Bisher ließ es die Rechtsprechung offen, wann in zeitlicher Hinsicht eine rechtzeitige Prospektübergabe bei einer geschlossenen Beteiligung vorliegt. Nun belegt ein Urteil des Landgerichts Hamburg, dass die Gerichte immer mehr von einem eigenverantwortlichen Anleger ausgehen.
Gastbeitrag von Oliver Renner, Rechtsanwälte Wüterich Breucker
Nach einem aktuellen Urteil des Landgerichts (LG) Hamburg vom 16. Februar 2016 (Az.: 328 O 101/15) ist es ausreichend, wenn der Prospekt erst am Tag der Zeichnung übergeben wurde:
„Dies ist bei einer postalischen Übersendung des Prospekts zusammen mit dem Zeichnungsschein der Fall. Denn wird dem Anlageinteressenten der Prospekt nach Hause übermittelt, damit er die (bereits vorbesprochene) Beteiligung zeichnen kann, so liegt es in der Regel allein bei ihm, ob und wie eingehend er den Prospekt vor Zeichnung studiert und wie viel Zeit er sich bis zu seiner Anlageentscheidung lässt. …. Ob er dies tut oder von der ihm eröffneten Möglichkeit keinen Gebrauch macht, obliegt seiner freien Entscheidung ….“.
Rechtzeitige Prospektübergabe konkretisiert
Das LG hat die Klage des Anlegers wegen Zeichnung eines Schiffsfonds daher abgewiesen.
Umstände, die eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen lassen, hatte der Kläger nicht vorgetragen. Seine Rüge, er habe den Prospekt nicht rechtzeitig erhalten, verfing daher nicht.
Er hatte insbesondere nicht dargelegt, dass und weshalb er gezwungen gewesen sei, die Zeichnung sofort vorzunehmen, sich also nicht mehr Zeit zu einer umfassenden Lektüre hätte nehmen können.
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Wann eine rechtzeitige Prospektübergabe vorliegt, hat der Bundesgerichtshof in zeitlicher Hinsicht bisher noch nicht entschieden.
Die Rechtsprechung konkretisiert dies zunehmend, wobei, wie in dem vorliegenden Fall, deutlich wird, dass diese immer mehr von einem eigenverantwortlichen Anleger ausgeht, der sich mit dem Prospekt auch vor Zeichnung auseinanderzusetzen hat.
So belegt das Urteil des LG Hamburg erneut eine bemerkbare Tendenz bei Gericht, dass diese bloße Untätigkeit und das Negieren von Eigenverantwortung des Anlegers teilweise nicht nachvollziehen können.
Oliver Renner ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker, Lehrbeauftragter der Hochschule Pforzheim und der Fachhochschule Schmalkalden für das weiterbildendende Studium zum Finanzfachwirt; stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses ”Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht” der Rechtsanwaltskammer Stuttgart.
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