Hammer: Ich sehe die Heterogenität als Chance. Davon profitieren wir als Anbieter ebenso wie die Kunden. Ich sehe sie aber auch als ganz wichtigen Auftrag für alle Vermittlerinnen und Vermittler, die hier Aufklärungsarbeit zu leisten haben. Denn es gibt ein großes Potenzial für die nach wie vor weniger bekannte Grundfähigkeitsversicherung. Selbst viele Vermittlerinnen und Vermittler haben das Produkt noch nicht in ihren Beratungsalltag integriert. Wir wollen als Swiss Life dabei unterstützen. Die Grundfähigkeit stupide nur mit handwerklichen Berufen zu verknüpfen, ist viel zu kurz gesprungen. Viele Kunden, die in der BU hohe Beiträge zahlen würden, finden dort zweifelsohne eine Heimat. Wir haben aber auch viele Kunden, die zwar eine BU abschließen könnten, aber mit der abstrakten Definition der Berufsunfähigkeit und dem 50-prozentigen BU-Grad nicht viel anzufangen wissen. Die Definition der Grundfähigkeiten sind dagegen so plastisch, dass die Kunden praktisch selbst zuhause testen können, ob man Leistungsfall ist, oder nicht.
Ludwig: Ich empfinde die Grundfähigkeit nicht als intransparentes Produkt. Man kann die Grundfähigkeiten nachspielen. So haben wir tatsächlich unser Rating entwickelt. Wir haben ausprobiert, was Knien, Bücken, Greifen, bedeutet. Zudem waren wir mit den Rückversicherern im Gespräch um herauszufinden, welche Grundfähigkeiten wirklich wichtig sind. Als Rating-relevant haben wir 15 Grundfähigkeiten in die Bewertung einfließen lassen. Die anderen werden zwar analysiert, haben aber keinen Einfluss auf das Urteil. Damit wollen wir vermeiden, dass in der Grundfähigkeit ein Bedingungswettbewerb und Preiskampf wie in der BU stattfindet. Das täte dem Produkt und dem möglichen Kundenkreis nicht gut.
Bei der Leistungsregulierung schlägt die Stunde der Wahrheit: Wie gut sind die Gesellschaften im Fall des Falles?
Ludwig: Der Volksmund sagt, der Versicherer zahlt eh nicht. Das können wir überhaupt nicht bestätigen. Die Leistungsfallquoten reichen von 62 bis 94 Prozent. Bei derart hohen Quoten gibt es bei uns im Kompetenzrating allerdings schon wieder Abzüge. Bis 85 Prozent ist wirklich gut. Darüber hinaus gibt es Abzüge, weil der Verdacht besteht, die Leistungsprüfung ist eventuell zu lax, was zu Lasten des Kollektiv geht. In der Presse geistern immer die Negativbeispiele herum. Man hört aber kaum Meldungen, dass ein Versicherer eine BU-Rente bewilligt hat. Das interessiert niemanden. Unsere Leistungsfallquoten stellen den Versicherern ein gutes Zeugnis aus.
Hammer: Mit über einer halben Million aktiver BU-Verträge gehören wir zu den großen BU-Anbietern im Markt. Im Schnitt gehen 1.500 Leistungsfälle pro Jahr bei uns ein. Wir liegen bei einer Anerkennungsquote von 84 Prozent. Und das ist für einen Versicherer mit dem Bestandsgröße und den Leistungsfällen gut. Die von Ihnen genannte „Stunde der Wahrheit“ sollte eine viel prominentere Stellung in der Beratung bei der Auswahl des Anbieters oder Tarifs haben und schwerer wiegen als nur eine möglichst günstige Prämie Wir haben als Branche den Auftrag, diese Stunde der Wahrheit, viel mehr in den Beratungsprozess einzubauen und als wichtiges Auswahlkriterium zu etablieren.
