Welche Folgen haben Inflation und Minus-Zinsen? Was bringt die ESG-Regulierung? Wie reagieren die Anleger? Diese und weitere Fragen beschäftigten das erste Panel des Branchengipfels.
Die Thema Inflation ist in aller Munde. So hat zum Beispiel der „Focus“ unlängst getitelt: „Achtung Sparer, uns droht eine Geldentwertung so hoch wie seit 1992 nicht mehr.“ Ist das Panikmache oder berechtigte Sorge?
Grundler: Panikmache sehe ich nicht, aber man ist nicht mehr gewohnt, dass Preise nach oben gehen. Deswegen hyperventilieren jetzt einige. Was wir in den letzten Monaten auf der Materialebene gesehen haben, ist mit Sicherheit eine spekulative Blase. Wir gehen davon aus, das wird sich wieder einpendeln. Wir können mit einer Inflationsrate, die sich vielleicht bei drei Prozent einpendelt, ganz gut leben.
Auel: Als ich gestern aus München hier in Hamburg ankam, war das Restaurant, in das ich gehen wollte, geschlossen. Nicht wegen Corona, sondern weil Arbeitskräfte fehlen. Auch in München haben die Restaurants zu wenig Personal. Mein Frisör ist teurer geworden. Ich versuche seit Ewigkeiten, einen Handwerker zu bekommen, und es klappt nicht. Das sind nur Einzelbeispiele, aber denke, meine Alltagserfahrungen sind symptomatisch für die aktuelle Zeit. Der Arbeitskräftemangel führt dazu, dass Gehälter stark steigen oder zumindest der Druck in diese Richtung sich erhöht. Diese inflationären Tendenzen sind aus unserer Sicht keine vorübergehende Erscheinung. Für unsere Branche ist das Inflationsthema eher ein weiteres Verkaufsargument und wir merken, dass das Thema im Dialog mit unseren Kunden an Bedeutung zunimmt.
Wie verhält es sich im Bausektor? Dort ist nicht nur von höheren Materialpreisen zu hören, sondern auch Materialknappheit.
Grall: Das Thema ist anspruchsvoller geworden. Wir haben aber mit den meisten Handwerkern feste Preise vereinbart und viel auf Vorrat gekauft, weil wir als großer Immobilienbieter vieles auf direktem Weg beziehen können. Aber wir greifen vielfach auf kleine Handwerksbetriebe zurück, die das angespannte Umfeld gerade sehr herausfordert. Ich sehe sehr kritisch, dass es viele Handwerker danach nicht mehr geben wird, weil die Preise künstlich in die Höhe getrieben worden sind oder Material einfach nicht verfügbar ist. Nach dem, was wir mit Experten und großen Zulieferern besprochen haben, werden wir erst ab März wieder in ein etwas entspannteres Fahrwasser kommen. Bei den Chips wird es mit Sicherheit bis Ende nächsten Herbst noch dauern. Wir glauben aber, beim Thema Preise ist bei Wohnen und Immobilien noch ein bisschen Luft und der Trend geht weiter nach oben.
Gierig: Wir glauben, dass das Niveau sich hier auch höher einpendeln wird, aber das ist auch ein wenig der Blick in die Glaskugel. Der offizielle Warenkorb ist aber sehr kritisch zu sehen. Wenn ich das reale Leben anschaue, ist die wahre Inflation deutlich höher. Auch die gefühlte Inflation der Menschen ist höher im alltäglichen Leben. Gleichzeitig haben wir Negativzinsen. Es ist erschreckend, wie wenig die Menschen darauf reagieren, eigentlich müssten wir als Sachwertanbieter überrannt werden. Privatkunden lassen trotzdem ihr Geld auf dem Konto liegen, weil die Inflation und der reale Wertverlust dann doch abstrakt sind. Dies vertrieblich zu nutzen, ist eine Herausforderung. Bei allen theoretischen Gesprächsanlässen und sinnvollen Investitionen in Sachwerte sehen wir eine sehr starke Beharrlichkeit bei den Anlegern, trotzdem in ihren liquiden Mitteln zu bleiben.
