Reformen in Argentinien als Balanceakt

Parallel sind die Argentinier nach der anfänglichen Euphorie in der Realität angekommen. Denn die Abwertung des Peso und die Erhöhung der Staatsausgaben halten die Inflation auf sehr hohem Niveau, die Konjunktur nimmt dagegen nur langsam wieder Fahrt auf. Für Macris Regierung ergibt sich daraus ein permanenter Balanceakt zwischen den enormen wirtschaftlichen Herausforderungen auf der einen Seite und den sozialen Auswirkungen ihres Kurses auf der anderen.

Denn es sind die Argentinier selbst, die unter dem Abbau der staatlichen Subventionen und dem Sparkurs leiden und sich bereits zu Protestkundgebungen zusammengefunden haben. Brisant für die Regierung Argentiniens, nicht zuletzt weil im Oktober dieses Jahres Zwischenwahlen für beide Kammern des Parlaments anstehen. Insgesamt werden ein Drittel des Senats und die Hälfte des Abgeordnetenhauses neu besetzt. Beobachter werden genau auf die Provinz Buenos Aires schauen, tritt dort doch Ex-Präsidentin Kirchner für die Senatswahl als Spitzenkandidatin an. So dürfte Präsident Macri auch in Anbetracht der bevorstehenden Abstimmung bewusst etwas auf die Reform-Bremse treten.

Investoren warten auf demokratisches Signal

Das sollte auch im Interesse der internationalen Investoren sein. Denn die Wahl wird zeigen, wie die bisherige Politik Macris in der Bevölkerung ankommt. Wird Macri für die positive politische Dynamik mit einer Mehrheit belohnt, stehen die Chancen gut, dass seine Politik die wirtschaftliche Entwicklung langfristig flankieren kann – ein entscheidender Faktor, der über künftige Geldflüsse nach Argentinien entscheiden wird.

Ein weiteres Kriterium ist natürlich das fundamentale Bild des Landes und das sieht aktuell sehr positiv aus. Aufgrund des günstigen weltwirtschaftlichen Umfeldes blüht der Außenhandel etwa mit Agrargütern wieder auf und auch die Handelspartner wie beispielsweise Brasilien – die stets mitentscheidend für die Entwicklung Argentiniens waren – sehen wieder besseren konjunkturellen Zeiten entgegen. Eine derzeit noch geringe Auslandsverschuldung lässt die Bilanz der Südamerikaner zudem solide aussehen.

Sollten die Wahlen im Oktober also den wirtschaftsliberalen Kurs Macris bestätigen, sehen wir aufgrund des positiven fundamentalen Bildes durchaus das Potenzial, dass auch die großen Ratingagenturen ihre derzeitigen Einschätzungen von durchschnittlich B nach oben korrigieren. Das sollte weitere ausländische Gelder anziehen und damit zur Genesung des Landes beitragen.

Dr. Mauricio Vargas ist Volkswirt bei Union Investment.

Foto: Union Investment

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