Rezession ante portas?

Die Lösung der Brexit-Frage entspricht der Quadratur des Kreises. Mehr als eine Übergangslösung, die das Problem zwar nicht löst, aber Zeit herausschindet ist zurzeit nicht zu erwarten. Doch werden Europas Finanzmärkte denken, dass man in der heutigen Zeit auch für die ganz kleinen Kartoffeln dankbar sein muss.

Ginge das italienische Schulden-Boot unter, ertrinken nach den italienischen Banken – die auch ohne neue Finanzkrise schon im Wasser stehen – zügig auch die anderen Großbanken. Das ist der Fluch der globalisierten Finanzwelt. Der Euro wäre früher oder später Geschichte. Mit diesem Pfund kann die italienische Regierung wuchern. Die Hoffnung, dass steigende Kreditzinsen Italien zum Einlenken bewegen, ist daher fromm. Rom wird Klartext sprechen: Wenn ihr lieben Deutschen Europa wollt, müsst ihr dafür zahlen. Der Länderfinanzausgleich auf Euro-Ebene wird kommen. Leider hat man bei der Euro-Einführung das Scheitern eines Landes nicht einkalkuliert. Und jetzt haben wir den– italienischen – Salat.

Kleinster gemeinsamer Nenner wird gesucht

Nach zunächst noch harter Schuldenkritik aus Brüssel wird man sich schließlich mit Rom wieder einmal auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen und die „Itanic“ wieder an das rettende Ufer ziehen. Dort wird sie dann wegen ausbleibender Reformen zwar weiter vor sich hin rosten. Doch über diesen vorläufigen Zeitgewinn eines Überwasser-Daseins wird sich die konjunkturelle Stimmung in Europa aufhellen. Wir sind ja nicht verwöhnt. Und wenn Italien vorerst nicht untergeht, spricht zum Schluss nichts dagegen, sich wieder an italienische Staatspapiere zu wagen. In einer renditearmen Finanzwelt werden die Zinsjäger nicht lange auf sich warten lassen, zumal auch die EZB das ihrige tut, damit die Schotten halten.

Seit 2008 war die Finanzkrise nie wirklich weg, sie wurde nur von der Geldpolitik versteckt

Apropos Geldpolitik, selbst bei der Fed mehren sich Stimmen, die die wirtschaftsbremsende Wirkung von mittlerweile acht Zinserhöhungen kritisch beäugen. Kommt es zu einer immer flacheren Zinsstrukturkurve, droht der überhitzten US-Konjunktur die Tiefkühltruhe. Wenn amerikanische Banken keine Zinsmarge mehr erwirtschaften, werden sie ihr Kreditgeschäft einstellen. Selbst Amerika ist keine Lotusblüte, an der die Rezession abperlt.

Überhaupt, Amerika ist heute um 50 Prozent mehr schuldenkrank als im Finanzkrisenjahr 2008. Damit hat die Fed nur noch den geldpolitischen Spielraum eines angeleinten Hundes. Ansonsten platzen die Kreditblase und alle Konjunkturhoffnungen. Ein einbrechender Aktienmarkt mit galoppierender Risikoangst geben der Weltkonjunktur dann den Rest.

Eine richtige Rezession halten wir gar nicht mehr aus.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.

Foto: Baader Bank

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