Auel: Ich würde aber schon sagen, dass in dem Moment, als die Negativzinsen kamen und die Bank dann wirklich de facto einmal im Quartal etwas weggenommen hat, der Druck bei den Kunden gestiegen ist. Denn im Gegensatz zur Inflation, die man nicht unmittelbar spürt, ist das schon ein Eingriff, der sofort auf dem Konto des Kunden sichtbar ist und damit wehtut.
Mückenheim: Ich halte nichts von Panikmache, sondern plädiere immer für eine evidenzbasierte Betrachtung. Praktisch sind die Sorgen berechtigt, wenn über einen längeren Zeitraum die laufenden Einnahmen aus dem Vermögen prozentual geringer als die Inflationsrate sind. Der wichtigste Hebel gegen die Inflation ist eine Rendite, die oberhalb dieser Rate steht. Grundsätzlich sehen wir bereits seit Jahren deutlich anziehende Preise für Immobilien, jedoch mit sehr unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Segmenten. Heftig mit stark steigenden Preisen ist die Entwicklung im Wohn- oder Logistikbereich. Anders sieht es bei Immobilien der Lebensmittel- und Nahversorgung aus, auf die wir uns mit dem aktuellen Dr. Peters Portfoliofonds fokussieren. Hier ist die Entwicklung zumindest außerhalb der großen Metropolen noch recht moderat. Jedenfalls ist es uns gelungen, die ersten Objekte für unseren aktuellen Portfoliofonds für das siebzehn- bis achtzehnfache der Jahresnettokaltmiete zu kaufen. Das entspricht einer Einkaufsrendite von rund fünf Prozent, die es uns ermöglicht, dem Anleger eine Rendite oberhalb des derzeitigen Inflationsniveaus zu zahlen.
Pawils: Es gibt sicherlich Treiber der Vermögenspreisinflation wie die seit Jahren andauernde Niedrigzinspolitik der Zentralbanken. Diese Treiber sind auch ein wesentlicher Grund dafür, dass das renditeorientierte Geschäft der einst bewährten Assetklassen schon seit längerer Zeit schwächelt. Für die Anlegerinnen und Anleger ist es dadurch an den Kapitalmärkten wesentlich komplizierter geworden, denn Sparbücher, Lebens- oder Rentenversicherungen werfen kaum noch Rendite ab. Gleichzeitig hat die Coronapandemie für zusätzliche Verunsicherung gesorgt. Immobilien und Sachwerte genießen aber weiterhin ein hohes Ansehen und sind gerade bei erhöhter Inflationsrate als Kapitalanlage überaus gefragt.
Besteht bei Erneuerbaren Energien die Gefahr, dass die Kosten davonlaufen, aber die Einnahmen nicht gesteigert werden können, weil sie durch das EEG festgeschrieben sind?
Busboom: Das ist eher weniger das Problem. Es gibt zwar die zwanzigjährige EEG-Förderung, aber wir haben jederzeit das Optionsrecht, den Strom zu höheren Preisen am Markt zu verkaufen. Das wird jetzt wahrscheinlich erstmalig anstehen, weil die aktuellen Strompreise teilweise über der EEG-Vergütung liegen. Deswegen ist die Situation für uns eigentlich die gleiche wie in anderen Assetklassen. Alle haben damit zu kämpfen, dass die Preise für Material und Löhne steigen. Generell hatte in der Kapitalanlagebranche das Thema Inflation immer zwei Seiten. Auf der einen Seite flüchten Menschen in Sachwerte. Das wird auch dieses Mal ein Effekt sein. Auf der anderen Seite stiegen früher irgendwann auch die Guthabenzinsen. Das ist heute anders. Für Guthaben wird es in absehbarer Zeit keine Verzinsung geben. Auch die Refinanzierungszinsen bleiben sehr niedrig, weil sonst reihenweise Staaten pleite wären. Deswegen ist die aktuelle Situation sehr spannend.
