Höhere Altersgrenzen bei der Rente bedeuten nicht unbedingt späteren Erwerbsaustritt. Sollte der Arbeitsmarktboom nicht anhalten, drohen insbesondere Menschen mit geringer Bildung, prekärer Beschäftigung und niedriger Gesundheit große sozialpolitische Risiken. Warum die Politik jetzt handeln muss.
Seit 2012 wird die Regelaltersgrenze stufenweise von 65 Jahren auf 67 angehoben. Dieser wichtige und notwendige Schritt soll dazu beitragen, die Folgen des demografischen Wandels zu bewältigen. Simulationen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zeigen nun, dass eine höhere Regelaltersgrenze zwar zu einem späteren Erwerbsaustritt führt, aber auch mit großen sozialpolitischen Risiken einhergeht: Für einen Teil der Personen, die es nicht schaffen, bis 67 zu arbeiten, bedeutet ein früher Erwerbsaustritt laut den Berechnungen hohe Einkommenseinbußen.
„Gerade für Menschen, die ohnehin auf dem Arbeitsmarkt schlecht dastehen, wird es schwierig sein, sich an die neuen Altersgrenzen anzupassen. Die spätere Rente trifft also die Schwächsten am härtesten“, beschreibt DIW-Rentenexperte Johannes Geyer eine zentrale Erkenntnis. „Am besten können sich Menschen anpassen, die in stabilen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, ein hohes Bildungsniveau haben und die sich guter Gesundheit erfreuen.“
Längere Lebensarbeitszeit kann zu höherer Ungleichheit beitragen
Anhand von zwei verschiedenen Arbeitsmarktszenarien haben die AutorInnen Hermann Buslei, Patricia Gallego-Granados, Johannes Geyer und Peter Haan die langfristigen sozialpolitischen Folgen der Anhebung des Regelrenteneintrittsalters anhand eines Mikrosimulationsmodells bis zum Jahr 2032 analysiert – ein Jahr, nachdem die Einführung der Rente mit 67 abgeschlossen ist.
Das tatsächliche Renteneintrittsalter wird in den kommenden Jahren nach Schätzungen des Autorenteams durchschnittlich um 1,2 bis 1,5 Jahre steigen, abhängig von der Entwicklung des Arbeitsmarktes für ältere Menschen. Für höher gebildete Personen verschiebt sich der Renteneintritt mit 1,6 bis zwei Jahren allerdings deutlich stärker als für Personen mit geringer oder mittlerer Bildung mit einem bis 1,4 Jahren.
Armutsrisiko steigt
Das liegt daran, dass die Erwerbslosigkeitsquoten unter Menschen mit geringer oder mittlerer Bildung höher sind. Das bedeutet wiederum, dass diese Menschen wenig in das Rentensystem einzahlen und einem höheren Armutsrisiko im Alter unterliegen. Dieses Risiko – das auch für weitere Gruppen, wie etwa gesundheitlich angeschlagene Personen gilt – droht sich mit der Anhebung der Altersgrenzen in den kommenden Jahren noch zu verstärken. Daher könnte die Ausdehnung der Lebensarbeitszeit, die vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland absolut geboten ist, zu einer stärkeren Einkommensungleichheit nach dem Renteneintritt beitragen, wenn ihre Folgen für bestimmte Gruppen nicht klug abgefedert sind.
Seite zwei: Zukünftige Entwicklung des Risikos für Altersarmut hängt von Arbeitsmarkt und Politik ab