Für Influencer, die sich auf Instagram, TikTok und Youtube mit Tipps rund um Finanzen, Versicherungen oder Immobilienanlagen beschäftigen gibt es den Begriff „Finfluencer“. Die Bedeutung dieser Social-Media-Stars dürfte spätestens jedem klar geworden sein, seitdem die Bafin in einem Schreiben vor schwarzen Schafen unter ihnen warnte. Einige Finfluencer versprechen das schnelle Geld, wenige haben sogar so viel Macht, dass ihre Tipps Aktienkurse in die Höhe schießen oder einbrechen lassen.
Cash. hat mit Ricardo Tunnissen über seinen Werdegang vom Banker zum Finfluencer gesprochen. Dabei gibt er Einblicke hinter die Kulissen seiner unterhaltsamen Instagram- , TikTok und Youtube-Videos, in denen er zwar über Immobilienanlagen und Finanzthemen spricht, aber trotzdem seine Follower unterhält.
Cash.: Sie haben ursprünglich mal in einer Bank gearbeitet und heute haben Sie etwa 34.500 Follower bei Instagram und 75.500 bei TikTok. Wie kam es dazu? Sind sie jetzt hauptberuflich TikToker?
Tunnissen: Das kann man so sagen. Ich war früher bei der Bank in der privaten Baufinanzierung und in der Firmenkundenberatung. Ich hatte allerdings das Problem, dass ich am Niederrhein gelebt habe und meine Freundin in Münster. Nach fünf Jahren Fernbeziehung habe ich gemerkt, dass ich etwas ändern muss. Ich wollte die räumliche Distanz zu meiner Partnerin reduzieren.
Cash.: Da haben Sie Ihren guten Job einfach an den Nagel gehängt?
Tunnissen: Es gab erstmal keine andere Möglichkeit. Dann dachte ich: Okay, jetzt bist du in einer neuen Stadt, dich kennt hier keiner, du kennst hier keinen. Du wolltest dich sowieso immer selbständig machen, wenn nicht jetzt, wann dann? Ich habe zuerst mit meinem Blog gestartet. Dabei fehlte mir aber die Möglichkeit mich über die Themen auszutauschen, die mich interessieren wie Finanzen und Immobilienwirtschaft. Sowohl im Freundes-, Bekannten- als auch Familienkreis war das immer eher ein Gesprächskiller. So entstand vor etwa zwei Jahren die Idee einen Instagram-Kanal zu starten, aber erstmal nur um mich mit interessierten Menschen auszutauschen. Ich habe allerdings schnell festgestellt, dass das wenig bringt, wenn ich selbst keinen Content liefere und mal von meinen eigenen Investitionen berichte. Und so ist quasi der Instagram-Kanal entstanden.
Cash: Und das Geld verdienen Sie mit Werbung über die Kanäle?
Tunnissen: Genau, über die Kooperationspartner, mit denen ich zusammenarbeite. Wenn ich zum Beispiel selber Produkte nutze, dann gehe ich mit den Firmen hinterher Kooperationen ein. Ich gebe in der Instagram-Story Einblick in meinen Alltag und verlinke auf die Kooperationspartner. Und ansonsten mache ich gemeinsame Livestreams oder wenn ich zum Beispiel Suchmaschinen für Immobilien nutze, dann kann man auch darüber Kooperationen angehen.
Cash.: Sie nutzen die Plattformen also nicht, um Kunden zu gewinnen, sondern verdienen Ihr Geld über die Werbeeinnahmen.
Tunnissen: Genau. Ich habe seit 2018 keine eigenen Kunden mehr. Meine Einnahmen generieren sich über meine Website, Social Media, also über Kooperationen. Deshalb besteht mein Arbeitstag auch aus Contentproduktion. Wie kann ich Finanzinformationen vernünftig aufbereiten, sodass das zum einen informativ ist, aber auch zum anderen in irgendeiner Weise unterhaltsam, dass die Leute das auch sich gerne anschauen.
