Riester-Reform & Vorsorgedepot: Fünf Kritikpunkte zur pAV-Reform

Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter
Foto: Die Stuttgarter
Dr. Guido Bader: "Die Politik muss dafür sorgen, dass das Produkt nicht nur flexibler sondern auch sicherer wird."

EXKLUSIV Über 16 Millionen Verträge in rund 22 Jahren. Doch permanente Kritik durch Verbraucherschützer, handwerkliche Fehler etwa in der Zulagenförderung, niedrige Zinsen und restriktive Vorgaben in der Anlagepolitik haben die „Riester-Rente“ auf das Abstellgleis geführt. Mit dem Neustart hat eine staatlich geförderte private Altersvorsorge – wie immer sie heißen mag – wieder Chancen im Markt. Von Dr. Guido Bader

Einst ist sie als Revolution für die private Altersvorsorge gestartet – die Riester-Rente. Doch 22 Jahre nach ihrer Einführung ist absolute Ernüchterung eingetreten. Neuabschlüsse sind kaum existent, seit Jahren steht das Produkt in der Kritik. Dabei war und ist die Idee einer staatlich geförderten privaten Altersvorsorge für die breite Bevölkerung mehr als wichtig und richtig.

Die geplante Reform ist also ein notwendiger Schritt, um Vertrauen zurückzugewinnen. Kürzlich wurde der Referentenentwurf zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (pAV-Reformgesetz) vorgelegt, dessen neue Regeln ab 2026 gelten sollen. Wie sind die Regelungen in diesem Zusammenhang zu bewerten?

Garantieprodukte und Altersvorsorgedepot

Altersvorsorgende haben ab Januar 2026 die Wahl zwischen verschiedenen Anlageformen. Einerseits Garantieprodukte, die der bisherigen Riester-Rente ähneln. Hier gibt es zukünftig zwei Garantiestufen von 80 und 100 Prozent. Andererseits wird es das Altersvorsorgedepot ohne Garantien geben. Vorsorgesparerinnen und -sparer können damit beispielsweise in Fonds oder ETFs investieren und erhalten ebenfalls eine staatliche Förderung. Das Altersvorsorgedepot kann auch von Lebensversicherern als fondsgebundene Lebensversicherung angeboten werden. Hinsichtlich der Förderung bleibt es bei Zulagen beziehungsweise einer steuerlichen Förderung.


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Für jeden Euro, der in das Vorsorgeprodukte fließt, gibt es 20 Cent vom Staat als Grundzulage obendrauf. Dafür müssen mindestens 120 Euro im Jahr angespart werden. Die geförderte Höchstgrenze liegt bei 3.000 Euro, was einer maximalen Förderung von 600 Euro im Jahr entspricht. Für Gutverdiener ist interessant, dass künftig bis zu 3.000 Euro als Sonderausgaben geltend gemacht werden können. Ab 2030 sogar bis zu 3.500 Euro.

Für Familien gibt es eine zusätzliche jährliche Förderung – Eltern erhalten pro Kind eine Zulage von 25 Cent pro Vorsorge-Euro. Maximal beträgt sie 300 Euro pro Kind. Bezieher von Jahreseinkommen unter 26.250 Euro erhalten zudem eine Bonuszulage von 175 Euro pro Jahr. Berufseinsteiger unter 25 Jahren können bis zu drei Jahre einen jährlichen Bonus von 200 Euro erhalten.

Absenkung der Garantien: ein überfälliger Schritt

Die Einführung einer 80-Prozent-Garantie halte ich für längst überfällig – ich habe sie schon vor mehr als zehn Jahren gefordert. Die bisherigen 100-Prozent-Garantien haben das Produkt massiv eingeschränkt und chancenorientierte Anlagestrategien verhindert. Durch die Absenkung auf 80 Prozent entsteht endlich Spielraum, den wir Anbieter brauchen, um hybride Produkte mit einem stärkeren Fokus auf renditestarke Anlagen zu entwickeln.

Das Altersvorsorge-Depot mag eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Versicherungslösung darstellen. Mit diesem können Sparerinnen und Sparer stark chancenorientiert investieren, ohne dabei auf staatliche Förderung verzichten zu müssen. Kritisch sehe ich allerdings die geplante 0-Prozent-Garantie.

Erster Kritikpunkt: Die 80-Prozent-Garantie sollte in meinen Augen die Norm sein. Die 0-Prozent-Variante halte ich hingegen für nicht richtig. Ein staatlich gefördertes Altersvorsorgeprodukt sollte eine gewisse Grundabsicherung bieten, da Totalverluste, wie zuletzt beispielsweise bei bestimmten Russland-Fonds, leider nie völlig auszuschließen sind.

