Lassen Sie uns auf aktive und passive Ansätze im Markt schauen. Welchen Stellenwert haben sie aktuell?
Nuschele: Passives Investieren hat bei uns derzeit die Nase vorn, vor allem bei Basis-Investments in unseren Fondspolicen, die meist aus Multi-Asset-Lösungen oder global gestreuten passiven Fonds bestehen. Wir setzen auf passive Investments, was inhaltlich kaum, aber kostenstrukturell etwas anders ist als ETFs. Der Trend zu passiven Ansätzen ist bei Fondspolicen besonders stark, vor allem im Kern der Investmentstrategie. Ergänzend dazu wird oft geschaut, welches zusätzliche Portfolio aufgebaut werden kann. Im Ansparbereich wird oft ein höheres Risiko gewählt, um langfristig bessere Erträge zu erzielen. Bei Einmalanlagen, die einen großen Teil unseres Neugeschäfts ausmachen, setzen wir meist auf Ankerinvestments mit moderatem Risiko und günstigen Kosten, ergänzt durch aktiv gemanagte Teile. Unsere Kunden fahren mit dieser Mischung grundsätzlich gut.
Caceres: ETFs und passive Fonds sind beliebt, da sie kostengünstig und transparent sind. Anleger schätzen die Kontrolle ohne hohe Provisionen. Beide Ansätze – ETFs und aktive Fonds – haben ihre Berechtigung: ETFs folgen dem Markt, nach oben, und 1:1 auch nach unten. Aktive Fonds haben das Ziel eine Outperformance ihrer jeweiligen Benchmark zu generieren, und je nach Strategie auch nach unten, sogenannte Drawdowns und Volatilität zu vermeiden. Und das gelingt vielen aktiven Fondsmanagern sehr gut, mehr als viele denken. Beide Ansätze haben ihren Platz im Portfolio.
Dorn: Ein wichtiges Zusatzargument für Versicherungsprodukte, besonders bei aktiv gemanagten Fonds, ist die Möglichkeit, auf Clean-Share-Classes und Retrozessionen zurückzugreifen. Diese Vorteile sind schwer in einem Instagram-Post zu erklären, aber essenziell in der Beratung und sollten Kunden bekannt sein. Oft geraten diese Aspekte in den Hintergrund, weil wir uns durch aggressive Argumentationen in die Defensive drängen lassen, statt die Vorteile klar zu betonen. Christian Nuschele erwähnte, dass ein Vermögensportfolio vielfältige Bausteine umfasst: Direktinvestments wie ETFs, Versicherungsprodukte, Immobilien etc. Diese differenzierte Betrachtung ist wichtig. Und wir sollten diese in die Beratung einfließen lassen.
Es gibt erste Lebensversicherer, die nachhaltig ausgerichtete ELTIF‘s im Rahmen der privaten Altersvorsorge anbieten, also mit Möglichkeiten von Direktinvestments in Sachwertfonds wie Wind-, Wasser- und Solarkraft. Wie bewerten Sie die Produktgattung? Und welche Rolle spielt aktuell Nachhaltigkeit bei Fondspolicen?
Dorn: Den Kunden Optionen zu geben, ja, keine Frage. Ich glaube allerdings nicht, dass diese Produkte die Investmentwelt in Fondpolicen erdrutschartig verändern oder andersrum formuliert, es ist okay, wenn sie da sind, aber es gibt keine große Veränderung, um es mal ein bisschen hemdsärmelig zu formulieren.
Caceres: Fondspolicen sind deutlich grüner geworden. Wir haben zum Beispiel einen Artikel-9-Mischfonds, der bei Lebensversicherern gut platziert ist und die Nachhaltigkeit bis in die Lieferketten der Unternehmen prüft und auch gute Performance liefert. Nachhaltigkeit ist wichtig, auch wenn momentan das Momentum fehlt. Mittel- und langfristig wird sich das ändern, sobald die Renditen in diesem Bereich wieder steigen. Dafür ist die EU-Kommission und die Politik gefragt, um klare Definitionen für Nachhaltigkeit zu schaffen. Die SFDR-Klassifizierungen 6, 8 und 9 müssen verständlich gemacht werden, damit sie einfacher an Kunden vermittelt werden können.
Nuschele: Ich stimme zu, dass Fondspolicen nachhaltiger geworden sind, da bei der Fondauswahl – wenn verfügbar – immer zuerst die nachhaltige Tranche gewählt wird und nicht die herkömmliche. Enttäuscht bin ich allerdings beim Thema Nachhaltigkeitsberatung. Der EU-weit entwickelte Beratungsprozess ist meiner Meinung nach nicht praxistauglich. Hier besteht dringender Nachholbedarf. Ich bin überzeugt, dass Nachhaltigkeit in jeder Beratung ein Thema sein muss, und als Branche sollten wir dies aktiv unterstützen. Derzeit findet dies jedoch nicht auf breiter Basis statt.