Cash.: Viele denken ja, man verdient als Influencer viel Geld ohne viel tun zu müssen.
Tunnissen: Ja ich glaube, viele unterschätzen, wie aufwendig solche Produktionen sind.
Cash.: Wie lange brauchen Sie ungefähr, bis Sie ein Video fertiggestellt haben?
Tunnissen: Also ganz am Anfang, als „Reels“ noch neu waren, habe ich für das erste Reel zwei Tage gebraucht. Ich musste mir erstmal die Ausstattung wie eine Kamera, ein Stativ oder Mikro zulegen. Und ich musste lernen: Wie kannst du die Belichtung machen? Wie musst du die Kamera positionieren? Ich hatte auch von Anfang an einen großen Fokus auf die Unterhaltung mit mir selbst, wodurch ich mit Frage und Antwort finanzielle Themen aufgreife. Aber zwei Tage pro Video ist natürlich viel zu lang, also habe ich den Prozess immer mehr automatisiert. Die Kamera ist jetzt so festgestellt, dass ich sie nicht immer wieder neu aufbauen muss. Und mittlerweile brauche ich für ein Video zwei bis drei Stunden.
Cash.: Wie wählen Sie Ihre Themen aus?
Tunnissen: Zum Teil sind es aktuelle Themen oder sie kommen aus der Community. Vieles ziehe ich zudem aus meinem Alltag. Ich investiere mein Geld ja selber, sowohl an der Börse, als auch in vermietete Immobilien. Und das Thema ‚Immobilien‘ hat einen großen Fokus bei mir auf den Kanälen, weil ich da die Leute gut mit einbeziehen kann. Wenn zum Beispiel eine Neuvermietung ansteht, was jetzt vor ein paar Tagen der Fall war: Worauf achte ich, wenn ich einen Mieter auswähle? Aber nicht nur aus Vermietersicht, sondern auch vielleicht aus Mietersicht. Wie kann ich mich gut präsentieren, dass ich möglichst eine hohe Wahrscheinlichkeit habe, eine Zusage bei der Besichtigung zu bekommen? Worauf muss ich bei der Wohnungsbesichtigung achten? Wie kann ich Fix-and-Flip-Projekt umsetzen? Mit relativ geringem Kapital eine gute Wertsteigerung erzielen?
Cash.: Was ist bei den Videos wichtig, damit die Leute auch like und teilen – die wichtigste Währung auf Social Media?
Tunnissen: Die Leute müssen das Gefühl bekommen, dass sie Dir ein wenig über die Schulter schauen dürfen. Die Videos brauchen eine persönliche Note. Was zeichnet die Person im Video aus? Was hat sie für Werte? Was macht sie eigentlich selber? Und ich glaube, das ist eine extrem wichtige Kombination. Deshalb ist es auch extrem viel Arbeit. Gerade auch die Ideenfindung, denn es müssen ja auch Ideen sein, die viele Menschen interessieren. Also muss ich genau wissen: Was interessiert meine Zielgruppe? Wo kann ich vielleicht mit Tipps unterstützend aktiv werden?
Cash.: Inzwischen gibt es ja immer mehr so genannte Finfluencer, die Finanzthemen erklären oder sogar Aktientipps geben. Wie stehen Sie zu Finfluencern, die alleine durch ihre Social Media Aktivitäten 500.000 Euro im Jahr verdienen?
Tunnissen: Ich finde es gut, sehe es aber auch kritisch. Was mir sehr gut gefällt, dass dadurch einer breiten Masse von Menschen das Thema ‚Finanzen‘ näher gebracht wird und nicht mehr so verstaubt daher kommt. Mittlerweile erreichen viele finanzielle Informationen die Menschen mitten im Alltag – auf der Couch oder in der Badewanne. Social Media schlägt da eine Brücke. Gerade die jüngere Generation kann sich nicht auf die gesetzliche Rente verlassen und muss selbst aktiv werden. Finfluencer haben zum Teil riesige Reichweite, aber genau das macht es auch gefährlich.
