Reform des Baugesetzbuchs: So reagiert die Immobilienbranche

Thomas Aigner
Foto: Aigner Immobilien
Thomas Aigner

EXKLUSIV Die Bundesregierung plant eine Novelle des Baurechts, um den Wohnungsbau in Deutschland anzukurbeln. Cash. fragte Marktteilnehmer und Immobilienexperten, wie sie die Pläne einschätzen.

Insbesondere durch den Abbau von Bürokratie will Bauministerin Klara Geywitz für mehr Wohnungsbau sorgen. Die SPD-Politikerin hat jetzt eine entsprechende Reform des Baugesetzbuchs auf den Weg gebracht. Künftig soll damit nicht nur modern und schneller gebaut werden, auch der Klimawandel soll besser berücksichtigt werden – zum Beispiel durch mehr Grün auf den Dächern. Hier finden Sie die wichtigsten geplanten Neuerungen im Überblick. Cash. hörte sich bei Marktteilnehmern und Immobilienexperten um: Sind die Maßnahmen geeignet, um den Wohnungsbau in Deutschland anzukurbeln? Und was fehlt aus ihrer Sicht?


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„Zunächst mal freue ich mich, dass jetzt ganz konkrete Vorschläge vorliegen. Schon seit Jahren drängen wir in der Immobilienbranche darauf, Bürokratie abzubauen. Dieser Ruf wurde jetzt offensichtlich gehört“, erklärt Thomas Aigner, Geschäftsführer der Aigner Immobilien GmbH aus München. „Wenn der Gesetzentwurf beschlossen ist und den Bundestag passiert – was ja leider noch ein paar Monate dauert –, wird das zumindest etwas helfen, den Wohnungsbau anzukurbeln, wenn auch nicht flächendeckend“, erwartet er. Ganz zufrieden ist er mit dem Entwurf aber nicht – im Kleinen wie im Großen: „Ich sehe es wie andere Vertreter problematisch, dass leider keine Sonderregelung für die unkomplizierte Bereitstellung von Flächen für den Wohnungsbau geschaffen wurde. Aber genau das brauchen wir. Bei der Frage, was darüber hinaus fehlt, kann ich nur immer wieder betonen: der wirklich große Wurf. Dieser große Wurf, den ich meine, greift allerdings tief in politische Strukturen ein – und das ist mit Kompetenzverschiebungen verbunden“, so Aigner. Er plädiere schon seit langem für eine Reform des Planungsrechts: „Wir brauchen eine Zentralisierung bei der Entwicklung, also eine Behörde, die nicht innerhalb von Stadt- oder Gemeindegrenzen bleibt, sondern Städte inklusive dem jeweiligen Umland als eine Region begreift und dafür zuständig ist. Mir ist schon klar, dass dies bei politischen Entscheidern gar nicht gut ankommt, aber mir geht es um die Sache. Die Herausforderungen sind derart groß, dass wir eben auch groß denken müssen.“

Für Gordon Grundler, Vorstand der Primus Valor AG aus Mannheim, sind die angekündigten Maßnahmen ein Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem bedürfe es mehr, sagt er: „Um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu begegnen, sollte sich das Bauministerium in erster Linie um den Bestand kümmern. Hier fehlt es an pragmatischen Lösungen – beispielsweise, wenn Anforderungen an energetische Sanierungen zu ambitioniert sind. Die Baubranche leidet aktuell am hohen Zinsniveau. Erst wenn die Zinsen sinken und zugleich mehr Realismus rund um Vorschriften und Anforderungen eingekehrt ist, wird die Bauaktivität wieder zunehmen.“ Bezahlbaren Wohnraum für niedrige und mittlere Einkommen gebe es aber auf absehbare Zeit nur im Bestand. Daran ändere auch die gut gemeinte Gesetzesinitiative nichts.

