Auf den ersten Blick sieht die jüngste BVI-Absatzstatistik für die Fondsbranche erschreckend aus. Doch dies hat spezielle Gründe. Der Rademacher-Kommentar
Unter erfahrenen Börsianern gilt der Oktober als gefährlicher Zeitraum mit Absturzgefahr. So fanden die Crashs in den Jahren 1929 und 1987 in diesem Monat statt. Allerdings blieben in diesem Oktober die großen Aktienindizes vor einem Ausverkauf weitgehend verschont. Vielmehr geriet die Investmentbranche mit ihren Publikumsfonds unter Druck. Wie aus jüngst veröffentlichten Daten vom Dachverband BVI hervorgeht, zogen die Anleger im Oktober 2016 immerhin 2,6 Milliarden Euro ab.
Anleihen von Privatanlegern wenig gefragt
Ein genereller Trend lässt sich aber aus diesen Daten keinesfalls ableiten. Seit Jahresbeginn beläuft sich das Plus bei den Publikumsfonds auf immerhin noch 6,0 Milliarden Euro. Ein genauerer Blick auf die Entwicklung der Branche zeigt, dass für den Oktober-Rückgang ausschließlich die Asset-Klasse Rentenfonds verantwortlich ist. Hier wurden immerhin Mittel von 2,9 Milliarden Euro abgezogen, was mehr als dem Gesamtverlust bei Publikumsfonds entspricht. Weiterhin gefragt blieben hingegen Multi-Asset-Fonds, die einen starken Zuwachs von 1,2 Milliarden Euro verzeichneten.
Für das Jahr 2017 sehen die Aussichten für Rentenfonds ebenfalls bescheiden aus. Da das Zinsniveau nach den reduzierten Anleihenkäufen der EZB mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest stabil bleibt oder sogar steigt, bietet diese Assetklasse ein nur sehr begrenztes Wertsteigerungspotenzial. Viel attraktiver sind hingegen Aktienfonds, die in diesem Jahr bislang insgesamt moderate Mittelabflüsse verzeichneten.
Risiken sind in den Kursen zum Großteil enthalten
Zwar steht der alte Kontinent vor einer Vielzahl von unsicheren politischen Ereignissen. Allerdings haben die Marktteilnehmer bereits einen Großteil der Risiken eingepreist. Vielmehr dürften Europas Exporteure vom schwachen Euro und die Konsumgüterhersteller vom anziehenden Verbrauchervertrauen profitieren. Zudem ist die Refinanzierung für viele Unternehmen günstig, was sich tendenziell positiv auf die Nettogewinne auswirkt.
Mischfonds, die über einen hohen Aktienanteil verfügen und das geringe Zinsniveau gut abfedern können, sollten ebenfalls profitieren. Zwar dürfte sich hier der Boom etwas abflachen, generell bleibt aber Multi Asset weiterhin ein Top-Thema für den Branchenvertrieb. Über ebenfalls gute Voraussetzungen verfügen Absolute-Return-Fonds, die zumeist marktneutral sind und somit ein gutes Mittel zur Diversifikation darstellen. Allerdings lag hier die Performance in den vergangenen Monaten nicht selten hinter den Erwartungen der Investoren.
Tim Rademacher ist leitender Redakteur im Bereich Investmentfonds bei Cash. und analysiert die Geschehnisse am Kapitalmarkt direkt vom Finanzplatz Frankfurt aus.
Foto: Dirk Beichert