Rentenreform: „Wieder eine Legislaturperiode verschenkt“ 

Prof. Dr. Jochen Ruß ist Geschäftsführer des ifa in Ulm
Foto: Jochen Ruß
Jochen Ruß

EXKLUSIV Die Ampel-Koalition ist Geschichte. Damit dürften sich auch ihre Rentenreformpläne erledigt haben. Was Altersvorsorge-Experten dazu sagen.

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP hält Bundeskanzler Olaf Scholz (noch) an seinem Ziel fest, wichtige Projekte bis zum Jahresende durchs Parlament zu bringen. Dazu zählt auch die Rentenreform. Doch das dürfte schwierig werden: Auf die Union kann Scholz beim Rentenpaket nach Auskunft vom Vizechef der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), nicht setzen. Im Deutschlandfunk sagte Middelberg, bei Gesetzen, die aus ihrer Sicht dringend umgesetzt werden müssen, sei die Union auch bereit, zuzustimmen – etwa bei der geplanten Stärkung des Bundesverfassungsgerichts. Anderen Gesetzen wie etwa dem Rentenpaket will die Union laut Middelberg hingegen nicht zustimmen. Auch nach Auffassung des FDP-Parlamentariers Johannes Vogel wird das Rentenpaket nicht mehr realisiert.

Cash. fragte drei Altersvorsorge-Experten, wie sie das Aus der Reformpläne beurteilen: Desaster oder „dornige Chance“? Für Prof. Dr. Michael Heuser, wissenschaftlicher Direktor des Diva, stehen die negativen Folgen im Vordergrund. „Wenn das Aus der Ampel auch das Aus der beiden großen Rentenreformvorhaben – Rentenpaket II und staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge – bedeutet, ist das eine sehr schlechte Nachricht für die Bürgerinnen und Bürger“, erklärt er. „Es geht um die künftige Altersabsicherung ganzer Generationen. Bei allem Nachbesserungsbedarf im Detail weisen die Reformvorschläge den richtigen Weg. Die Ergebnisse des aktuellen Deutschen-Altersvorsorge-Index vom Oktober 2024 zeigen, dass sie mehrheitlich auch die Vorstellungen der Menschen treffen.“ Eigentlich käme es jetzt darauf an, die Reformpakete ohne Verzug durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen, meint Heuser. „Welche Mehrheiten sich in den nächsten Monaten auch finden werden: Die Rentenreformen müssen auf der politischen Agenda bleiben. Sie sind wichtig und werden immer dringender.“


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Bei Prof. Michael Hauer, Geschäftsführer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP), hält sich das Bedauern dagegen in Grenzen. „Nüchtern betrachtet, wäre es auch nicht schlimm, wenn das Rentenpaket II in dieser Form nicht kommt“, sagt er. „Die Beibehaltung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, so wie es die SPD unbedingt in dem Gesetz haben wollte, habe ich bereits in Cash. als großen Bluff bezeichnet. Letztendlich wird damit das Problem der zu geringen Renten der Niedrigverdiener nicht gelöst. Bundeskanzler Scholz hat dieses Thema scheinbar als Wahlkampfthema auserkoren und bringt nun schon wieder die Aussagen, dass er die Renten nicht kürzen möchte.“ Diese Darstellung sei schlichtweg falsch, denn es handele sich bei einer Senkung des Rentenniveaus nicht um eine Kürzung der Renten, sondern um eine Verringerung der Rentenerhöhung. „Dies wurde übrigens in der Rentenformel so festgelegt, da man eine beachtliche Steigerung der Beitragssätze für die jungen Menschen vermeiden wollte, wenn die Babyboomer-Generation ab 2025 ins Rentenalter kommt und somit die Anzahl der Rentner beachtlich steigt“, betont Hauer und ergänzt: „Das Generationenkapital ist in der gewählten Form ebenfalls eine Luftnummer, da das Kapital fremdfinanziert werden soll und somit der Ertrag beachtlich durch die dafür erforderlichen Zinszahlungen geschmälert wird.“

Auch Prof. Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa), sieht im Scheitern der Reformen die Chance für verbesserte Konzepte. „Wenn sich jetzt abzeichnet, dass sowohl das Rentenpaket II als auch die Nachfolge der Riester-Rente aufgrund des vorzeitigen Endes der Ampel-Regierung nicht umgesetzt werden, haben wir wieder eine Legislaturperiode verschenkt“, sagt er. „Da das Rentenpaket II zurecht von allen führenden Experten aufgrund der massiven Generationen-Ungerechtigkeit kritisiert wurde, bleibt wenigstens Grund zur Hoffnung, dass in der nächsten Legislatur für die gesetzliche Rente eine sinnvollere Reform als das von Arbeitsminister Heil geplante Rentenpaket II angegangen wird. Denn eine Lösung, die keine der beteiligten Parteien unangemessen belastet, ist nur dann möglich, wenn man an möglichst vielen Stellschrauben gleichzeitig dreht – dafür an jeder einzelnen nur moderat.“ So könne erreicht werden, dass zwar alle beteiligten Parteien mit der Finanzierung der Herausforderungen belastet werden, jedoch keine übermäßig stark. „Das Rentenpaket II hätte hingegen die Lasten nahezu komplett den jüngeren Generationen aufgebürdet“, kritisiert Ruß. Man darf gespannt sein, wie die künftige Bundesregierung – mutmaßlich unter der Führung von CDU/CSU – diese Aufgabe lösen wird.

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