Herr Caceres, Herr Dorn, Herr Nuschele, wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Wie können Kapitalanleger jetzt richtig reagieren?
Caceres: Denken wir daran, dass Altersvorsorge eine langfristige Angelegenheit ist. Auch in und nach Krisenzeiten gibt es oft Erholungsphasen. Man darf sich halt von den kurzfristigen Schwankungen nicht verunsichern lassen. Ein zweiter Punkt ist die Diversifikation. Streuung über verschiedene Anteilklassen, Länder und Sektoren. Das verringert das Risiko und Verluste können dadurch auch auf der anderen Seite durch die Gewinne ausgeglichen werden. Und dafür eignen sich Investmentfonds sehr gut. Und was auch sehr wichtig ist, Beratungen in Anspruch nehmen. Wenn sich ein Privatanleger unsicher fühlt, ist es hilfreich, einen Anlageberater hinzuzuziehen, der hilft, die persönlich passende Anlagestrategie für die Altersvorsorge auszusuchen und diese regelmäßig bei Bedarf anzupassen.
Dorn: Idealerweise ist der Kunde so aufgestellt, dass er Krisen möglichst gut abfedern und von Erholungsphasen profitieren kann – allerdings ist das oft leichter gesagt als getan. Beratung spielt hierbei eine zentrale Rolle, vorausgesetzt, Berater sind befähigt, individuell passende, breit diversifizierte Portfolios zu erstellen. Eine Stichproben-Untersuchung von 3.500 Fondspolicen-Depots ergab, dass gerade einmal ein Drittel der Kunden im passenden Risikoprofil investiert ist. Viele sind für Krisen überhaupt nicht gut aufgestellt. Und das ist eine echte Herausforderung.
Nuschele: Die Antwort lautet: Mit offenem Visier. Gerade in Zeiten multipler Krisen, wenn die Märkte turbulent sind, die Welt unbeständig wirkt und die Nervosität steigt, ist es wichtiger denn je, das Thema Altersvorsorge aktiv anzugehen. Genau jetzt ist der Zeitpunkt, sich damit auseinanderzusetzen, da die bisher bewährten Systeme vielleicht nicht mehr so stabil funktionieren wie in den letzten fünf bis sieben Jahren.
Das heißt konkret?
Nuschele: Aktienrenditen, insbesondere europäischer Aktien, sind heute anders zu bewerten. Niemand würde aktuell eine langfristige Rendite von acht bis zehn Prozent über zehn Jahre als selbstverständlich betrachten. Die Welt und die Märkte haben sich verändert, und genau deshalb waren Berater früher oft zurückhaltend, Kunden auf Verluste anzusprechen – wie erklärt man, dass eine Fondspolice plötzlich 15 Prozent weniger wert ist als im Vorjahr? Der Schlüssel liegt darin, realistische Erwartungen zu kommunizieren und zu verdeutlichen, dass Schwankungen normal sind und langfristiges Denken zählt. Die Herausforderung besteht darin, Risiko und Volatilität verständlich zu vermitteln, damit Kunden wissen, was sie von einem Investment erwarten können – gerade in Krisenzeiten ist ein offenes Gespräch hier besonders wichtig.
Herr Dorn, Sie sagten, ein Drittel der Kunden ist nur im richtigen Risikoprofil. Wie kommt das?
Dorn: Es handelt sich zunächst um eine Kennzahl, ohne Bewertung der Branche. Interessant ist jedoch, wie gering die Quote an Shift- und Switch-Prozessen in bestehenden Verträgen ist. Oft wird die Buy-and-Hold-Strategie angewendet, bei der die Startallokation langfristig gehalten wird, was zu seltenen Anpassungen führt. Wichtig ist, Kundenprofile regelmäßig zu überprüfen, um sicherzustellen, dass das Investment noch zur aktuellen Marktsituation und den Bedürfnissen des Kunden passt. Ein Lifecycle-Modell könnte hier eine Lösung bieten, da es kontinuierliche Anpassungen ermöglicht. Flexibilität sollte das Investment betreffen, um es an die individuelle Situation und die Marktdynamik anzupassen. Es geht darum, dafür Lösungen und Optionen für Berater und Kunden zu schaffen.
