Die Coronakrise hat die Digitalisierung weiter beschleunigt. Man kennt es ja so, dass die digitale Beratung in den Sachsparten wunderbar funktioniert. Wie sieht das in dem hoch intensiven Beratungsthema PKV aus?
Gaißer: Ich beobachte, dass es bei Bestandskunden, wo ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Vermittler und dem Kunden existiert, relativ gut funktioniert – auch bei komplexen Themen wie der PKV. Es ist eine Effizienzsteigerung da, man kann sich mal kurz in der Mittagspause für dreißig Minuten verabreden. Das funktioniert sehr gut, Vermittler und Kunden haben einen Vorteil. Man spart sich die Anreise, die Parkplatzsuche, alles was damit einhergeht. Man kommt sehr schnell zur Sache. Etwas schwieriger ist das Thema Neukundenakquise. Da ist die persönliche Begegnung schon vorteilhaft, denn da gilt es erstmal abzuklären, wo der Kunde hinmöchte, welchen Weg man gemeinsam gehen will.
Engemann: Wir haben da sehr positive Erfahrungen gemacht, was das Thema Krankenzusatzversicherung angeht. Es ist ja im Markt rumgegangen, wir haben eine komplett neue Produktpalette herausgebracht. Die haben wir dann in den größten Teilen der Tarife auch online abschlussfähig gemacht.
Wir arbeiten auch mit Links auf den Homepages unserer Außendienstberater. Das heißt, die rufen den Kunden an und sagen: Wir haben eine ganz tolle Zahnzusatz, schau dir die doch mal an. Dann bekommt der Kunde den Link, geht selbst durch ein paar animierte Folien, kommt auf unsere Angebots- und Abschlussstrecke, zwei, drei, vier Klicks, und schon ist das Geschäft gemacht.
Das funktioniert bei solchen Produkten wirklich sehr gut. Man sieht es auch im Markt: Zahnzusatz ist der Renner, obwohl es immer heißt, dass viele Kunden die schon abgeschlossen haben. Aber da ist wirklich noch Potenzial da.
Gaißer: Das sehe ich genauso. Zahnzusatz ist der Treiber schlechthin, was den Umsatz angeht. Es ist ein Massengeschäft. Wenn man in diesem Segment einen vernünftigen Tarif vorhält, dann wird einem das von den Kunden sehr schnell gedankt. Was eher ein schwieriges Thema ist, wenn man die Produktionszahlen anschaut, ist das Thema Pflege. Da haben wir am Markt eher Nachholbedarf, vielleicht muss man aber auch etwas geduldiger sein.
Schiffels: Zahnzusatz ist ein leicht verständliches Produkt für den Endkunden, gerade in der Informationsbeschaffung. Die Endkunden werden ja immer selbstbestimmter, sie sammeln Informationen, machen sich ein eigenes Bild.
Bei Zahnzusatz sind die Informationen leicht zu konsumieren und verständlich. Daran hapert es einfach bei vielen anderen Produkten, auch bei der Pflege. Was genau ist abgesichert, worauf bezieht sich das, wie setzt sich das zusammen? Das sind die größten Probleme, da muss die Beratung ansetzen.
Aber gerade bei den Zahnzusatztarifen ist der Markt ja völlig unübersichtlich. Haben Kunden und Vermittler da wirklich den Überblick oder wie erfolgt die Auswahl?
Schiffels: Ich denke, der Kunde hat gerade bei einer Zahnzusatzversicherung ein relativ genaues Bild, welche Leistungen er zu erwarten hat, was er benötigt und wie sich das zusammensetzt. Zahnzusatztarife sind ja im Regelfall nicht sehr kompliziert gestrickt. Das bezieht sich in anderen Bereichen viel mehr auf gesetzliche Grundlagen, auch in der Pflege.
Wie sieht es im Bereich der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) aus? Ist Zahn da auch die beliebteste Zusatzversicherung?
Gaißer: Die Wahl des richtigen bKV-Tarifs ist für den Arbeitgeber sehr schwer zu treffen. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Belegschaft mit 200 Mitarbeitern: Der eine braucht eine Brille, der andere mag Akupunktur, der Nächste hat ein Problem im Zahnbereich.
Ich glaube, die bKV ist richtig gut aufgestellt mit Budgettarifen, wie wir sie mit unserem „Feelfree“ als erster Anbieter auf den Markt gebracht haben. Da können die Mitarbeiter – im Rahmen des Budgets – die Leistungen auswählen, die sie benötigen bzw. bevorzugen. Es wird nicht allen ein starres Produkt übergestülpt. Das ist die eleganteste Variante. Zahnzusatz ist aber schon ein fester Bestandteil. Eine bKV, die den Zahnbereich ausschließt, halte ich in der Belegschaft für schwer vermittelbar.
Das Thema bKV ist ja noch ein relativ zartes Pflänzchen. In der Branche heißt es, dass eher die kleineren und mittleren Firmen großen Wert darauf legen. Das überrascht mich, weil ich eigentlich denke, dass größere Unternehmen die bessere Organisation haben. Welche Erfahrungen machen Sie, können Sie das bestätigen?
Gaißer: Ja, das kann ich bestätigen. Auch bei uns ist es so, dass die mittelgroßen Unternehmen das größte Interesse an der bKV haben und die größte Abschlussquote vorweisen. Das geht runter bis zu den Kleinunternehmen.
Die großen Konzerne, die Dax-Unternehmen, haben eigene Vorsorgekonzepte. Unsere Zielgruppe sind Unternehmen, die arbeitnehmerorientiert sind. Das sind Unternehmer, die erkannt haben, dass die Mitarbeiter das höchste Gut in ihrem Betrieb sind, dass sie wirtschaftlich exorbitant am Erfolg des Unternehmens mitarbeiten.
Unternehmer, die das erkannt haben, sind an solchen Versorgungslösungen stark interessiert. Gerade in diesem Jahr konnten wir feststellen, dass das Bewusstsein der Arbeitgeber für die Gesundheit der Mitarbeiter in den Fokus gerückt ist.
Engemann: Das sehe ich genauso. Wir haben irgendwann angefangen, Gruppen zu bilden mit fünf Personen – das sind dann die kleinen Werkstätten, die familienorientierten Betriebe – kleine und mittelständische Unternehmen mit 250 Mitarbeitern, in Teilen auch mit bis zu 500 Mitarbeitern. Die ganz großen Fische haben wir eher vereinzelt im Portfolio. Affin für das Thema bKV sind eher die mittelständischen Unternehmen. Das spiegelt sich auch bei uns wider.