Eitle: Vor eineinhalb Jahren haben wir die günstigsten Solarmodule noch für 23 Cent pro Watt bezogen. Derzeit bezahlen wir in der Spitze fast 40 Cent. Die Preise sind also extrem nach oben gegangen. Das liegt hauptsächlich daran, dass Länder wie Vietnam oder Malaysia im Lockdown tatsächlich einen Lockdown hatten. Die Fabriken waren zu und haben keine Module produziert. Entsprechend haben wir eine Modulknappheit wie noch nie. Wir sehen aber auch eine Entspannung, so ab April, Mai nächsten Jahres. Vor dem Hintergrund gehe ich davon aus, dass sich dies wieder normalisiert. Und eine Inflationsrate von 2,5 bis drei Prozent ist meines Erachtens gesund.
Kunz: Wir sehen das Thema hohe Inflationsraten zeitlich begrenzt. Die Herausforderung wird sein, das Bewusstsein beim Anleger zu schärfen, was Inflation für sein Vermögen oder seinen Vermögensaufbau bedeutet. Für Immobilienanbieter ist das Thema natürlich immer förderlich, weil wir durch die Objekte einen Inflationsschutz bieten können. Ob die Inflation zwei, drei oder vier Prozent beträgt, ist letztendlich aber nur für die Frage entscheidend, welche Strategie man anstreben muss, um dem Ganzen entgegenzuwirken.
Pawils: Die Nachfrage von Carestone-Pflegeimmobilien wächst seit Jahren und ist aktuell so stark wie nie zuvor. Wir spüren das unter anderem deutlich im Vertrieb: Neue Apartments sind schneller verkauft als bisher, obwohl die Preise aus diversen Gründen gestiegen sind – und die Geschwindigkeit nimmt weiter zu. In den vergangenen zwei Jahren sind die Immobilienpreise deutschlandweit jeweils um etwa sieben Prozent gestiegen. Wir haben derzeit 35 aktive Baustellen und können die Entwicklung der Baupreise daher sehr genau beobachten. Bis Mitte 2021 haben auch die Baupreise um sieben Prozent pro Jahr angezogen, wodurch ein kausaler Zusammenhang zum generellen Anstieg der Immobilienpreise besteht. Aber auch bei einzelnen Materialien gab es teilweise deutliche Preiserhöhungen: Baustahl etwa ist doppelt so teuer wie vor einem Jahr. Der Holzpreis ist hingegen schon wieder spürbar zurückgegangen. Unterm Strich dürften sich die Baupreise in naher Zukunft ähnlich moderat entwickeln wie die Immobilienpreise.
Hertwig: Volkswirtschaftlich halte ich eine gewisse Inflation für durchaus sehr gesund. Ich bin aber nicht sicher, ob die Inflation tatsächlich begünstigt, dem Anleger einen Sachwert zu vermitteln. Denn was der Anleger sieht, sind sehr viel höhere Ausgaben zum Beispiel fürs Tanken und den täglichen Einkauf bei gleichem Einkommen. Dann ist vielleicht der Gedanke naheliegend, die Liquidität oder die Ersparnissen einfach zu behalten, weil ich nicht weiß, was auf mich zukommt und ob ich das Geld nicht irgendwo brauche.
Busboom: Wir nehmen in der Tat den Trend wahr, dass die 10.000- und 20.000-Euro-Anleger weniger werden. Aber das wird überkompensiert von den Großzeichnern. Die durchschnittliche Zeichnungssumme bei uns lag früher bei 16.000, 17.000 Euro. Inzwischen geht sie in die Richtung zwischen 25.000 und 30.000 Euro.