Caceres: Aus Investment-Sicht betrachtet, ist eine Fondspolice ein langfristiges Produkt – typischerweise über zwölf, oft sogar 30 bis 40 Jahre, besonders bei Kinderpolicen, die ab der Geburt beginnen können. Langfristig bieten Aktien die besten Renditechancen. Die Herausforderung liegt dabei weniger in der Volatilität und den regelmäßigen Drawdowns, sondern vielmehr darin, den Cost-Average-Effekt des Sparplans optimal zu nutzen, um durch den Kauf zu niedrigen Kursen von der Volatilität zu profitieren. Ein guter globaler Aktienfonds ist langfristig oft sinnvoll. Fondspolicen bieten den Vorteil, dass sie in den letzten Jahren vor der Auszahlung in sicherere Anlagen umschichten, um die Volatilität zu reduzieren und Wertverluste zu minimieren.
Was macht eigentlich die derzeitige Situation mit der Bereitschaft der Menschen, mit dem Thema Altersvorsorge das Thema Altersvorsorge anzugehen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich fast 50 Prozent der Generation Z noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben.
Caceres: Das Bewusstsein der Notwendigkeit für die eigene Altersvorsorge etwas zu machen, ist enorm wichtig. Immer mehr Menschen wird es klar, dass die gesetzliche Rente oft nicht ausreicht, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Der einfache Zugang zu Informationen über das Internet und soziale Medien erleichtert die Auseinandersetzung mit Finanzplanung und Altersvorsorge. Bei der Altersvorsorge ist die Kraft des Zinseszinseffektes nicht zu unterschätzen: Je früher man anfängt, desto höher sind die Möglichkeiten, ein höheres Endkapital zu erreichen. Ein Beispiel: Ein 20-Jähriger, der monatlich 100 Euro in einen globalen Aktienfonds mit bspw. acht Prozent Rendite investiert, verdoppelt sein Kapital zum Rentenbeginn mit 67 Jahren im Vergleich zu einem 30-Jährigen, der zehn Jahre später beginnt. Diese Erkenntnis sollte Junge Leute motivieren, frühzeitig zu investieren, und Fonds und eine Fondspolice sind passende Lösungen.
Nuschele: Laut der Studie haben etwas weniger als die Hälfte der jungen Menschen zwischen 18 und 31 bereits mit der Altersvorsorge begonnen – was nicht überraschend ist. In dieser Altersgruppe ist dieser Wert aber durchaus positiv. Bemerkenswert ist, dass 78 Prozent dieser Altersgruppe sich des Themas Altersvorsorge bewusst sind und über die Hälfte es wichtig finden, sich regelmäßig mit Finanzen zu beschäftigen. Es ist verständlich, dass jemand, der noch am Anfang seines Berufslebens steht, noch nicht jeden Monat gezielt für die Rente spart, um später ein komfortables Leben zu führen. Beunruhigend wäre es eher, wenn das Bewusstsein für Altersvorsorge generell fehlte. Die Altersvorsorge bleibt ein wichtiges Thema, das angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten zusätzliche Aufmerksamkeit benötigt. Denn die Altersvorsorge ist natürlich bedroht.
Dorn: Die Wahrnehmung und das Bewusstsein für Altersvorsorge und Finanzen haben sich stark verändert. Früher war eine Lebensversicherung selbstverständlich. Heute ist die Welt komplexer, und es ist wichtig, schon früh ein Bewusstsein für diese Themen zu schaffen. Altersvorsorge, Finanzen und der Umgang mit Geld sollten verstärkt in der Schule behandelt werden. Diese Botschaft richtet sich an Politik und Verbände: Es ist entscheidend, das Bewusstsein für finanzielle Themen frühzeitig zu fördern, damit junge Menschen deren Bedeutung erkennen und motiviert sind, sich damit zu beschäftigen. Berufseinsteiger und junge Menschen haben heute andere Ansprüche an die Altersvorsorge als frühere Generationen. Daher ist es wichtig, qualifizierte Beratung zu fördern, um individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen und langfristige finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Trotz oder gerade wegen „Do it yourself“ braucht es bei komplexen Themen wie Altersvorsorge und Finanzen professionelle Beratung.
Stichwort Reform der privaten Altersvorsorge. Ein Bestandteil soll das Altersvorsorge-Depot sein. Welche Auswirkungen wird das auf den Absatz vom Fondspolicen haben?
Caceres: Regulatorische Unterstützung könnte Fondspolicen und Fonds erheblich fördern. Und politische Maßnahmen zur Stärkung der privaten Altersvorsorge würden ihnen Auftrieb verleihen. Fondspolicen bieten Flexibilität und Risikostreuung. Besonders bei aktiv gemanagten Fonds profitieren Anleger von der Expertise der Profis – sei es bei globalen Aktien-, Misch- oder Rentenfonds. Ein Altersvorsorge-Depot, ähnlich den Fondsplänen in den USA, könnte das Bewusstsein stärken. Auch bei ACATIS sehen wir hierin eine große Chance und engagieren uns mit unseren Fondslösungen.
