist als zu Zeiten der Asienkrise 1997/98. Dies ist dann problematisch, wenn die Schulden in Dollar aufgenommen wurden und dieser weiter steigen sollte.
Wachstumssorgen hinsichtlich China überzogen
„Vor allem die China-Schwäche belastet, da das Land ein wichtiger Nachfrager für Produkte aus anderen Schwellenländern ist. Die beschleunigte Zunahme der privaten Verschuldung und der Reformstau sind Aspekte, die nicht zu vernachlässigen sind“, erklärt Kussmann. Die Wachstumssorgen in Bezug auf China, das mit Abstand wichtigste Schwellenland, hält Kussmann allerdings für überzogen. Die anstehende Zinserhöhung in den USA dürfte nach Meinung Kussmanns schon weitgehend in den Aktienkursen eingepreist sein und auch in Bezug auf die anderen Belastungsfaktoren spiegeln die Kurse von Schwellenländeraktien bereits viel Pessimismus wider.
Acht Gründe für die langfristige Attraktivität von Schwellenländer-Investments
Bei der Abwägung von Chancen und Risiken überwiegen nach Meinung des Quirin Bank Analysten mittel- bis langfristig die positiven Aspekte von Schwellenländer-Investments. Acht Faktoren sprechen für ein Engagement in den Emerging Markets: 1. Die meisten Schwellenländer haben kein ernsthaftes Staatsschuldenproblem. 2. Viele Länder haben hohe Devisenreserven angehäuft. 3. Viele Schwellenländeraktien sind unter fundamentalen Aspekten mittlerweile günstig bewertet. 4. Währungsabwertungen verbessern die Exportchancen. 5. Viele Länder stehen in puncto Auslandsverschuldung heute deutlich besser da als zu Zeiten der Asienkrise. 6. Etliche Nationen haben noch erheblichen geldpolitischen Spielraum. 7. Inflationsgefahren spielen nur in wenigen maßgeblichen Ländern eine Rolle. 8. Viele Anleger sind in den Emerging Markets immer noch deutlich unterinvestiert.
„Pluspunkte von Anlegern ausgeblendet“
„Die Pluspunkte bilden unseres Erachtens ein adäquates Gegengewicht zu den Belastungsfaktoren. Sie werden derzeit nur vielfach von den Investoren ausgeblendet – speziell in Bezug auf China. Als deutlicheres Warnzeichen würden wir es interpretieren, wenn die chinesische Regierung auf einen schärferen Abwertungskurs der heimischen Währung einschwenken würde, wovon wir aktuell aber nicht ausgehen“, erklärt Kussmann. (fm)
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