Eitle: Unsere durchschnittliche Zeichnungssumme liegt derzeit genau bei 33.000 Euro. Wir sehen, dass große Vermögen tatsächlich einen ähnlichen Anlagedruck haben, wie man es aus dem institutionellen Bereich kennt.
Auel: Im Grunde ist das Geldvermögen ja durch Corona noch mehr gestiegen. Die Leute haben sehr viel gespart, keinen Urlaub gemacht. Der Aktienmarkt ist auch noch stark nach oben gegangen. Wir sehen viele Kunden, die jetzt Gewinne mitnehmen und ihre Aktienquote reduzieren und in etwas ruhigeres, nicht so schwankendes Fahrwasser abseits der Aktienmärkte möchten. Und davon profitieren wir in diesem Raum alle.
Grall: Das kann ich bestätigen, wobei sich die Definition von Kleinanleger immer mehr verschiebt. Denn wir haben jetzt die ersten regionalen Banken, die schon ab 50.000 Euro Strafzinsen aufsetzen.
Gibt es einen Unterschied bezüglich der Nachfrage nach Verträgen mit Einmalzahlung und monatlichen Zahlungen?
Grall: Tatsächlich ja. Wir merken sehr deutlich, die Einmalanlage funktioniert immer noch wunderbar. Auch im Teilzahlungsbereich hat die Nachfrage angezogen, aber dass hier eine große Trendwende stattfindet, würde ich verneinen.
Mückenheim: Die zunehmende Inflation steigert bei vielen Privatanlegern das Interesse an Sachwerten. Allerdings ist die Nachfrage bereits seit vielen Jahren sehr hoch, da die meisten klassischen Geldanlageprodukte wie Lebensversicherungen aufgrund der Nullzinspolitik keine auskömmlichen Renditen mehr abwerfen. Erschwerend hinzu kommt, dass inzwischen viele Banken für größere Einlagen Strafzinsen verlangen.
Grundler: Grundsätzlich sollten wir nicht überschätzen, welche Rolle wir alle gemeinsam im Markt spielen. Die deutschen Privathaushalte verfügen über ein Geldvermögen von über sieben Billionen Euro. In dieser Relation ist die AIF-Branche quasi die dritte Stelle hinter dem Komma. Der Trend ist positiv, und auch unsere Zeichnungsscheine werden höher, aktuell im Schnitt um 40.000 Euro. Insgesamt ist die Branche für die Rahmenbedingungen und die ganzen grünen Ampeln in Richtung Neugeschäft aber noch viel zu klein. Es ist auch atemberaubend, auf welche Unkenntnis bei Politik, Gesellschaft und Medien wir immer noch stoßen.
Busboom: Die Branche ist auch ein Stück weit selber Schuld daran, weil es in den letzten 20 Jahre sehr viele schwarze Schafe und viele Enttäuschungen gab. Wir müssen den Weg der Regulierung weiter gehen. Dann werden wir immer stärker einen Effekt haben, dass das Volumen auch wieder wachsen wird.
FDP-Chef Christian Lindner schlägt ein „Super-Abschreibungsprogramm“ vor, um Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung zu fördern. Was wäre davon zu halten?
Grundler: In der steuerlichen Konzeption haben wir Hemmschuhe durch Paragraf 15b Einkommenssteuergesetz. Innerhalb eines Fondsmantels wird es schwierig, eine Sonderabschreibung umzusetzen.
Busboom: Ich würde dafür plädieren, nicht über Förderungen oder Subventionen zu gehen, sondern die richtigen politischen Entscheidungen zu treffen. In unserem Bereich der erneuerbaren Energien sind das insbesondere die Genehmigungsprozesse für neue Anlagen. Sechs Jahre zu brauchen, um einen Windpark genehmigt zu bekommen, kann nicht sein. Da hilft dann auch nicht das tollste Subventionsprogramm. Wir brauchen keine Anreize, dass die Menschen Geld anlegen. Wenn Sie seriös konzipierte Produkte haben, haben Sie auch Kunden dafür. Was wir brauchen, ist die Möglichkeit, mehr Assets zu bekommen.