Nuschele: Es bleibt abzuwarten, wie einfach die Beratung sein wird, da der Referentenentwurf bereits viel Komplexität zeigt. Der Grundgedanke ist jedoch sehr gut und unterstützenswert. Es bleibt offen, ob das Depot speziell für die fondsgebundene Altersvorsorge gedacht ist oder als Alternative zu bestehenden Lebens- und Rentenversicherungen dient. Die Förderfähigkeit ist positiv, da Kunden wählen können, welches Produkt am besten passt. Es gibt fünf oder sechs Varianten, wobei die reine Fondspolice nur eine davon ist. Das Depot bietet einen wichtigen Anlass für Beratung, da Altersvorsorgeprodukte selten aktiv nachgefragt, sondern empfohlen werden. Diese Struktur schafft Chancen für umfassende Beratungsgespräche, die auch fondsgebundene Versicherungen fördern können.
Es gibt in dem Zusammenhang deutliche Kritik an der Altersvorsorge mit Lebens- und Rentenversicherungen. Sind Fondspolicen und der provisionsgebundene Vertrieb wirklich für die Altersvorsorge ungeeignet und ETFs die bessere Alternative?
Nuschele: Versicherungen und ETFs ergänzen sich gut, und passives Investieren ist gefragt. Bei unabhängigen Vertrieben geht jeder zweite Euro in passive Investments, besonders in Fondspolicen – bei uns sogar mehr. Beratung konzentriert sich stärker auf Kosten und Passgenauigkeit. Ein reiner ETF-Ansatz kann sinnvoll sein, aber ein Mix aus Depot-Sparen und aktiven sowie passiven Fonds ist ideal. Acatis ist ein Partner für aktives Investieren und zeigt, dass Beratung oft individueller ist als von Verbraucherschützern wahrgenommen. Steuerliche Versicherungsmäntel und Lösungen für biometrische Risiken sind wichtig. Der dogmatische Ansatz gegen Provisionsmodelle ist problematisch – eine gute Beratung hat ihren Wert und eine faire Courtage ist die passende Vergütung.
Caceres: Meiner Meinung nach ist die Konsultation eines Anlageberaters entscheidend, besonders wenn es um mehr als nur ETFs geht. Ich verstehe, dass ETFs ein einfacher Einstieg sind, was auch von Influencern auf Plattformen wie YouTube stark beworben wird. Zu aktiven Fonds findet man dort wenig. Doch es kommt oft der Punkt, an dem man überlegt, weiter zu diversifizieren und einen Berater hinzuzuziehen. Eine Core-Satellite-Strategie, die ETFs mit aktiven Fonds in einer Fondspolice kombiniert, kann gut funktionieren. Aktive Fonds sind besonders sinnvoll, wenn man auf Volatilität und Risiko achten möchte. Einige Mischfonds sind darauf ausgelegt, Schwankungen zu minimieren, und eignen sich gut für moderat investierte Kunden. Deshalb ist hier die Konsultation eines Anlageberaters so wichtig. Sie leisten hervorragende Arbeit und verdienen ihre Vergütung durch echten Mehrwert für den Kunden mit passenden, kompetent vermittelten Produkten.
Dorn: Ich finde diese ideologisch geführte Diskussion furchtbar. Das ist eine Art Klassenkampf. Unsere Aufgabe ist es, solide Arbeit zu leisten und den Mehrwert, den wir bieten, klar zu dokumentieren. Beraterinnen und Berater begegnen oft Kunden mit vorgefertigten Meinungen, beeinflusst von Verbraucherschützern, Magazinen, TV-Experten oder Internetquellen. Viele kommen mit dem Ansatz „Geiz ist geil“ und denken, ein ETF sei die Lösung für die Altersvorsorge. Es mag funktionieren, aber die Herausforderung für Berater ist, Kunden dort abzuholen, wo sie sind, und ihnen die Vorteile fundierter Beratung aufzuzeigen. Es geht darum, Alternativen und komplexere Zusammenhänge zu erklären, die in oberflächlichen Social-Media-Diskussionen nicht dargestellt werden können. Aktive Fonds schlagen in bestimmten Anlageklassen auch Indizes, ein wichtiger Punkt, der in Beratungsgesprächen verdeutlicht werden muss. Gute Beratung hat ihren Preis, da sie eine geldwerte Leistung darstellt, die Vorteile für den Kunden schafft. Unsere Aufgabe ist es, zu zeigen, dass der Preis für Beratung einen echten Mehrwert generiert.