„Ziel der Wohnungspolitik bleibt unklar“

Nach Einschätzung von Prof. Dr. Günter Vornholz, Geschäftsführer der Immobilien Research Vornholz GmbH aus Lüdinghausen, helfen die geplanten Maßnahmen der Bauwirtschaft, mehr Wohnungen zu schaffen. Sie seien aber nicht ausreichend, um das „utopische Ziel“ von 400.000 Wohnungen pro Jahr zu erreichen. „Das wäre sowieso niemals möglich gewesen“, meint er. „Diese Maßnahmen sind ausreichend, um wahrscheinlich die Talfahrt zu stoppen. Es ist jedoch umstritten, wie viele Wohnungen überhaupt gebraucht werden. Somit bleibt auch das Ziel der Wohnungspolitik unklar.“ Vornholz nennt fünf Punkte, die aus seiner Sicht besonders wichtig sind, um den Immobilienmarkt anzukurbeln: „Erstens brauchen wir bessere ökonomische Rahmenbedingungen und dieses ist vor allen Dingen ein wirtschaftlicher Aufschwung. Die derzeitige wirtschaftliche Rezession bedeutet auch geringere Einkommen für die Bevölkerung und damit auch weniger Anreize, Wohnungen zu bauen.“ Zweitens gehe es um die Beseitigung von wirtschaftspolitischen Unsicherheiten. Investoren benötigten deutliche Signale und sichere Rahmenbedingungen. „Drittens ist eine differenzierte Strategie erforderlich. Denn einerseits gibt es im ländlichen Raum Leerstand und andererseits in den Großstädten einen hohen Bedarf an Wohnungen“, betont er. „Viertens geht es darum, den Bauüberhang abzubauen. In den letzten Jahren gab es viel mehr Baugenehmigung als Fertigstellung. Darum wird es notwendig sein, die bereits erteilten Genehmigungen umzusetzen.“ Fünftens seien auch die Widerstandsmöglichkeiten der Anwohner bei Bauprojekten zu thematisieren. „Etliche Wohnprojekte scheitern daran, dass Anwohner Widerspruch einlegen und damit den Neubau von Wohnungen be- oder schlimmstenfalls verhindern. Hier besteht Handlungsbedarf“, so Vornholz.

Aus der Sicht von Uwe Bottermann, Rechtsanwalt und Partner bei der auf Immobilien spezialisierten Berliner Kanzlei BK-Law Bottermann Khorrami Rechtsanwälte, enthält der Entwurf zwar einige sehr erfreuliche Punkte für die Bau- und Immobilienbranche. Für problematisch hält er allerdings die zwei Ergänzungen beim kommunalen Vorkaufsrecht: „Da ist einerseits die Ausweitung auf Anteilskaufverträge (sogenannte Share-Deals). Hier ist große juristische Vorsicht geboten. Die Motivation für die Ausweitung ist klar: Man will eine befürchtete Umgehung des Vorkaufsrechts am Grundstück verhindern. Künftig soll es einem Grundstückskauf gleichgestellt werden, wenn ein Grundstück in eine Gesellschaft eingebracht wird. Klar ist aber auch: Nicht jede Einbringung dient der Umgehung eines Vorkaufsrechts.“ Wichtig sei nun, das Gesetz so zu formulieren, dass tatsächlich nur Umgehungsgeschäfte den Vorkaufsfall auslösen und nicht etwa, wenn Grundstücke im Rahmen der Nachfolgeplanung in eine Familiengesellschaft eingebracht werden. „Dem Gesetzentwurf zufolge soll außerdem ein Vorkaufsrecht entstehen, wenn ein in Eigentumswohnungen geteiltes Gebäude als Ganzes veräußert wird. Auch hier will man offenbar eine Lücke schließen, denn Kaufverträge über Wohnungseigentum sind bisher vom Vorkaufsrecht nicht erfasst. Wenn die Kommune in solchen Fällen ihr Vorkaufsrecht ausübt, ist absehbar, dass die betreffenden Wohnungen zukünftig nicht mehr der Eigentumsbildung zur Verfügung stehen dürften“, sagt Bottermann. „Zumindest in Berlin könnte dieses Ergebnis verfassungsrechtlich bedenklich sein. Denn hier ist die Bildung von Wohnungseigentum Staatsziel.“ Überdies schaffe kein Vorkaufsrecht auch nur eine einzige neue Wohnung.

Der Gesetzentwurf soll im September im Bundeskabinett beschlossen werden. Dann könnte er bis Jahresende auch durch den Bundestag gehen.

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