Grall: Das unterschreibe ich für die Immobilie sofort. Das Problem der langen Genehmigungsphasen haben wir auch. Heute benötigen Baugenehmigungsverfahren 14 Monate und mehr. Wir wollen Wohnraum schaffen, aber er kann nicht gebaut werden, weil die Politik einfach versäumt hat, die Genehmigungsverfahren schlank zu halten oder auch Bauland freizugeben.
Eitle: Wir als Hep sind weltweit unterwegs, entwickeln, bauen und betreiben Solarparks. Gerade in der Projektentwicklung stellen wir fest, das es in den USA viel einfacher und effizienter ist im Vergleich zu Deutschland. Und in China, wo innerhalb von zwölf Monaten ein kompletter Komplex steht inklusive Genehmigung, Architektur und Bau, kann man sehen, wie es funktionieren kann. Da werden wir in Deutschland wahrscheinlich nie hinkommen.
Grundler: In Bezug auf die energetische Sanierung sind wir genau in die andere Richtung unterwegs. Die Auflagen sind höher geworden und zum Teil absurd. Und die Vorschriften nehmen die Mieter gar nicht mit. Die wollen das oft gar nicht, sollen es aber bezahlen.
Eitle: Ein Beispiel aus unserer Branche: Das Thema Agri-Solar oder auch Shared Solar genannt, also der Überbauung von Ackerflächen mit Solaranlagen zur gleichzeitigen Nutzung, ist derzeit nicht umsetzbar. Das lässt das deutsche Planungsrecht leider nur begrenzt beziehungsweise überhaupt nicht zu. Auch wenn es erste Ansätze in Deutschland gibt, wird es meines Erachtens auch wieder Jahre dauern, bis sich hier etwas ändert. In Japan haben wir bereits eine Agri-Photovoltaikanlage umgesetzt. Aber auch europäische Länder wie zum Beispiel Frankreich fördern gezielt Agri-Photovoltaik.
Kunz: Wie bereits gesagt wurde, wird in den USA sehr effizient gearbeitet: Innerhalb von zwölf Monaten stehen die Gebäude meistens schon. Zwar haben wir in den letzten anderthalb Jahren coronabedingt durch behördliche Prozesse teilweise auch Zeit verloren, weil wir mal vier oder sechs Wochen statt zwei Wochen warten mussten. Aber im baulichen Bereich können wir das nicht nachvollziehen. In den USA wird einfach „gemacht“.
In Deutschland kommt ja noch neue Bürokratie hinzu: Die neuen Vorschriften zur Nachhaltigkeit oder kurz ESG, also die EU-Offenlegungsverordnung und einheitliche Maßstäbe, die sogenannte „Taxonomie“. Wie ist der aktuelle Stand?
Hertwig: Die Zielsetzung ist, für alle gleiche Kennziffern zu schaffen, um eine Vergleichbarkeit im Markt zu haben und das sogenannte Greenwashing in geordnete Bahnen zu leiten. Da sind wir am Beginn des Prozesses und es liegt noch ein langer Weg vor uns. Die Offenlegungsverordnung ist seit März 2021 in Kraft. Demnach sind Informationen auf der Internetseite zu geben. Die sind, wenn man sich so umschaut, noch sehr allgemein und deutlich verbesserungsfähig. Auch in den Prospekten müssen jetzt schon Angaben dazu gemacht werden. Aber die Kriterien sind noch sehr allgemein. Die Taxonomie wurde zumindest zum Thema Klimaschutz inzwischen verabschiedet. Sie erfordert deutlich mehr und gezieltere Informationen. Ab 2023 ist auch in den Jahresberichten darüber zu berichten. Der Vertrieb wird voraussichtlich ab dem dritten Quartal 2022 einbezogen. Er muss dann aktiv abfragen, was der Anleger in punkto Nachhaltigkeit möchte. Die EU-Richtlinien sind noch sehr allgemein, auch bezüglich der Differenzierung der Artikel-8- und Artikel-9-Produkte. Auch die BaFin hat sich bisher nur sehr allgemein geäußert. Das liegt auch daran, dass die Spezifizierungen noch fehlen. Die müssen vielleicht zum Teil auch aus dem Markt heraus entwickelt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Artikel 8 und Artikel 9?
