Bei SPD, Linken und Gewerkschaften stieß das umgehend auf scharfe Kritik, aber auch der Bundeswirtschaftsminister lehnt die Idee ab. Aus der Wirtschaft kommen dagegen Warnungen, sich dem Vorschlag zu verschließen.
Momentan gilt: Stufenweiser Einstieg in die Rente mit 67
Aktuell geht der Jahrgang 1956 laut Deutscher Rentenversicherung mit 65 Jahren und 10Monaten in Rente. Bis 2029 wird das Eintrittsalter schrittweise auf 67 angehoben. Seit 2012 kommt jedes Jahr ein Monat dazu, ab 2024 sind es jedes Jahr zwei Monate. Der Jahrgang 1964 ist laut Deutscher Rentenversicherung der erste, der mit 67 in Rente gehen wird.
Regierungsberater: „Schockartig steigende Finanzierungsprobleme“
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium – ein 39-köpfiges Beratergremium aus Wissenschaftlern – schlägt nun vor, das Renteneintrittsalter bis 2042 weiter auf 68 anzuheben. Begründung: Es drohten „schockartig steigende Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025“. Das Renteneintrittsalter könne nicht langfristig von der Entwicklung der Lebenserwartung abgekoppelt werden, so die Expertinnen und Experten, die stattdessen eine „dynamische Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung“ vorschlagen. „Sollte die Lebenserwartung abnehmen, kann auch das Rentenalter sinken.“
Opposition, SPD und DGB auf der Zinne, auch Union sagt Nein
Wenige Monate vor der Bundestagswahl ist der Vorschlag von den Beratern des CDU-geführten Wirtschaftsministeriums eine Steilvorlage für die Linke und die SPD. „Das ist der asoziale Oberhammer“, schimpft Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow und droht mit einem Rentenwahlkampf. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müsse das entsprechende Gutachten seiner Berater „sofort kassieren“.
„Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters halte ich für den falschen Weg“, sagt der für Rente zuständige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Rentnerinnen und Rentner und die Generation, die in den nächsten Jahren in die Ruhestand eintritt, dürfen nicht noch weiter verunsichert werden“, kritisiert SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Die SPD gehe bei dem Vorschlag nicht mit.
Auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund gibt es eine Abfuhr. Man lehne das „ganz deutlich“ ab, sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Schon die Erhöhung des Eintrittsalters auf 67 Jahre habe sich als Rentenkürzungsprogramm erwiesen. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele nennt den Expertenvorstoß in den Zeitungen der Funke Mediengruppe „Unsinn“.
Auch aus der Union kommt Widerspruch. „Wir arbeiten jetzt erstmal daran, dass die Rente mit 67 auch entsprechend umgesetzt wird“, sagte Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU). „Wir müssen uns darum bemühen, dass ältere Menschen überhaupt die Kraft haben, entsprechend arbeiten zu können.“ Aus diesem Grund „stellt sich diese Frage für uns momentan nicht“. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte: „Ein späteres Renteneintrittsalter lehnen wir ab.“ Nötig sei vielmehr eine Diskussion über eine gute Rente im Alter mit einer Kombination einer Stabilisierung des Rentenniveaus und einer Stärkung der privaten Vorsorge.
Die Wirtschaft zeigt sich dagegen offen für die Gedankenspiele über die Rente mit 68: Mit sturer Ablehnung sei das Thema nicht abzuschließen, findet Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Man dürfe nicht in eine Situation geraten, in der es mehr Leistungsempfänger als Leistungsgeber gebe. „Die Diskussion muss geführt werden, und sie muss ehrlich geführt werden“, so seine Forderung am Dienstag in Berlin.
Vorschlag dürfte zunächst wieder in der Schublade landen
Eine Rentenreform in diese Richtung steht momentan aber nicht auf der Tagesordnung. Auch Wirtschaftsminister Altmaier hält nichts von der Idee seiner Berater, das Renteneintrittsalter weiter anzuheben. Es sollte bei 67 bleiben, schreibt der CDU-Politiker bei Twitter und verweist zugleich darauf, dass der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums unabhängig sei. Seine Vorschläge seien weder für das Ministerium noch für den Minister bindend.
Aber wie soll das Finanzproblem der Rentenkasse in einer alternden Gesellschaft mit immer mehr Rentnern, die auch immer länger Rente beziehen gelöst werden, ohne dass die Beiträge steigen oder dass die Menschen später in Rente gehen? Vielleicht kommt es gar nicht so, wie immer befürchtet wird. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sieht inzwischen eine andere Entwicklung: „Alle Vorhersagen, die wir hatten, waren, dass wir immer weniger werden, wir sind aber mehr geworden“, sagt er am Dienstag bei einer Konferenz des SPD-Wirtschaftsforums. Auch durch Zuwanderung gebe es jetzt 83 Millionen Menschen in Deutschland, 44 Millionen Erwerbstätige und 33 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. „Es ist also gut gegangen mit der Rente.“ (dpa-AFX)