Höchstbeträge: fehlende Dynamisierung

Ein weiteres wesentliches Reformvorhaben ist die Anhebung des steuerlich geförderten Höchstbetrags. Dieser lag zuletzt, angesichts hoher Inflation und der zu erwartenden Rentenlücken, viel zu niedrig. Die höhere Obergrenze von 3.000 Euro, später 3.500 Euro gibt Sparerinnen und Sparern nicht nur mehr Spielraum, um steuerlich begünstigt für das Alter vorzusorgen. Sondern sie trägt auch dazu bei, die sinkenden Rentenniveaus zu kompensieren. Zudem macht die Verwaltung größerer Beiträge die Verträge für die Anbieter effizienter, was am Ende wiederum den Versicherten zugutekommt.

Zweiter Kritikpunkt: Es ist unverständlich, dass es über die beschlossenen Erhöhungen hinaus keine kontinuierliche Dynamisierung gibt. Hier hätte ich mir eine Koppelung an die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung vorstellen können.

Zulagensystem: könnte noch einfacher sein

Das Zulagensystem war eines der größten Hindernisse für die breite Akzeptanz der Riester-Rente. Zu kompliziert, für viele unverständlich und es führte aufgrund von Rückforderungen immer wieder zu Verunsicherung bei den Sparern. Was ich in dem Zusammenhang als besonders wichtig erachte, berücksichtigt das Reformgesetz: die Förderung von Familien mit Kindern und von Geringverdienern. Auch der Berufseinsteiger-Bonus ist eine sehr gute Idee. Höhere Einkommensgruppen hingegen werden durch die steuerliche Förderung begünstigt.

Dritter Kritikpunkt: Die Zulagen sowie die Förderung hätten noch stärker vereinfacht und transparenter gestaltet werden können. 20 Cent Förderung bei Erwachsenen, aber 25 Cent bei Kindern. 175 Euro bei Geringverdienern, bei Berufseinsteigern jedoch 200 Euro. Hier hätte der Gesetzgeber in der Vereinfachung noch weiter gehen können.

Bürokratie: Umsetzung komplex und teuer

Auch hinsichtlich der Bürokratie, die die Reform auslöst, war eine Vereinfachung mehr als wünschenswert. Denn Regeln und Vorgaben machen Produkte nicht nur sicherer, sondern auch teurer. Hier bleibt das neue Gesetz nicht nur hinter den Erwartungen zurück. Sondern es ist ein deutlicher Bürokratie-Aufbau zu befürchten. Stichworte sind beispielsweise die Einführung einer Positivliste und eines Referenzdepots unter der Ägide der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Bezeichnend in dem Zusammenhang, dass die vorgeschriebene Vergleichsplattform nicht zum Start der Regelungen Anfang 2026 fertig sein soll. Dazu kommen vorgesehene Wechselmöglichkeiten, Anpassungen in Riester-Altbeständen, erneut geänderte vorvertragliche Informationen, etc.

Vierter Kritikpunkt: Die Folgen für die technische und regulatorische Umsetzung der Reform sind nicht ausreichend bedacht worden. Das wird komplexer und teurer als es müsste – und das geht zu Lasten der Altersvorsorgesparenden.

Lebenslange Rente: unverzichtbarer Bestandteil

Der für mich kritischste Punkt der Reform – der Auszahlungsplan bis mindestens zum Alter von 85 Jahren. Die Menschen benötigen bis ins hohe Alter, bis zum Tod ein gesichertes Einkommen. Auszahlungspläne stellen dies nicht sicher und haben die große Gefahr, dass den Menschen im hohen Alter das Geld nicht mehr ausreicht, beispielsweise für die immer teurer werdende Pflege. Infolgedessen muss der Staat dann wieder finanziell und organisatorisch unterstützen. Dies verlagert Probleme weit in die Zukunft – die dann ganz andere Politiker wieder lösen müssen.

Fünfter Kritikpunkt: Eine staatlich geförderte Altersvorsorge MUSS für mich eine lebenslange Rentenzahlung vorsehen. Alles andere ist ein fahrlässiger Umgang mit Steuergeldern. Das Langlebigkeitsrisiko muss abgesichert sein. Auszahlungspläne sind ein zu hohes Risiko, da sie die Gefahr bergen, dass im Alter das Geld ausgeht, was am Ende Staat und Allgemeinheit belastet.

Eine Reform mit Potenzial, aber auch Herausforderungen

Die vorgelegte Riester-Reform – ein neuer Name wird auch hilfreich sein, die belastete Vergangenheit hinter sich zu lassen – bietet die Chance, die staatlich geförderte private Altersvorsorge in Deutschland wieder zu stärken. Die Absenkung der Garantien und die Erhöhung der förderfähigen Höchstbeträge sind vielversprechende Schritte. Die Politik muss jedoch nicht nur dafür sorgen, dass das Produkt flexibler wird, sondern auch sicher bleibt.

Gleichzeitig müssen die Bürokratie reduziert, das Zulagensystem vereinfacht und eine lebenslange Rente sichergestellt werden. Das, sich nun anschließende, Gesetzgebungsverfahren bietet Raum und Gelegenheit, noch an der einen oder anderen Stellschraube zu drehen. Hier sehe ich dringende Anpassungsbedarfe, damit die „neue Riester-Rente“ langfristig erfolgreich sein und Millionen von Menschen eine solide private Vorsorge ermöglichen wird.

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