Hertwig: Bei Produkten nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordung reicht es aus, bestimmte Nachhaltigkeit-Grundsätze zu beachten. Das kann zum Beispiel sein, dass ein Gebäude nur Ökostrom bezieht, Solarzellen auf dem Dach installiert oder dass die Materialien nicht aus Regionen kommen, wo Kinderarbeit zulässig ist. Das sind sehr allgemeine Definitionen. Artikel-9-Produkte sind hingegen die sogenannten Impact-Produkte. Das heißt, sie müssen klimaneutral oder klimapositiv sein, also aktiv zum Klimaschutz beitragen. Das ist erheblich anspruchsvoller.
Gierig: Nachhaltigkeit im Sinne von ESG ist nicht nur unter dem ökologischem Aspekt zu sehen, sondern umfasst insbesondere auch den sozialen Bereich. Zum Beispiel: Wie gehen wir mit unseren Mitarbeitern um und entwickeln diese? Das sind Themen wie Frauenquoten, die ich persönlich in unserer Branche und im Vertrieb als viel zu unterrepräsentiert sehe. Frauen sind auch ganz entscheidend in dem erfolgreichen Betreiben von Pflegeimmobilien. Wir investieren nun seit zwei Jahren in Healthcare-Immobilien. Das unterstreicht auch die Ausrichtung unserer ESG-orientierten Unternehmenstrategie, die sich mit dem S in der Produktstrategie manifestiert. Unser geplanter Publikumsfonds HC2 der Pflegefonds-Serie wird ESG-konform sein. Die BaFin hat die Anlagebedingungen mit den ESG-Kriterien bereits genehmigt. Es ist für uns auch vertrieblich wichtig, solche ESG-konformen Produkte zu lancieren, weil der Vertrieb im nächsten Jahr im Rahmen der neuen MiFID explizit abfragen muss, ob der Kunde ein ESG-konformes Produkt haben will und begründen muss, wenn er dies nicht möchte.
Hertwig: Das wird ein Punkt sein, der in der Zielmarktbestimmung ergänzt werden muss, damit der Berater in die Lage versetzt wird, dies beim Kunden abzufragen. Dabei geht es für den Fonds nicht nur darum, positiv zu formulieren, wo er investiert. Es muss auch negativ abgegrenzt werden, in was nicht investiert wird.
Wie lässt sich das bei einem global investierenden Private-Equity-Dachfonds umsetzen?
Auel: Durch die breite globale Streuung unterliegen die Zielfonds und die darunter liegenden Firmen in der Tat keinen einheitlichen Offenlegungspflichten. In der Private-Equity-Branche ist das Thema ESG aber schon lange, auch bereits bevor es diese Gesetzesvorlagen gab, Teil der Due Diligence. Die Investoren in Private-Euqity-Fonds, vor allem die großen amerikanischen Stiftungen und Pensionskassen, haben dieses Thema auch sehr stark im Fokus. Das heißt, es kommt auch von den Großanlegern in die Private-Equity-Branche. Es gibt aber in der Tat noch keine ausreichenden Detailvorschriften. Wir haben jetzt eine eigene Research-Abteilung gegründet und einen Mitarbeiter eingestellt, der speziell für unser Segment, Private-Equity-Dachfonds, das Thema Nachhaltigkeit einmal ganz fundamental analysiert und Ideen aufzeigt, wie man in den private Markets damit umgehen kann.
