Harte Landung, weiche Landung oder keine Landung: Ob es in den USA, dem weltweit wichtigsten Wirtschaftsraum für Anleger, in den nächsten Monaten zu einer schweren, leichten oder gar keiner Rezession kommt, wird unter Ökonomen und Investoren seit vielen Monaten diskutiert. Doch die Konjunktur blieb bisher widerstandsfähig und überraschte viele Marktteilnehmer ein ums andere Mal. Vor allem ein robuster Arbeitsmarkt und Dienstleistungssektor stellten in den vergangenen Monaten immer wieder in Frage, ob wirklich eine Rezession zu erwarten ist.
Aus historischer Sicht wirken die Diskussionen über das Ausbleiben einer Rezession utopisch. Seit 1961 gelang es der US-Notenbank Fed nach Leitzinserhöhungen bzw. der Inflationsbekämpfung nur ein einziges Mal in insgesamt neun Fällen, eine schwere Rezession zu vermeiden.
Auch die seit vielen Monaten inverse US-Zinsstrukturkurve, bei der die Renditen kurzlaufender Staatsanleihen die Renditen langlaufender Staatsanleihen übersteigen, spricht gegen eine sogenannte weiche Landung oder gar ein weiter steigendes Wirtschaftswachstum. In den letzten 50 Jahren folgte auf das Phänomen der inversen Zinsstrukturkurve immer eine Rezession. Dass sich die Zinsstruktur zu normalisieren beginnt, sollten Anleger jedoch nicht als Entwarnung werten. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass sich die Zinskurve kurz vor dem Wirtschaftseinbruch in Richtung Normalität bewegte.
Die Fed provoziert die Rezession bewusst
Vor allem aber spricht für eine kommende Rezession, dass die US-Notenbank versucht, einen deutlichen Wirtschaftseinbruch mit der Brechstange herbeizuführen. Die seit Anfang 2022 vorgenommenen Leitzinserhöhungen sind in ihrer Intensität und Geschwindigkeit beispiellos. Sie zeigen bisher aber nur begrenzt Wirkung darin, die heißgelaufene US-Wirtschaft abzukühlen und die Inflation endgültig einzudämmen. Die Mitglieder des Fed-Komitees sind dennoch von der Wirksamkeit ihrer Zinspolitik überzeugt, denn sie erwarten für die kommenden Jahre wieder fallende Zinsen. Möglich wären Zinssenkungen aber nur im Falle einer Rezession und bei niedrigen Inflationsraten.
Dieses Szenario sollte Anleger hellhörig machen, denn es eröffnet einige attraktive Gelegenheiten, insbesondere in Anlageklassen wie US-Staatsanleihen mit langen Laufzeiten. Wer von einer Rezession ausgeht und den USA als Gläubiger Geld leiht, könnte zweifach profitieren: Erstens weisen langlaufende Anleihen eine hohe Zinssensitivität auf, was dazu führt, dass ihr Kurswert deutlich ansteigt, wenn die Zinsen fallen. So legt eine zehnjährige US-Staatsanleihe ungefähr um 8 % an Wert zu, wenn der Leitzins nur um 1 % fällt. Zweitens erhalten Anleger – je nach Laufzeit – zusätzlich hohe Kuponzinsen von derzeit knapp 4 % pro Jahr.
Sollte die Inflation wider Erwarten nicht nachhaltig eingedämmt werden und weitere Zinserhöhungen notwendig sein, dann unterliegen insbesondere länger laufende Anleihen einem Kursrisiko. Doch die hohen Kuponzinsen federn Verluste zum einen deutlich ab, zum anderen haben Investoren die Möglichkeit, die Anleihen bis zum Laufzeitende zu halten und die Kupons zu vereinnahmen, anstatt Kurseinbußen durch Verkäufe zu realisieren.
Keine Macht dem Performance-Chart
Gerade Privatanleger sollten sich nicht von der füchterlichen Wertentwicklung langlaufender Anleihen über die letzten Jahre abschrecken lassen. Ein Blick auf die Performance-Charts dieser Investments sagt rein gar nichts über ihre zukünftige Attraktivität aus. Gleiches gilt auch für das Segment der anleihelastigen defensiven Mischfonds sowie für Unternehmensanleihen mit guter Bonität. Diesen Anlageklassen aufgrund ihrer vergangenen Wertentwicklung nun jegliche Chancen abzusprechen, wäre ein Fehler.
Vorsicht ist jedoch bei der Umsetzung geboten. Man sollte nicht unüberlegt auf besonders lange Laufzeiten wie z. B. 30 Jahre oder mehr setzen, denn auf diese Rentenpapiere wirkt der Leitzins mit einem beachtlichen Hebel. Zudem müssen sich Investoren der Währungsrisiken bei Anleiheinvestments bewusst sein, die sich aber auf Wunsch meist absichern lassen. Anleger, die langfristig in Aktien investieren, sollten sich zudem weder von Rezessionsängsten noch von den Anleiherenditen zum Markt-Timing verlocken lassen. Aktien zu verkaufen, um rechtzeitig in Anleihen umzuschichten und wieder zurück, birgt ein erhebliches Risiko. Diverse Studien belegen, dass Timing-Versuche der Depotentwicklung meist schaden, während man mit Geduld Verluste vermied. Wer jedoch längerfristig einiges Geld auf dem Tagesgeldkonto oder in einem Geldmarktfonds geparkt hat, der findet im Anleihesegment derzeit nicht nur höhere regelmäßige Zinsen, sondern auch herausragende Chancen auf Kursgewinne.
Aufgrund ihrer Zinssensitivität können langlaufende Anleihen in diesen Zeiten hervorragend Aktienmarkteinbrüche abfedern, die von einer Rezession ausgelöst werden. Gerade in Kombination mit Gold stabilisieren sie das Depot in Krisenzeiten. Während langlaufende Anleihen eine Absicherung gegen eine schlechte Wirtschaftsentwicklung versprechen, trumpft Gold als Absicherung z. B. gegen geopolitische und Systemrisiken auf, was das Edelmetall auch im Zuge des jüngsten tragischen Kriegsausbruchs im Nahen Osten unter Beweis stellte.
Wer mit Tagesgeldern & Co. zufrieden ist, der könnte Anleihen für überflüssig halten. Doch es gilt zu bedenken, dass sinkende Zinsen für das Tagesgeld im Gegensatz zu Anleihefonds die Erträge schmälern. Um ihren Optimismus zu beneiden sind Anleger, die gar nicht erst an eine Rezession glauben. Wer die Geschichte kennt, sollte die Rezession aber nicht mehr für ein Ding der Unmöglichkeit halten. Zumindest sollte man nicht überrascht sein, wenn sich die Geschichte ein Stück weit wiederholt.
Tim Bröning ist seit 2009 in der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH und verantwortlich für den Bereich Non-Insurance, Finance & Legal.