Roß: Als großer Anbieter im Bereich der Biometrie haben wir natürlich auch eine große Leistungserfahrung. Unsere Leistungsquote messen wir regelmäßig und liegen bei mehr als 83 Prozent. Die ist so hoch, weil wir einen eigenen Außenregulierungsservice haben. In den ganzen Fällen, die kritisch sind oder Kunden Unterstützung benötigen, sind die Kollegen des Teams vor Ort und klären Fragen im persönlichen Gespräch. In meinen Augen ein ganz wichtiger Aspekt. So helfen wir den Kunden, unter anderem auch neue Berufsbilder zu finden. Denn es geht in der Phase nicht nur um die Geldleistung, sondern auch um die Begleitung und Unterstützung.
Lerch: Wir sind als BU-Versicherer erst seit 2014 auf dem Markt. Insofern hinkt der Vergleich mit den beiden anderen Anbietern. Für die Leistungsregulierung bei Grundfähigkeiten- oder Schwere-Krankheiten-Versicherung, die wir ja seit über 20 Jahren anbieten, sind wir akutell bei Assekurata ausgezeichnet worden. So wie wir dort regulieren, machen wir es auch im BU-Bereich.
Der Markt für Arbeitskraftabsicherungsmodelle ist komplexer geworden. Wo liegen die vertrieblichen Hürden?
Roß: Es sind die eingangs genannten vier Kriterien, die es dem Vertrieb ein Stück weit schwer machen. Aber ich glaube auch, dass wir generell kunden- und nicht produktorientiert an das Thema gehen müssen. Erst wenn wir mit dem Kunden ein gemeinsames Einverständnis darüber haben, welche Deckungslücken es gibt und wie die gedeckt werden können, darf es an die Konkretisierung und Produktgestaltung gehen. Was es im Vertrieb braucht, ist eine Fokussierung und Spezialisierung auf Zielgruppen oder Themen. Daher haben wir bei Zurich in diese Richtung bereits viel aufgebaut. Wir subsumieren alles unter www.zurich-maklerimpuls.de. Dort setzen wir Ideen, etwa zum Thema Spezialisierung um. Hier geht es auch um Fokussierung oder die Zielgruppenfindung. Wir geben Tipps, wie sich die Vermittler den Kunden annähern und den Bedarf herausarbeiten können.
Lerch: Der Berater muss Expertise in dem Segment haben. Heute noch den gesamten Bauchladen von der Hausrat- über die Haftpflichtversicherung anzubieten und dazu noch private Altersvorsorge und Arbeitskraftabsicherung, funktioniert nicht mehr. Insofern dürften es Einzelkämpfer schwer haben. Eine Hürde beim Thema AKS ist die Bildung des Kunden. Inwieweit weiß er überhaupt, wie sein Bedarf aussieht. Die Menschen kümmern sich um viel, aber das wichtige Thema Absicherung der Arbeitskraft fällt oft hinten hinunter. Der Glaube, dass nichts passieren wird, ist aber die allergrößte Hürde. Da würde insgesamt mehr Aufklärungsarbeit gut tun. Es gibt immer wieder Diskussionen, Versicherer oder Vermittler hätten hier versagt. So ist es aber nicht. Hier kommt der Vertrieb ins Spiel. Der Kunde braucht Beratung, den Anstoß. Wir müssen hier die Vertriebspartnerinnen und Partner unterstützen. Denn niemand wird schweißgebadet aufwachen und sagen, ich brauche eine BU.
Hammer: Wir versuchen dem Thema AKS die Komplexität zu nehmen. Indem wir in Schulungen – digital oder analog – oder in Roadshows den Blick dafür öffnen, dass die AKS eben nicht nur aus der BU-Versicherung besteht, sondern an der individuellen Situation des Kunden festgemacht werden muss. Wir versuchen, bei den Vermittlerinnen und Vermittlern genau diese Kompetenz zu schärfen. Unser Ziel ist, niemanden zurückzulassen. Jeder sollte diese elementare Absicherung haben.
Das Gespräch führte Jörg Droste, Cash.