Kunz: Nachhaltigkeit spielt für uns schon immer eine Rolle bei der Projektauswahl. Es ist schade, dass alles erst reguliert werden muss, bevor es bekannt ist. Bei unseren Projekte geht es auch darum, gute bestehende Immobilien zu erwerben, selbst wenn sie in Bezug auf Energieeffizienz nicht unbedingt auf dem aktuellen Standard sind. Da gibt es ein enormes Wertschöpfungspotenzial. Berücksichtigt werden bei den Projekten auch Aspekte wie die Lieferkette, welche Rohstoffe wir verwenden, wo die Zulieferer herkommen, aber auch interne Prozesse, beispielsweise Themen wie faire Löhne oder Papierverbrauch.
Mückenheim: Wir begrüßen die Fokussierung auf die Nachhaltigkeit von Investitionen und wollen auch selbst unseren Beitrag zu nachhaltigen Investments leisten und noch stärker als bisher unser tägliches Handeln am Nachhaltigkeitsgedanken ausrichten. Dabei hilft uns die Offenlegungsverordnung in Verbindung mit der Taxonomie-Verordnung aktuell allerdings nur wenig. Noch sind zu viele Fragen offen. Daher warten wir auf die weitere Konkretisierung der Taxonomie und darauf, wie der Gesetzgeber letztendlich entscheidet. Erst dann sehen wir eine Chance, auf Basis verbindlicher, vor allem aber vergleichbarer Kriterien ökologisch-orientierte Investments zu konzipieren.
Pawils: Carestone setzt schon länger auf das Thema Nachhaltigkeit. Wir bauen unsere Pflegeheime nach den gültigen KfW-Standards, wovon wiederum Anlegerinnen und Anleger mittelbar durch eine entsprechende Förderung profitieren. Wir entwickeln uns in puncto nachhaltiges Bauen stetig weiter und errichten beispielsweise das Pflegezentrum im osthessischen Kalbach in einer nachhaltigen und energieeffizienten Holzmodulbauweise. Das verringert nicht nur die Bauzeit, sondern auch den Baustellenlärm. In Zukunft werden weitere Projekte dieser Art folgen. Die ESG-Kriterien, also neben der ökologischen auch die soziale Nachhaltigkeit und die Governance, wird in den kommenden Jahren das entscheidende Thema für die Immobilienbranche sein. Wir wollen dabei Vorreiter sein, einen Zertifizierungsstandard für Pflegeimmobilien durchsetzen und dies natürlich auch ganz transparent durch unsere Unternehmensstrukturen dokumentieren.
Gierig: Dass wir als Immobilienbranche in die Pflicht genommen werden, ist gut und wichtig. Wir Immobilienfonds- und Asset-Manager können sehr viel dazu beitragen, dass energetische Emissionen reduziert werden. Aber das kostet sehr viel Geld und ich weiß nicht, ob die Anleger tatsächlich jetzt schon bereit sind, auf Ausschüttungen zu verzichten, um in solche Immobilien zu investieren. Die energische Wende und die notwendigen Investitionen vor allem bei den vielen Bestandsimmobilien muss in der Übergangszeit vom Staat incentiviert werden, weil der Mehrwert privaten Investoren noch nicht so greifbar ist. Perspektivisch wird es allerdings so sein, dass nur noch energetisch effiziente Immobilien auch einen Marktwert haben.
Grundler: Obwohl wir seit unserem ersten Fonds konsequent CO2-Einsparungen aufgrund unserer energetischen Maßnahmen erzielen, ist noch nicht klar, wie wir Artikel 8 erreichen können, geschweige denn Artikel 9. Denn allein Artikel 8 erfordert die energetische Sanierung jeder einzelnen Immobilie und das in kürzester Zeit. Gleich, ob dies sinnvoll ist oder nicht. Das würde auf die Rendite schlagen, denn ich bekomme diese Kosten nicht immer wirtschaftlich auf die Mieter umgelegt. Und die Kunden werden sich nicht darüber freuen. Unabhängig davon gibt es verbesserte KfW-Programme. Dort müssen wir jetzt nicht mehr sofort sanieren, sondern innerhalb von zehn bis 15 Jahren, um 25 Prozent verlorenen Zuschuss zu erhalten. Das ist sehr viel und bringt für die Rendite auch wirklich etwas.