Was bremst genau?
Nuschele: Die Nachhaltigkeitsberatung in Fondspolicen, besonders taxonomiekonform, ist komplex und führt oft zu Beratungsabbrüchen aufgrund schwieriger Erklärungen. Die Vorgaben sind zu kompliziert und bremsen den Prozess. Ein weiteres Hindernis ist die Performanceabhängigkeit der Beratung: Herkömmliche, also nicht nachhaltige Anlagen wie Rheinmetall-Aktien haben in den letzten Jahren oft besser abgeschnitten als nachhaltige Anlagen, die 2020/21 gefragter waren. Doch dies hat sich gewandelt. In der bAV ist Nachhaltigkeit stärker verankert, da Arbeitgeber ein Konzept erstellen und berichten müssen. Für Arbeitnehmer und private Sparer wirken die komplexen Begriffe oft abschreckend und erschweren die Akzeptanz.
Dorn: Nachhaltigkeit in Fondspolicen ist wichtig, jedoch schwer umsetzbar, da der Prozess komplex ist. Fachmedien behaupten, es gäbe wenig Nachfrage – ich bezweifle das. Vielmehr kämpfen Berater mit der Komplexität, wie bei der Erstellung eines Nachhaltigkeitsprofils oder der verständlichen Erklärung von Nachhaltigkeitsaspekten. Portfolios nach Nachhaltigkeitskriterien zu gestalten, bringt Herausforderungen für Rendite und Risiko. Auf unserer Plattform sehen wir, dass in drei Viertel der Fälle zunächst ohne Nachhaltigkeit beraten wird, bis ein zweiter Durchlauf mit Nachhaltigkeitsaspekten erfolgt, oft ohne große Rendite- oder Risikounterschiede. Die Herausforderung ist, diese Komplexität verständlich darzustellen und Portfolios an veränderte SFDR-Klassifizierungen anzupassen, etwa wenn ein Artikel-9-Fonds zu einem Artikel-8- oder 6-Produkt wird. Es braucht Vereinfachungen und regulatorische Verbesserungen, da Interesse und Bedarf vorhanden sind.
Caceres: Wir nehmen wir das Thema Nachhaltigkeit sehr ernst. Wir haben dafür unsere Tochtergesellschaft ACATIS Fair Value Investment AG gegründet, mit vollem Fokus auf unsere Artikel 9 Fonds. Seit Jahren achten wir genau auf Nachhaltigkeit und führen viele Gespräche mit Kunden und hören oft, dass die Erklärung für sie schwierig ist und die Performance ebenfalls eine Rolle spielt. Diese beiden Aspekte hindern aktuell das Momentum. Wenn der Beratungsprozess einfacher wäre, sodass Berater es klar vermitteln könnten, würde das Interesse steigen. Der Bedarf ist da, und die Menschen möchten eine bessere Welt gestalten, was sich gut über nachhaltige Produkte umsetzen lässt. Für uns ist das ein wichtiger Aspekt, und wir bleiben konsequent am Ball. Nachhaltigkeit bleibt für uns ein großes Zukunftsthema.
Wie gehen Sie als Lebensversicherer und Investmentgesellschaft mit dem Thema „Value for Money“ um?
Nuschele: Also Value for Money und Produkt-Governance setzen klare Vorgaben: Für wen ist das Produkt geeignet, welche Kosten entstehen, und wie wird es vertrieben? Für jeden Kundentyp muss die Tragfähigkeit ermittelt werden, also welchen Ertrag es bringt. Als reguliertes Unternehmen müssen wir zudem prüfen, wie rentabel wir es anbieten können und natürlich auch die Vermittler berücksichtigen. Einige Investments, besonders mit hohen Kapitalanlage- oder Transaktionskosten, werden bei uns daher nicht mehr verfügbar sein, es sei denn, sie zeigen eine ausreichende Performance, um die Kosten zu rechtfertigen. Wir wählen unsere Produkte sehr genau aus und rechnen die Tragfähigkeit seit Jahren durch. Bei neuen Produkten prüfen wir genau, ob sie für alle Parteien sinnvoll sind. Wenn dies nicht der Fall ist, bieten wir sie nicht an.