Cash.: Die Bafin hat ja gerade auch nochmal vor einem naiven Umgang mit Finfluencern gewarnt.
Tunnissen: Das halte ich auch für absolut richtig. Es ist wichtig, sich genau anzuschauen, was derjenige für ein Ziel verfolgt und was er für eine fachliche Qualifikation mitbringt. Gerade bei konkreten Anlagetipps sollte man auf jeden Fall sehr, sehr hellhörig werden. Dahinter kann schnell ein bezahltes Unternehmen stecken oder es wird gegen Bezahlung für eine Aktie geworben. Man muss sich immer fragen, hat dieser Mensch die fachliche Bildung.
Cash.: Wo werden Sie stutzig?
Tunnissen: Wenn konkrete Aktien beworben werden, ist das für mich ein absolutes Warnsignal. Was ich viel wichtiger finde, ist, nicht Aktien vorzustellen oder zu bewerben, sondern vielmehr der Community, Informationen an die Hand zu geben, durch sie selber in die Lage versetzt werden, Unternehmen zu bewerten. Was ist ein Kursgewinnverhältnis? Oder was hat das für eine Auswirkung vielleicht auf den Umsatz von einem Unternehmen? Mein Ziel ist es, die Leute zu befähigen, eigeninitiativ Entscheidungen zu treffen, sich selber Gedanken zu machen. Und nicht konkrete Investments vorzustellen und zu sagen: „Hier, ich habe das gekauft, kauft mir das nach!“
Cash.: Es gibt ja bereits Stimmen, die eine Regulierung von Finfluencern fordern. Halten Sie das ebenfalls für nötig?
Tunnissen: Ich wäre ein großer Fan davon, das Thema ‚Aufklärung‘ mehr in den Vordergrund zu stellen und weniger zu regulieren. Menschen, die sich auf Social Media bewegen, müssen – vielleicht auch schon in der Schule – sensibilisiert werden. Worauf muss ich achten? Also das, was die BaFin auch schon in ihrem Brief geschrieben hat, aber das noch mehr den Menschen bewusst zu machen: Do your own research! Das wäre mein Ansatz.
Cash.: Wie alt sind denn Ihre Follower?
Tunnissen: Meine Zielgruppe auf Instagram ist eher jünger also zwischen 18 und 35 Jahre alt. 80 Prozent meiner Follower sind männlich. Auf TikTok sieht das Ganze anders aus. Dort habe ich ungefähr 50 Prozent männliche, 50 Prozent weibliche Follower. Und auf TikTok ist meine Zielgruppe auch deutlich jünger. Erst vor kurzem habe ich dazu eine Umfrage gemacht: Schreibt mir doch mal einfach in die Kommentare, wie alt seid ihr eigentlich? Der Jüngste war tatsächlich 12 Jahre alt. Das fand ich total cool. Der Durchschnitt bei TikTok wird zwischen 16 und 25 Jahren liegen.
Cash.: Ist TikTok auch aufwendiger in der Produktion?
Tunnissen: Dass es auf TikTok nur Videos gibt, macht es auf der einen Seite sehr aufwendig, auf der anderen Seite, fährt auch Instagram immer mehr in dieser Videoschiene. Ich produziere also ein Video, was gut ist, kann das aber auf beiden Plattformen und vielleicht noch auf Youtube Short hochladen ohne Mehrarbeit zu haben. Trotzdem ist die Videoproduktion als solche natürlich unfassbar aufwendig.
Cash.: Sie machen aber bezüglich der Inhalte keinen großen Unterschied zwischen Instagram und TikTok?