Hertwig: Artikel 9 mit einem Bestands-Portfolio zu erreichen, ist sicherlich extrem schwierig. Aber Artikel 8 müsste aus meiner Sicht grundsätzlich möglich sein, weil dabei teilweise die Festlegung allgemeiner Grundsätze oder die Einhaltung gesetzlicher Standards wie eben die KfW-Standards ausreichen.
Eitle: Natürlich spricht hier vieles für uns – die Assetklasse Erneuerbare Energien ist prädestiniert für Artikel 9 Impact-Produkte. Das ist ja auch die Idee – die EU möchte den Finanzmarkt mit dieser Regulierung gezielt mit einbeziehen. Letztendlich weiß doch jeder, dass es ohne privates Kapital nicht funktionieren kann, den Klimawandel überhaupt in irgendeiner Form zu bewerkstelligen. Die geplante Taxonomie soll Greenwashing verhindern – und das ist auch wichtig. Allerdings muss es am Ende beispielsweise für einen Immobilienfonds auch möglich sein, ein Artikel-8-Produkt aufzulegen. Ich denke es wäre ein falscher Ansatz, die Hürden so hoch zu setzen, dass es am Ende des Tages nicht möglich ist, ein ESG-Produkt aufzulegen.
Grall: Wir tun uns als Projektentwickler mit dem Neubaustandard wesentlich leichter. Aber auch für uns ist es eine Herausforderung, alle Kriterien zu erfüllen. Seit es die KfW-Programme gibt, gehen wir diesen Weg und versuchen, viel nachhaltig zu machen. Aber wird haben auch Diskussionen mit Anlegern, die sagen: „Gerne grün, grün, grün. Aber renditemäßig hätte ich trotzdem gern das Gleiche.“ Es wird noch ein langer Weg sein, bis da alle mitgenommen sind.
Das Anlegerschutz-Stärkungsgesetz, das im August in Kraft getreten ist, enthält für Vermögensanlagen unter anderem ein Blind-Pool-Verbot. Wie gehen Sie damit um?
Kunz: Ich begrüße das. Das Gesetz gibt uns zusätzliche Planungssicherheit, von daher sind wir vom Blind Pool-Verbot durchaus angetan. Wir sind seit 2006 am deutschen Markt und haben, bevor wir 2017 das erste Mal einen Blind Pool auflegen mussten, Objekte immer vorher identifiziert und vorfinanziert. Gerade aus Vertriebssicht ist es sehr gut, zeigen zu können, welche Zielobjekte die Beteiligung hat. So können wir Wirtschaftlichkeitsanalysen fahren sowie Cashflow-Szenarien und dergleichen ausweisen. Als wir das erste Mal einen Blind Pool emittiert haben, sorgte das im Vertrieb für Aufregung. Wir haben es trotzdem geschafft, über 200 Millionen US-Dollar Kapital einzuwerben, um dann 15 Immobilien zu erwerben. Doch es ist für uns von Vorteil, die Möglichkeit zu haben, Projekte vorher anzubinden und darzustellen. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Fall häufiger Nachträge sehen werden, sprich weitere Objekte anbinden, diese dann präsentieren und im Anschluss das entsprechende Kapital einwerben. Es mag andere Vermögensanlagen geben, bei denen es technisch schwieriger ist, das darzustellen, aber von unserer Seite aus ist die neue Situation begrüßenswert.
Es geht das Gerücht, dass auch bei Publikums-AIFs ein Blind-Pool-Verbot geplant sei. Ist da etwas dran?
Hertwig: Nein. Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe das bisher nicht vernommen.
Moderation: Frank Milewski, Stefan Löwer, Cash.