Caceres: Als aktiver Fondsmanager ist es unser Ziel, mittel- und langfristig eine Outperformance zu erzielen und Qualität zu liefern. Unser „Value for Money“ besteht darin, diesen Mehrwert tatsächlich zu bieten. Natürlich ist das Kostenthema relevant, wir bieten dazu unsere Clean-Share- und institutionellen Anteilsklassen im fondsgebundenen Geschäft an. Der Fokus liegt für uns darauf, den Mehrwert eines aktiven Fonds zu schaffen. Für Fonds, die nur nahe an der Benchmark agieren, wird es schwer, sich zu behaupten. Hier muss man deutlich mehr leisten, sonst ist der Unterschied zu ETFs kaum gegeben.
Dorn: Ich sehe in diesem Thema eine große Chance für alle, die qualitativ gut aufgestellt sind. Auf Versichererseite betrifft das Anbieter, die Einzelfonds oder Investmentlösungen anbieten und bereits ein breites Asset-Klassen-Universum sowie eine gute Kostensituation, etwa durch Clean-Share-Classes oder Insti-Tranchen, abdecken. Auf der Produktseite haben qualitativ hochwertige Fondsgesellschaften ebenfalls gute Chancen. Wir haben uns vor fünf Jahren begonnen, uns intensiv mit diesen Aspekten beschäftigt und kritisch hinterfragt, welche Strategien sinnvoll sind. Die Maßnahmen der BaFin werden langfristig positiv für Kunden, Beratungsqualität und die Ergebnisse der Fondspolicen sein. Es wird die Qualität der Angebote stärken und möglicherweise die Spreu vom Weizen trennen. Einige Anbieter müssen hier nachbessern, aber ich sehe große Chancen. Wichtig ist, dass wir Änderungen einfach für Berater und Kunden umsetzen. Die detaillierteren Zielmarktdefinitionen sind beispielsweise gut, stellen aber auch eine Herausforderung dar.
Das Angebot an Fondspolicen ist inzwischen äußerst umfangreich. Wie sieht aus Ihrer Sicht die ideale Fondspolice für die Altersvorsorge aus?
Nuschele: Die ideale Fondspolice erfüllt alle regulatorischen Anforderungen, bietet gute Ertragschancen für Anleger und Sparer, ist für den Vertrieb verständlich und ermöglicht flexible Vergütungsmodelle für die Beratungsleistung. Der Anbieter kann sie kostengünstig und digital unterstützt anbieten, und sie wird von Verbraucherschützern positiv bewertet.
Caceres: Die ideale Fondpolice gibt es bereits: Sie bietet langfristig gute Renditen, Sicherheit und Flexibilität. Sie kann ein Leben lang begleiten, sowohl in der Ansparphase als auch in der Auszahlungsphase. Im Vergleich zu vor 20 Jahren gibt es heute keine Flexibilitätsprobleme mehr. Man kann von Geburt an in dieses Produkt investieren. Wenn man sich mit Geldanlage beschäftigt, kann es sogar Spaß machen, wie ich privat bei Freunden und Verwandten erlebe. Dennoch bleibt der Anlageberater wichtig, um das Produkt erfolgreich an den Kunden zu bringen, da Altersvorsorge und Geldanlage verkauft werden müssen. Meiner Meinung nach ist die Fondpolice ideal aufgestellt.
Dorn: Ich beende meine Vorträge oft mit den Worten: „Machen Sie aus jeder Fondpolice die Beste.“ Das Vehikel Fondpolice bietet bereits alle Möglichkeiten, um gezielt Altersvorsorge zu betreiben. Zwar kann man das Produkt noch optimieren, aber entscheidend ist, dass man regelmäßig die Geldanlage und das Investment überprüft. In den kommenden Jahren werden wir uns hoffentlich noch stärker darauf konzentrieren. Dafür braucht es qualifizierte Berater. Mit dem richtigen Handwerkszeug und der Umsetzung haben wir alle Komponenten, um aus jeder Fondpolice das Beste zu machen.
Und wie viel Prozent Rendite sollte mein Investment dann bringen? Bislang haben wir stets nur voLn einer guten Rendite gesprochen.
Nuschele: Eine gute Fondspolice hat kein festes Renditeziel. Sie sollte die Inflation übertreffen, die eigenen Kosten decken und dabei helfen, die Rentenlücke zu schließen. Wichtig ist, dass sie entsprechend der Risikovorgaben und des Plans ein solides Ergebnis erzielt. Eine Fondspolice ist kein Spekulationsobjekt; zweistellige Renditen sind auf Dauer unrealistisch. Eine gute Rendite liegt im Rahmen der Erwartungen, die in der Beratung definiert wurden. Erfahrungen zeigen, dass Kunden zufrieden sind, wenn sie verstehen, dass eine Rendite zwischen vier und sechs Prozent im Plan liegt. Es geht darum, den definierten Rahmen zu erfüllen, nicht um maximale Performance.
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