Tunnissen: Ich lade auf beiden Plattformen die gleichen Videos hoch. Es gibt aber Unterschiede: Bei Instagram kommen Videos deutlich besser an, die fachlicher sind und die auch mehr auf das Thema Immobilien fokussiert sind. Auf TikTok funktionieren für mich am besten Videos, die gesellschaftskritisch sind, beispielsweise, was wahrscheinlich viele von uns auch kennen: „Über Geld spricht man nicht!“ Das greife ich dann auch in den Videos auf, wo ich zwei Rollen annehme: Einmal das Kind spricht mit dem Vater oder mit der Mutter und dann fragt das Kind „Papa, Papa, wie werde ich eigentlich später vermögend?“ Und dann sagt der Papa „Ach, über Geld spricht man nicht!“ Und dann kommt ein paar Sekunden später der Blick in zehn Jahren und auf einmal weiß das Kind gar nicht so richtig: Wie muss ich eigentlich meine Finanzen organisieren? Wie funktioniert eigentlich so eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung? Was ist ein Haushaltsbuch? Als ich damals den TikTok-Kanal frisch gegründet hatte und 25 Abonnenten hatte, war das zweite Video, was ich da jemals hochgeladen habe, genau so eins und das hat mittlerweile 1,9 Millionen Aufrufe. Dabei war ich mir vorher selbst nicht ganz sicher, ob ich nicht zu alt für TikTok bin.
Cash.: Verraten Sie uns Ihr Alter?
Tunnissen: Ich bin 27 Jahre alt.
Cash.: Also noch gerade jung genug für TikTok
Tunnissen: Ganz knapp (lacht), aber man darf TikTok trotzdem auch für Unternehmen nicht unterschätzen. Jede Social Media Plattform war in ihren Anfängen eigentlich für Kinder oder Jugendliche. Vor einige Jahren haben auf Instagram Schüler und Studenten ihre Bilder ausgetauscht. Aber Finanzthemen oder Versicherungsthemen finden auch jetzt schon ihre Zielgruppe bei TikTok, wenn man sie richtig aufbereitet. Man muss eine wirklich gute Geschichte produzieren und diese mit Informationen zu kombinieren.
Cash.: Viele Finanzberater oder Versicherungsvermittler spielen auch mit dem Gedanken, sich auf Social Media zu präsentieren? Kann man darüber Neukunden gewinnen? Wie ist da Ihre Einschätzung?
Tunnissen: Klar ist: Es ist verdammt viel Arbeit, aber ich glaube, das lohnt sich enorm, wenn man es richtig angeht. Also wenn man wirklich sich hinsetzt und sagt „Okay, ich will jetzt diesen Kanal richtig vernünftig aufbereiten.“ Halbherzig bringt da leider nicht viel. Wenn es aber richtig gut gemacht ist, kann es ein unglaublicher Hebe seinl, weil der Algorithmus einem enorm in die Karten spielt. Und der Algorithmus spielt quasi das Video, die eigene Dienstleistung, das eigene Unternehmen an eine unbegrenzte Zahl an Menschen aus, die sich bereits für ein bestimmtes Thema interessiert. Man kann sein Gesicht immer wieder der Zielgruppe vor Augen halten. Und ich glaube, wenn ich jetzt als Schüler oder als junger Mensch auf Social Media aktiv bin und da ist immer wieder jemand aus dem Versicherungsbereich, der mir nützliche Tipps gibt, dann gewinne ich ein gewisses Vertrauen. Die Qualität auf Social Media hat in den letzten Jahren natürlich enorm angezogen. Aber die Kosten für ein erstes technische Set-up sind im Vergleich zum Potenzial wirklich gering.
Cash.: Was ist Ihr wichtigster Tipp, wenn man gerade anfängt?
Tunnissen: Machen, machen, machen, verbessern, Fehler machen, aus den Fehlern lernen. So kann ich auch als Versicherungsmakler extrem erfolgreich sein auf Social Media. Und natürlich den Humor nicht vergessen – eigentlich sollte es einem im Beste Fall Spaß machen. Aber vielleicht das allerwichtigste dabei: Durchhaltevermögen.