Auffinden von Personen und Informationen
Insbesondere die Präsenz in Social-Media-Netzwerken wie LinkedIn, Xing, Facebook oder Instagramm lädt dazu ein, potenzielle Kandidaten nicht (nur) über einen externen Headhunter zu finden, sondern gleich selbst auf die Suche zu gehen. Darüber hinaus lassen sich über derartige Plattformen auch Informationen zu bereits eingegangenen Bewerbungen „vervollständigen“, also quasi „Background-Checks“ durch Internetrecherchen vornehmen.
Datenschutzrechtlich handelt es sich dabei um eine Informationserhebung bei Dritten. Die einschlägigen Erlaubnistatbestände hängen davon ab, ob die Recherche nach Erhalt einer Bewerbung erfolgt oder ob die Initiative zur Suche und Ansprache der Kandidatinnen vom Unternehmen selbst ausgeht. Im ersten Fall ist Paragraf 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einschlägig, wenn die Datenverarbeitung für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Geht das Unternehmen von sich aus auf „Kandidatensuche“, kann das berechtigte Interesse an einer Mitarbeitergewinnung die Rechtsgrundlage für die dafür erforderlichen Datenverarbeitung darstellen, Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Unabhängig von der rechtlichen Begründung im Einzelfall ist der Umfang der Datenerhebung und Verarbeitung dadurch begrenzt, dass die Daten für den jeweiligen Zweck auch erforderlich sein müssten. Das dürfte offensichtlich private Netzwerke schon von vornherein für Recherchen eines künftigen Arbeitgebers ausschließen, wenn der erkennbare Zweck der von den Nutzern zur Verfügung gestellten Informationen offensichtlich eine reine soziale Kommunikation im Privaten war. Die Erforderlichkeit von Recherchen künftiger Arbeitgeber auf privaten Social-Media-Kanälen erscheint daher bereits eher fernliegend und regelmäßig ausgeschlossen.
Darüber hinaus können auch die Nutzungsbedingungen der Netzwerke selbst eine reine private Nutzung vorsehen und daher eine geschäftliche Recherche ausschließen.
Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung können zudem die Nutzungsbedingungen der sozialen Netzwerke haben. Soweit diese eine reine private Nutzung vorsehen, brauchen deren User nicht mit einer Verwendung der Informationen über den Kreis der geschlossenen Nutzergruppen hinaus rechnen. Umgekehrtes gilt gerade für Plattformen, die wie Xing oder LinkedIn der beruflichen „Selbstdarstellung“ dienen. Hier lässt sich bei der Interessenabwägung mit berücksichtigen, dass die jeweiligen Nutzer mit einer Wahrnehmung und Verwendung durch potenzielle künftige Arbeitgeber eher rechnen.
Für die Zulässigkeit der Verarbeitung kommt es daher auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall an, wobei die Quelle der Informationen ebenso zu berücksichtigen ist wie der Umstand, ob es sich bereits um einen Bewerber handelt. Höhere datenschutzrechtliche Anforderungen sind daher an Unternehmen zu stellen, die sich selbst aktiv auf die Suche nach möglichen Kandidaten machen und hierzu Daten von Dritten zusammenstellen.
Ansprache
Die aktive Suche durch Unternehmen führt zu dem Folgeproblem, zu schließlich gefundene Kandidaten auch erst einmal Kontakt aufzunehmen. Dabei fordert das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) für den Einsatz von E-Mails, sonstigen elektronischen Nachrichten oder Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern der eine vorherige ausdrückliche Einwilligung. Zwar ist dies dem Wortlaut nach auf Werbung beschränkt. Allerdings legt die Rechtsprechung den Begriff weit aus, so dass eine Kontaktaufnahme zur Präsentation des eigenen Unternehmens mit attraktiven Arbeitsplätzen als Werbung zu qualifizieren wäre.
Eine rechtssichere „Lösung“ stellt die Kontaktaufnahme per Briefpost dar, sofern die Kontaktadressen sich überhaupt ermitteln lassen. Kommt das nicht in Betracht, lässt sich das Risiko verfolgter Verstöße durch passgenaue, niederschwellige Nachrichten mit der Frage nach einem bestehendem Interesse und für diesen Fall dem Angebot einer Fortsetzung der Kommunikation niedrig halten.
Auswahlunterstützung
Schließlich lässt sich auch die Auswahl geeigneter Personen maschinell unterstützen. Sofern (zulässig nutzbare) Datenquellen vorhanden sind, können Softwareprogramme eine Auswahl aus einem Talentpool vorbereiten.
Im einfachsten Fall werden die Anforderungen vorgegeben und lediglich softwaregestützt ausgewertet und gegebenenfalls aufbereitet, was mit einer gewichteten Checkliste eines Recruiters vergleichbar ist.
Eine Stufe weiter sind selbstlernende Algorithmen, die beispielsweise aus Informationen über bisherige Bewerbungen, Einladungen zu Vorstellungsgesprächen, Vertragsabschlüssen und Überdauern der Probezeit eine Auswahl für einzuladende Kandidaten treffen. Trotz hoher „Abschlusserfolge“ vergleichbarer Systeme zeigten diese gelegentlich eine Tendenz, unbewusst gelebte Diskriminierungen offenzulegen, indem bestimmte Bewerbergruppen gleich gar nicht mehr für Vorstellungsgespräche eingeladen wurden.
Dabei ist es unzulässig, rechtliche Wirkungen wie das Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages – oder dessen Versagung – ausschließlich automatisiert treffen zu lassen. Zudem ist der Gefahr einer „Optimierung“ der Belegschaft hin zu dem schon Vorhandenen zu begegnen, also einer fehlenden Diversität.
Tipps:
Nicht alle im Internet verfügbaren Informationen zu potenziellen Beschäftigten können für das Bewerbungsverfahren genutzt werden.
Über die Erhebung personenbezogener Daten „im Internet“ sind die Betroffenen spätestens innerhalb eines Monats zu informieren. Das kann gegebenenfalls zusammen mit der – dann rechtzeitigen – Kontaktaufnahme mit ihnen erfolgen.
Der Einsatz von Auswahl-Algorithmen kann eine abschließende menschliche Entscheidung nicht ersetzen.
Autor Alexander von Chrzanowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht, ist Associate Partner bei Rödl & Partner in Jena.